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"Meine Schafe hören auf meine Stimme"

08. Mai 2022

„Mobiltelefone sind klasse. Sie verraten uns schon vor der Annahme des Telefonats, wer mit uns sprechen will. Das Smartphone zeigt nicht nur den Namen, sondern oft auch ein Bild des Anrufenden.
Wenn in ‚alter Zeit‘ das Telefon mit Wählscheibe schrill schellte, dann war da noch viel mehr Spannung drin. Erst nach dem Abheben wurde klar, wer der Anrufer ist. Aber nicht immer musste der Anrufer sich vorstellen. Oft reichte schon ein ‚Hallo‘, ein ‚Grüß Dich‘ und wir wussten wer da spricht. Bekannte und Freunde erkennen wir an ihrer Stimme.

‚Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir.‘ (Joh 10,27)

Gerne nimmt Jesus in seinen Reden die Erfahrungswelt seiner Zuhörer auf. Das Bild vom Hirten und den Schafen ist ihm sehr lieb. Es ist gar nicht neu; schon die Heiligen Schriften der Juden verwenden es; sehr bekannt ist natürlich der Vers aus Psalm 23: ‚Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.‘

Im heutigen Evangelium lenkt Jesus unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Stimme des Hirten. ‚Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir‘ (Joh 10,27). Das entspricht tatsächlich der Realität in der Welt der Hirten und ihrer Herden.

Noch heute staune ich, wenn ich daran zurückdenke. Es ist schon ein paar Jahre her, als ich in der judäischen Wüste, gar nicht weit weg von Jericho, einmal zwei Hirtenjungen beobachten konnte. Es war schon später Nachmittag, der Abend war nahe. Da kehrte plötzlich in die bezaubernde Stille der Wüste Unruhe ein. Doch was sich da vor meinen Augen abspielte, empfand ich nicht als Störung. Das war interessant, es hat mich beeindruckt. Die beiden Hirtenjungen, wohl Beduinenkinder, die lange Zeit nebeneinander auf dem Boden gesessen hatten, waren aufgestanden und entfernten sich ein paar Meter voneinander und begannen zu pfeifen und irgendetwas zu rufen. Die Schafe und Ziegen, eine recht beachtliche Zahl von Tieren, begannen sich aufzuteilen, ganz offensichtlich dem Ruf des jeweiligen Hirtenjungen folgend. Jedes Schaf gingen zielstrebig auf seinen Hirten zu und schließlich hinter ihm her. Mit ihren Herden gingen die jungen Hirten nach Hause. Es kehrte wieder Ruhe ein. Ich war von diesem Schauspiel beeindruckt. Ich wurde Zeuge dessen, was Jesus im heutigen Evangelium sagt: Die Schafe kennen und hören auf die Stimme ihres Hirten.

Ich habe das bis dahin nicht für möglich gehalten; doch mit meinen eigenen Augen und Ohren konnte ich es beobachten: Die Schafe hören auf die Stimme des Hirten, sie folgen ihm, weil sie wissen, dass er sie kennt. Die Schafe vertrauen dem Hirten; sie wissen, der führt uns zum Stall, in dem wir die finstere Nacht sicher überstehen und der führt uns auch wieder auf die Weide; der Hirt sorgt für uns, ihm liegt an uns, wir sind ihm wichtig.

Liebe Schwestern und Brüder. Das Bild vom Hirten und der Schafherde will uns helfen, das Wesen Gottes tiefer zu verstehen. Doch Gott ist viel mehr als das ein Bild zum Ausdruck bringen kann. In diesem Sinne sagte einmal Martin Buber: ‚Alle Vorstellungen (Bilder) von Gott sind nur Richtungspfeile oder notwendige Schwellen, die der Mensch auf dem Weg zu Gott benutzt, aber zugleich immer wieder übersteigen und hinter sich lassen muss. Die Wirklichkeit Gottes erfährt der Mensch nicht in diesen Vorstellungen …, sondern nur in der lebendigen Begegnung.‘ Nicht auf schöne Gedanken und Bilder kommt es an, sondern auf das konkrete Leben des Wortes Gottes, auf die ‚lebendige Begegnung‘.

‚Meine Schafe hören auf meine Stimme‘ - und was hören Sie, wenn Sie auf die Stimme unseres Herrn hören? Welches Wort Gottes kommt Ihnen ganz spontan in den Sinn?

Ich habe seit der Vorbereitung auf diese Predigt ein Wort aus dem heutigen Evangelium im Sinn, das sogar zweimal gesagt wird: ‚… niemand wird sie meiner Hand entreißen. … niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.‘ Gott hält uns, er beschützt uns, er rettet uns. Ja, wir alle sind in seinen liebevollen Händen geborgen. Ich nehme dieses Wort Gottes mit in die neue Woche und lasse mich davon leiten. ‚… niemand kann mich der Hand des Vaters entreißen.‘

Ich wünsche Ihnen sehr, dass dieses oder ein anderes Wort Gottes, das Ihnen bei meiner Frage in den Sinn kam, Sie zur lebendigen Begegnung mit Gott führen mag.

Amen.“

Pater Matthias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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