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Segen sein

13. November 2022

An diesem Wochenende gibt es viel zu feiern: gestern das Brotvermehrungsfest und heute gleich drei Jubiläen - 40 Jahre Brotvermehrungskirche, 20 Pilgerhaus und 10 Jahre neues Kloster! An diesem Sonntag, diesem besonderen Tag für Tabgha und unsere Gemeinschaft, begleiten uns drei Texte aus der Heiligen Schrift: Gen 12,1-4a; 1 Joh 1,1-4 und Lk 10,38-42. Aus ihnen ergeben sich für Pater Basilius drei Wünsche für Tabgha und für uns alle. Seine Festpredigt teilen wir heute mich:

„Liebe Schwestern und Brüder,
was wir an diesem Wochenende gleich dreifach hier in Tabgha feiern, die Fertigstellung großer Bauprojekte und damit gewisse Neuanfänge und Aufbrüche, liegt für die Dormitio noch vor uns. Aber schon jetzt, prophylaktisch, und hoffentlich nicht zu blauäugig: Eine herzliche Einladung zur Einweihung des neuen Altars nächstes Jahr am 21. März in Jerusalem.

In Tabgha können wir heute auf drei erfolgreiche und wunderbare Bauprojekte zurückblicken: 40. 20. 10. – Die ein-zelnen Geschichten und Wege der drei Einrichtungen reichen natürlich viel weiter zurück: Wir Benediktiner leben, beten und arbeiten hier in Tabgha nicht erst seit 10 Jahren, sondern bereits seit dem Zweiten Weltkrieg. Das heutige Pilgerhaus, das vor 20 Jahren eingeweiht wurde, kann bereits auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurückbli-cken. Und mit unserer Brotvermehrungskirche stehen wir 40 Jahre nach ihrer Weihe auf dem Boden und Felsen von 2000 Jahren christlicher Glaubensgeschichte an diesem Ort.

Tabgha ist also mehr als nackte Zahlen: 40 plus 20 plus 10, das macht 70. Eine heilige Zahl auch in der Bibel. Nicht wirklich zu begreifen und nur schwer in Worte zu fassen. – Dennoch freue ich mich, mit Ihnen einige Gedanken über diesen Ort zu teilen, der den meisten von uns so lieb und wertvoll ist. Und damit möchte ich auch einige Wünsche teilen für Tabgha und für uns alle hier und vielleicht auch darüber hinaus.

Das Evangelium, das wir gerade gehört haben, ist auch auf einem der Bilder an der Tür unserer Kirche zu sehen. Es ist also irgendwie in Tabgha zu Hause. – Auf seine Weise war auch Jesus bei den Schwestern Maria und Martha zu Hause, denn sie werden zusammen mit ihrem Bruder Lazarus ‚Freunde Jesu‘ genannt. Das ist vielleicht ein erster Anhalts-punkt, warum viele unserer Besucher von Tabgha so angezogen und fasziniert sind: Hier kann man Jesus als Freund erleben.

Doch wenn wir uns das Evangelium anschauen, scheinen sich die beiden Schwestern überhaupt nicht einig zu sein. Das ist noch kein Streit oder ein Konflikt. Aber man kann natürlich unterschiedlich auf Jesus reagieren. Das Entschei-dende ist und bleibt im Evangelium genauso wie in unserem Zusammenleben: Der Blick auf und der Bezug zu Jesus. – Denn auch das gehört vielleicht zu den ehrlichen Einsichten eines solchen Jubiläums: In der Geschichte unserer Ein-richtungen und Gemeinschaften hier in Tabgha gab und gibt es auch immer wieder unterschiedliche Sichtweisen, versammelt unter einem Dach wie die beiden Schwestern von Bethanien. Und gerade an einem Tag wie heute fallen den Älteren unter uns sicher Namen von Menschen ein, die wir heute gerne hier hätten. Es sind Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen einen anderen Weg eingeschlagen haben. Es ist nicht der Tag und auch nicht der Ort, dies zu bewerten, wenn überhaupt. Aber ich lade jeden von Ihnen ein, wenn Sie jemanden im Sinn haben, ihn oder sie an diesem Festtag hier in Tabgha bei sich zu haben.

Es gibt auch diejenigen, die auf ihrer großen Pilgerreise schon viel weiter gegangen sind, die hoffentlich schon das Himmlische Jerusalem erreicht haben, und die Tabgha als Ganzes zu Lebzeiten geprägt und unterstützt haben: Wir denken zum Beispiel an Schwester Salve von unseren Benediktinerinnen, an Joe Jashan im Pilgerhaus und an Pater Hieronymus. – Sie und viele andere mögen an diesem Tag mit uns hier an unserem Mosaik stehen.

Mit Jesus aber stehen oder sitzen wir nun im Haus von Maria und Martha. – Wir sehen zwei Frauen, die sehr selbst-bewusst und souverän ihre eigene Beziehung zu Jesus leben und gestalten. Auch das ist mehr als ein Bild für Tabgha. Gerade im Hinblick auf die vergangenen 40 Jahre ist es unumstritten: Ohne das Miteinander von Frauen und Männern, und noch deutlicher: ohne das Engagement, die Energie und die Liebe der Frauen hier, wäre Tabgha nicht mög-lich! Unsere vielen Mitarbeiterinnen in allen Bereichen im Kloster und vor allem im Pilgerhaus; unsere Volontärinnen im Kloster, im Pilgerhaus und vor allem in der Begegnungsstätte Beit Noah; und natürlich unsere Benediktinerinnen von den Philippinen – Tabgha verdankt Ihnen und Euch so viel! Danke, dass Ihr hier immer ihren Glauben lebt! Danke, dass Ihr das Gesicht von Tabgha so wunderbar prägt! Danke, dass Ihr es immer wieder möglich macht, dass unsere verschiedenen Gäste und Besucher Jesus hier am See Genezareth begegnen können!
Mein Wunsch, den ich damit verbinden möchte, ist, dass wir mit Tabgha lernen, immer mehr Input und andere Dinge in unserem Leben zuzulassen: Als Jesus mit den Zwölfen hierherkam, wollten sie Ruhe und Stille, aber sie ließen die 5000 zu. Als dann der kleine Junge mit dem bisschen Brot und Fisch kam, ließen sie auch ihn zu. Wachsendes Vertrauen, gegenseitige Akzeptanz und hoffnungsvolles Wagnis, das wünsche ich mir für uns und für unsere Kirche. Da-mit alle Charismen in unserer Kirche wachsen können. Damit es einmal mehr für viele und für alle reichen kann.

Die Charismen von Maria und Martha sind offensichtlich recht unterschiedlich: Die eine hört dem Freund und Gast einfach zu, die andere arbeitet und kümmert sich. Auch mit dem bekannten Diktum Jesu, dass Maria den guten Teil gewählt hat, wird man die beiden Haltungen nicht gegeneinander ausspielen. Schon gar nicht hier in Tabgha.

Denn Kontemplation und Aktion gehören hier zusammen: der Rückzug an den einsamen und verlassenen Ort, das stille Gebet – und die liebende und barmherzige, aktive, engagierte und kreative Hinwendung zu den Menschen, das ist die Grundspannung unseres Tabgha-Evangeliums. Dazwischen, zwischen Maria und Martha, zwischen Sammlung und Sendung, steht und sitzt Jesus. In Bethanien im Haus der Geschwister, und hier in Tabgha am See. In besonderer Weise gehört es bis heute zu unserem gemeinsamen Auftrag zwischen Brotvermehrungskirche und Pilgerhaus, dass wir genau diese Spannung aushalten und leben, dass wir sie teilen und weitergeben.

Die meisten unserer Gäste und Besucher, für kurze oder lange Zeit, in der Kirche oder am See, im Pilgerhaus oder im Beit Noah, spüren genau das: Tabgha als Ganzes ist wie kaum ein anderer Ort im Heiligen Land ein Jesus-Ort, der bis heute in dieser Spannung steht, aus der heraus ein eigener und heilsamer Blick auf Jesus wachsen kann: IHN anzu-schauen, auf IHN zu hören, mit IHM leben zu lernen, mit IHM dienen zu lernen. – Das ist eine der ganz großen und besonderen Gaben, die uns hier anvertraut sind, dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande und unseren beiden benediktinischen Gemeinschaften.

Damit sind wir schon sehr nah am Text der zweiten Lesung aus dem Johannesbrief: ‚Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben vom Wort des Lebens […] – was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch.‘

Tabgha ist ein ausgesprochener Jesus-Ort. Tabgha, wie wir es heute kennen, darf und muss genau das verkünden: Das Leben ist sichtbar geworden! Das Leben ist erschienen! Das Leben wurde offenbart! – Liebe Schwestern und Brüder, Freunde von Tabgha, ob Sie nun hier leben, beten und arbeiten, oder ob Sie auf andere Weise mit diesem Ort verbunden sind, das ist mein nächster Festtagswunsch: Dass wir vom wahren Leben erzählen; dass wir alle mit Gottes Hilfe und Segen Tabgha weiter teilen wie Brot und Fisch, damit es weiter wächst und gedeiht als ein Ort des Lernens und der Begegnung für alle, die die Freundschaft mit Jesus suchen.

Alle, die Jesus suchen! - oder alle, die überhaupt auf dem Weg sind, die suchen, die fragen und sich sehnen, die sich aufmachen aus dem Vertrauten!

Und damit darf ich auch kurz auf den Text der ersten Lesung aus dem Buch Genesis und auf Abram schauen. – Abram vertraute, er glaubte. Er ließ zurück. Er machte sich auf den Weg. Ein Pilger der besonderen Art. Und er tut dies nicht aus Eigennutz, weil er sich selbst finden will. Sondern weil er hört und zuhört. Wie Maria, die sich zu Jesu Füßen setzt. Wie der Johannesbrief, der auf das ‚Wort des Lebens‘ hört. Wie so viele Menschen, die still zwischen Dalmanutha und dem Bambus-Hain hier am Seeufer sitzen – um zuzuhören, um hinzuhören.

Mit der Abraham-Geschichte soll dies nun mein letzter und vielleicht wichtigster Wunsch für uns alle sein, für Tabgha und besonders für alle, die aktuell hier leben, beten und arbeiten: Möge Tabgha, als Ort der sieben Quellen, immer auch ein Quell-Ort des Segens sein. Denn bekanntermaßen heißt segnen auf Lateinisch benedicere, gut von oder über etwas sprechen, jemandem alles Gute wünschen. – Und unsere Welt und unsere Tage brauchen diesen Segen, weil so viel schlecht geredet wird, weil so viel verschwiegen wird, weil so viele abgelehnt und verurteilt werden.

‚Du sollst ein Segen sein‘, wird Abram versprochen, und er macht sich auf den Weg. – Diese vertrauensvolle und stär-kende Haltung wünsche ich uns allen an diesem Festtag, damit die Menschen, die sich auf den Weg machen und hierher kommen, unsere pilgernde Kirche insgesamt, und alle Leidenden und Hungernden, alle Verletzten und Verwundeten, die Sehnsüchtigen und Suchenden, dass sie alle hier in Tabgha gesegnet werden und unseren Herrn und Gott als den Gott der Liebe und Barmherzigkeit erfahren können.“

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