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Die Möglichkeit des Zu-spät-Kommens

27. August 2022

„‘Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?‘ Diese Frage treibt den Fragesteller scheinbar um. Wahrscheinlich ist sie für ihn deshalb so akut, weil im Hintergrund die andere Frage steht: Werde ich hoffentlich dabei sein?

Sind es also nur wenige, die gerettet werden? Diese Frage, Schwestern und Brüder, bewegt sie uns heute eigentlich noch? Ist es für uns – nach allem, was wir aus der Theologie und der Verkündigung der Frohen Botschaft wissen – nicht vielmehr ‚selbstverständlich‘, dass wir gerettet werden? Sagen wir nicht mit vielen: Gott ist nicht so kleinlich! Er liebt die Zöllner und Sünder. Und wir sind doch ‚alle nur kleine Sünderlein!‘ – Aber wir sind eigentlich doch anständige, brave Menschen, die ihre Pflicht tun. Und das ist doch die Hauptsache! Wir sind schließlich getauft, besiegelt mit dem Zeichen des Geistes - wir sind Auserwählte Gottes. Was geht uns dieses Wort von der engen Tür eigentlich an?

Ich muss gestehen, dass ich auch meine Schwierigkeiten mit diesem Bildwort habe. Es passt mir nicht so recht zu dem weitherzigen, erbarmenden und liebenden Gott, an den ich glaube und zu dem ich immer kommen darf, ob mit Schuld beladen oder mit Erfolgen ausgezeichnet.

Dieses heutige Evangelium mit Jesu Wort von der engen Tür und der Möglichkeit des Zu-spät-Kommens, es macht uns unruhig, wenn wir es an uns heranlassen. Ja, es gilt auch uns!

Jesus scheint mit diesem Wort einer Antwort auf die Frage auszuweichen, die die Zahl der Gerechten genannt haben will. Er nennt die Zahl derer, die gerettet werden nicht. Er sagt, viele werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Auch das Mahnwort ,‘Bemüht euch mit allen Kräften!‘ hilft nicht so recht weiter. Wie sollen wir uns denn bemühen? Sich egoistisch durch die Tür zu quetschen, das kann nicht gemeint sein.

Vielleicht möchte Jesus uns damit sagen: Frag nicht nach der Zahl der Geretteten! Sieh lieber zu, dass Du selbst unter den Geretteten sein wirst, denn so selbstverständlich wie Du Dir das denkst, ist das ja gar nicht! Verpasse in Deinem Leben nicht den entscheidenden Augenblick meiner Zuwendung zu Dir! Verpasse nicht Deine Antwort! Verpasse nicht ein liebendes Leben! Wenn nämlich der Herr des Hauses aufsteht, dann ist es zu spät zu einer Entscheidung, die vorher gefallen sein muss. Und die bloß äußere Zugehörigkeit zu Christus reicht dann nicht aus, auch nicht das Essen und Trinken mit ihm. Jesus redet knallhart.

Das heutige Evangelium hält noch eine weitere Überraschung für uns bereit. Da spricht Jesus von denen, die ganz woanders wohnen. Und lässt offen, was mit denen ist, die ihm gerade begegnen, die ihm jetzt gerade zuhören, die ihn jetzt gerade fragen. Er kündigt Überraschungen an. Aus allen Himmelsrichtungen werden diejenigen kommen, die im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Da ist eine geografische Dimension angesprochen. Vielleicht darf diese Dimension noch ausgeweitet werden: Da ist vielleicht ein Skeptiker und ein Buddhist, ein Sozialist und ein Humanist ‚drinnen‘. Und wo bleibe ich?

Bleiben, liebe Schwestern und Brüder, bei diesem Evangelium also nur Unsicherheiten? Wer ist drinnen und wer ist draußen? Augustinus sagte einmal: ‚Viele, die drinnen sind, sind draußen und viele, die draußen sind, sind drinnen‘. Das ist für Jesus im Evangelium keine Frage der Frömmigkeit, keine Frage des moralischen Gutseins, keine Frage des Auserwähltseins, das ist eine Frage des Mutes, durch die ‚enge Tür‘, die Jesus (ver)heißt, hindurchzuschreiten. Er sagt: ‚Komm zu mir!‘ Lass das Schielen und Pochen auf deine Verdienste! Lass deine selbst gezimmerten Vorstellungen vom Reich Gottes hinter dir, dann wirst du so leicht, dass du die enge Pforte durchschreiten kannst. Hab Mut, denn hinter der Tür stehe ich, Christus, und empfange dich, mit meinen Händen. Du bist nicht allein! Fürchte dich nicht! Ich gebe deinem Leben Sinn und Inhalt!

Das wird auch uns zugemutet: AUFBRECHEN. Uns, die wir oft leidenschaftlich nach dem Sinn des Lebens fragen; uns, die wir verzweifelt nach Zielen suchen, für die zu leben sich lohnt. Uns, die wir Ausschau halten nach Wahrheit, nach Echtheit, nach Stimmigkeit und Ursprünglichkeit. Vielleicht waren Menschen nie so suchend wie heute. Aber es fällt uns schwer, uns wirklich zu entscheiden. Viele wollen sich alle Wege offenhalten, nichts verbauen. ‚So viele Parolen, welche ist wichtig?‘, so fragt ein Lied in unserem Gotteslob.

Wenn wir also Jesus fragen würden, wer gerettet wird, dann würden wir vielleicht von ihm zur Antwort bekommen: Es werden alle gerettet, die sich redlich mühen, die sich ihr Christsein etwas kosten lassen. Es werden diejenigen gerettet, die wie Jesus mit den Menschen umzugehen und zu leben versuchen – diejenigen, die von ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebensgeschichten her zu Gott vorstoßen, die Vertrauen gelernt haben, die nicht festgefahren auf Erreichtem sitzengeblieben sind, ihre Sicherheit nicht in Hab und Gut suchen und sich vor dem not-wendigen Einsatz in der Welt nicht verschließen. Warum also nicht auch wir?“

Pater Jonas wünscht Euch mit allen Brüdern in Tabgha und Jerusalem eine gesegnete Woche!

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