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Jesus weint!

„Das Evangelium von der Auferweckung des Lazarus ist in den orthodoxen Kirchen das Tor zur Heiligen Woche. Am Samstag vor Palmsonntag wird es gelesen und von jeher als ein Vorzeichen Jesu eigener Auferstehung gedeutet. So wird unmittelbar vor der Passion Jesu schon angekündigt, dass derjenige, der von sich selbst sagt ‚Ich bin das Leben‘, der eigentliche Herr über den Tod ist. Derjenige, der sich selbst „Ich bin die Auferstehung“ nennt, hat Vollmacht, aus dem Tod heraus zum Leben zu erwecken. Dort, wo sich die Auferweckung Lazarus‘ ereignet, in Bethanien, gibt es sozusagen einen Vorgeschmack, was später in der Osternacht alle verengten Vorstellungen sprengt: Jesu größtes Wunder führt ihn hinein in die Dramatik seines Todes und Auferstehens.

Der dem Tod Entgegengehende sieht in Bethanien dem Tod in die Augen - und wir begegnen in dem Text nicht nur Jesus als wirkmächtigen Gottesssohn, sondern zugleich auch als wahren Menschen. Er lässt seinen Tränen freien Lauf, er weint.

Jesus hatte Lazarus sterben lassen – ausdrücklich wird berichtet, dass er zwei Tage wartete, trotz der Bitten der Schwestern des Lazarus schnell zu kommen. Er will vor dem, durch einen Stein verschlossenen Grab des Freundes stehen und weinen, ja im Innersten erregt und erschüttert sein. Ohne diese Tränen am Grab des Freundes wäre er nicht der wahre Mensch, der er ist. Er nimmt Anteil an der Trauer, der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung der Schwestern und dies nicht nur oberflächlich, sondern bis in sein Innerstes hinein. Er ist selbst erschüttert über die Macht und Konsequenz des Todes, wie er sie hier im Leben von Maria und Marta erlebt.

Und dann, in seiner Trauer, offenbart er sich als Sohn Gottes, indem er nun Lazarus aus dem Tod ins Leben zurückholt. Er zeigt, wozu die Liebe Gottes fähig ist: Sie nimmt dem Tod den Schrecken. Der Tod bedeutet nicht mehr ein endgültiges Schicksal. Der gestorbene Lazarus ist wieder lebendig.

Lazarus wird in sein altes, irdisches Leben zurückgeholt. Das Abnehmen der Leinenbinden symbolisiert diesen Schritt vom Grab zurück ins Leben. Es muss ihm geholfen werden, sich wieder zurecht zu finden im Kreis der Lebenden. Und dieses Leben wird auch für Lazarus mit dem irdischen Tod enden. Aber das Zeichen seiner Auferweckung wirkt für den Moment, in dem Lazarus sein irdisches Leben beendet. Denn dann werden die Schwestern wieder trauern, aber nicht verzweifeln, weil sie wissen, dass Gottes Macht, den Tod überwindet. Sie können glauben, dass Gott das Leben neu schenkt. Sie können auf eine Auferstehung der Toten und ein neues Leben hoffen.

Und auch wir wissen, dass Lazarus kein Einzelfall ist, sondern ein Beispiel für alle Menschen, die Jesus liebt. Über Lazarus, dessen Namen „Gott hat geholfen“ bedeutet, erfahren wir sehr wenig im Text – doch eines ist wichtig: Er ist ein Freund Jesu, und Jesus liebt ihn. Als Freund Gottes möge Lazarus uns helfen, zu bekennen, was seine Schwestern, Maria und Martha, bekannt haben: ‚Ja Herr, ich glaube, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll‘ – und mit ihnen glauben wir an die Auferstehung der Toten.“

Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Dreck und Sehen

„Es ist herrlich, in diesen Tagen durch das Heilige Land zu reisen: saftiges Grün, viele verschiedene Blumen, blühenden Sträucher und Bäume, Schwärme von Vögeln und bezaubernde Sonnenauf- und Sonnenuntergänge. Das alles ist wunderschön anzuschauen! Wie schade, wenn man es nicht sehen könnte!

Doch Pilger und auch wir Mönche fahren nicht nur der Natur wegen durchs Land. Beim Besuch der heiligen Stätten faszinieren gerade die alten Steine, die uns vielleicht sogar noch etwas aus der Zeit Jesu zeigen: Gabbata und Golgotha, Reste eines Hauses, in dem Jesus sich in Kafarnaum aufhielt, der Berg, auf dem er predigte, der Felsen, auf dem er Brot und Fisch legte, der See, auf den auch er schaute und über den er sogar ging - ja, ich würde Jesus gerne über den See gehen sehen!

IHN sehen! Darauf kommt es an! Nicht nur die schöne Natur, nicht nur die alten Steine, sondern Jesus sehen! Doch will ich das?
Jesus sehen, IHN erkennen - Gott schauen!
Wollen Sie es, wollen Sie wirklich Jesus sehen? Wirklich?

Liebe Schwestern und Brüder, ich frage so penetrant und auch ganz plump, weil ich fest davon überzeugt bin, dass diese Frage für uns Christen wichtig ist. Es ist wesentlich, ein wirkliches Verlangen danach zu haben, Jesus zu sehen, Gott zu schauen. Und genau dazu sagt uns das heutige Evangelium etwas ganz Wichtiges.

Im heutigen Evangelium begegnen wir einem armen Mann, der von Geburt an blind ist. Jesus heilt ihn, um Gottes gutes Wirken in dieser Welt zu bezeugen. Jesus spuckt auf den Boden, vermischt seinen Speichel mit dem Staub des Weges zu einem recht unappetitlichen Brei zu vermischen und dann schmiert er den Dreck dem Blinden auf die Augen. Extrem ekelig! Danach schickt er den Blinden zum Teich Schiloach, damit er sich dort wasche. Und als der arme Mann zurückkam, konnte er den Himmel, die strahlende Sonne, die ganze Schöpfung, die vielen Menschen, und auch den Menschensohn, Jesus aus Nazaret, sehen.

Er sah IHN vor sich und sagte: 'Ich glaube, Herr!' - und er warf sich vor ihm nieder.

Die ‚Anderen‘, hatten IHN auch gesehen, ja, sie beobachten IHN schon lange, doch sie warfen sich nicht vor ihm nieder; ganz im Gegenteil: Sie bäumen sich gegen IHN und alle, die zu IHM halten, auf. Sie finden sogar ‚gute Argumente‘, ‚religiöse Gründe‘, die sehr deutlich gegen Jesus und sein Reden sowie Handeln sprechen.
Im Denken nicht nur der Pharisäer ist die angeborene Blindheit ganz klar Folge von Sünde. Solch verkehrtes Denken findet sich auch heute noch; nicht selten fragen Menschen: ‚Was habe ich denn verbrochen, dass Gott mich so straft?‘ Das aber ist nicht unser christlicher Glaube. Menschlich herausfordernde oder gar überfordernde Situationen sind niemals Strafe Gottes. Niemals! Ganz im Gegenteil: Gott gibt Licht in alle irdische Finsternis hinein.

Am Sabbat hat Jesus den Blinden geheilt. Aber am Ruhetag sei dies verboten - die Hyperfrommen finden hier ein weiteres Argument, um gegen Jesus zu sein, sich auf keinen Fall vor IHM niederzuwerfen, sondern ganz im Gegenteil, sich gegen IHN aufzubäumen, IHN zu missachten, IHN abzulehnen, IHN zu verurteilen. Doch der Sabbat ist für den Menschen da, um Gottes Dienst zu tun, der Ruhetag ist zum Heil gegeben.

Wollen die Pharisäer im heutigen Evangelium, die Hyperfrommen, Gott nicht sehen?
Sie sind nicht blind und doch wie Blinde!
Sie sehen Jesus und erkennen IHN doch nicht!
Sie haben zu viel Dreck auf den Augen! Dreck, den sie sich selbst auf die Augen geschmiert haben! Selbstgerechter Dreck, der nicht heilt! - Blind vor Wut, vor Neid, vor Hass; voller Vorurteile, Missgunst, Geiz, Streitsucht, Hinterlist, Besserwisserei, Stolz, Überheblichkeit, Betrug, Täuschung. Verdrehung, Lüge … und, und, und. Sie sind blind aufgrund selbstgemachten Dreckes, der noch keinem Menschen genutzt hat und den wir alle kennen.

‚Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach!‘ Das sagt Jesus auch zu uns. Mit allem Wohlwollen, mit dem er es dem Blinden sagte, sagt er es auch zu uns:
‚Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach!‘

Der Blinde hatte Jesus zunächst nicht gesehen. Aber da war der tiefe Wunsch sehen zu können und ein blindes Vertrauen in Jesu Wort: ‚Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam konnte er sehen.‘

Liebe Schwestern und Brüder, ‚sich im Teich Schiloach zu waschen‘, das bedeutet für uns ganz einzutauchen in das christliche Ideal, den Schmutz, der der Nachfolge Jesu Christi widerspricht abzuwaschen, damit wir die Augen frei kriegen und mit ganzem Herzen das wahre Leben sehen, das ER ist.

Sich ‚im Teich Schiloach zu waschen‘ bedeutet ganz konkret die tägliche Gewissenserforschung und auch die Beichte, das Sakrament der Buße und Versöhnung. Es geht um das Erkennen meiner Fehler und meiner Sünden – eine wirkliche Umkehr, eine Kurskorrektur, eine ganz bewusste, neue Ausrichtung auf IHN, unseren Herrn hin, sodass wir IHN mit geheilten Augen des Herzens sehen und so dem Osterfest entgegeneilen. Amen.“

Pater Matthias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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Aufbruch in die Freiheit

„Jemand fühlt sich gefesselt und niedergedrückt. Er oder sie spürt: ‚So kann ich nicht mehr leben‘. Da ist diese Sehnsucht, da sind Hunger und Durst nach Freiheit. Und ihr entgegen steht vielleicht die Sucht nach Alkohol oder Tabletten; der Person steht vielleicht die eigene Bequemlichkeit oder eine toxische Beziehung zu einem Menschen im Weg. Irgendetwas verhindert die Freiheit, blockiert die Sehnsucht. Doch dann hat dieser Mensch allen Mut zusammengenommen und sich jemandem anvertraut, um Hilfe gebeten, vielleicht in der Stille nach Gott gerufen und ist dann aufgebrochen. Und nun ist er oder sie auf dem Weg ins Gelobte Land.

Doch der erste Schritt ist noch nicht das Ziel. Was ist mit den weiteren Schritten? Dieses Hochgefühl, endlich frei und selbstständig zu sein, Ängste und Nöte hinter sich gelassen zu haben! Es war ja eigentlich gar nicht so schwer! Doch es bedarf nun Ausdauer. Die gewonnene Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Ein guter Vorsatz bedeutet noch kein neues Leben.

Das Volk Israel wurde von Gott aus Ägypten in die Wüste geführt. Dort warten viele Umwege, Hindernisse und Gefahren. Da taucht plötzlich wieder diese Sehnsucht nach Zurückgelassenen auf – oh, diese Fleischtöpfe in der Versklavung. Der Hunger und der Durst des Leibes bestimmen das Denken; sie fordern nach Befriedigung. Die Unfreiheit ist vergessen. Murren macht sich breit. Mose ist hilflos, er schreit zu Gott. Dieser lässt ihn mit einem Stab an einen Felsen schlagen; und plötzlich ist da frisches Wasser mitten in der Wüste.

So ist es mit dem Weg der Freiheit: Du brauchst Vertrauen, Gottvertrauen. Du lebst von dem, was Dir unverhofft geschenkt wird. Und manchmal findet man die notwendige Kraft in der Mittagshitze in einem Gespräch am Brunnen – in einer Begegnung voller Ehrlichkeit und Vertrauen!

Als ich noch Pfarrer war, unterrichtete ich auch in der Schule. Gerne behandelte ich mit den Schülern die Erzählung des Auszugs Israel hin zum Berg Sinai. Und dann zeigte ich ihnen immer zwei Bilder: Einen Vogel im Käfig mit Futter und einen Vogel, der frei umherflog, aber keine gesicherte Nahrungsquelle. ‚Welcher Vogel möchtet Ihr sein?‘ fragte ich die Schüler. Das Ergebnis war erschreckend: Fast immer bevorzugte die Hälfte der Schüler die Unfreiheit, da ihnen das Futter wichtiger war. Doch das ist die Realität: In vielen unserer gesellschaftlichen Bereiche – sei es Politik, Kirche oder Familie – bevorzugen wir die Absicherung und meiden die eigene Verantwortung.

Ich glaube: Wenn Menschen sich aus Gottvertrauen nicht aufgeben, gehen sie nicht unter. Solche unerschütterlichen Menschen verwandeln die Welt. Sie geben Zeugnis, dass die Welt kein Trugbild ist, und sie verweisen auf Gott als Quelle ihres Vertrauens. Und der Exodus lehrt uns auch, dass Gott es aushält, wenn erschütterte Menschen manchmal murren, schreien und hadern.“

Pater Elias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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Tabor-Stunde

„Nicht zu irgendeiner Zeit im Leben Jesu nahm er ‚Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg‘; nicht irgendwann, sondern „sechs Tage danach“. Was war geschehen?

Sechs Tage zuvor hatte Jesus seinen Jüngern erklärt: Er müsse nach Jerusalem gehen, dort werde er vieles erleiden, er werde getötet und am dritten Tag auferweckt. - Da erschraken seine Jünger. Petrus nahm Jesus beiseite, machte ihm Vorwürfe, und versucht ihm klarzumachen, dass die Passion nicht geschehen dürfte. Petrus wurde zum Versucher und Jesus wies ihn in die Schranken: ‚Hinter mich, Satan! Du hast nicht im Sinn, was Gott will!‘ Und noch etwas geschah vor der Verklärung auf dem Berg: Jesus nahm alle seine Jüngerinnen und Jüngern in den Blick und wies ihnen den Weg: ‚Wenn einer mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir nach.‘

‚Das Kreuz auf sich nehmen‘, damit meint Jesus seinen eigenen Weg, den er gehen wird. Sein Kreuz hat ihm nicht Gott auf die Schultern gelegt, sondern menschliche Schuld hat dieses Kreuz zusammengefügt. Aber können wir ihm auf diesem Weg folgen? Haben wir die Kraft, das Leiden, das wir uns selbst durch eigenes Verschulden zugefügt haben, oder das durch Versagen unsrer Mitmenschen uns aufgelastet wird, anzunehmen und zu tragen? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir auf dem Berg Tabor, in der Erzählung von der Verklärung.

Jesus nimmt Petrus, Jakobus und Johannes beiseite – es sind übrigens die drei Jünger, die Jesus im Garten Gethsemani bei sich haben wird –, geht mit ihnen auf den Berg und wird vor ihren Augen verklärt. Die Herrlichkeit Gottes bricht durch die Wolke Gottes, hüllt Jesus ein und die Stimme aus der Wolke kündet: ‚Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!‘ Den drei Jüngern, die sich vor dem Weg nach Jerusalem fürchten, wird eine Tabor-Stunde geschenkt: das Osterlicht leuchtet vor ihnen auf, Jesu Weg wird sich im Licht der Herrlichkeit Gottes vollenden! So ermutigt Jesus seine Jünger, ihm zu folgen.

Uns wird heute für die kommenden Wochen vor Ostern dieses Evangelium verkündet, damit wir ermutigt werden, den Weg unseres Lebens weiterzugehen – und dies mit der Gewissheit im Herzen: Auch mein Lebensweg wird im Licht der Auferstehung sich vollenden! Herr, schenk auch uns Augenblicke, in denen wir das Licht des Himmels aufblitzen sehen, und so getrost unseren nächsten Schritt tun können!“

Pater Zacharias und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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Paradiesstaub

„Diesen Menschen kennen wir alle! Man findet ihn unter anderem auf vielen Krankenkassenkarten und auf der Rückseite der italienischen 1-Euro-Münze; er ist populär, faszinierend und vielfach kopiert – der Vitruvianische Mensch, Leonardo da Vincis berühmteste Zeichnung. In idealisierten Proportionen ist ein Mann in zwei sich überlagerten Positionen dargestellt. Die Zeichnung zeigt ein und denselben Mann mit ausgestreckten Armen und Beinen, wie er mit den Fingerspitzen und den Fußsohlen ein ihn umgebendes Quadrat und zugleich einen Kreis berührt. Der römische Architekt Vitruv hatte in der Antike die Theorie des wohlgeformten Menschen mit einem idealen Verhältnis der Körperteile zueinander erstmals beschrieben.

Auch in der alttestamentlichen Lesung des Ersten Fastensonntags, im zweiten Kapitel der Genesis, ist von einem wohlgeformten Menschen die Rede. Adam, der erste Mensch: Bild Gottes, unsterblich, ohne Sünde und in ungebrochener Gemeinschaft – der Mensch im paradiesischen Zustand. Doch durch den Ungehorsam gegenüber Gott wird dieser ‚ideale‘ Mensch aus dem Paradies verstoßen. Der erste Mensch wird zu einem Sünder. Er wird in dem Moment, in dem glaubt, dass er ohne Gott leben kann, zu einem in-sich-gekrümmten Menschen. Gebrechlichkeit und Sterblichkeit werden fortan das menschliche Aussehen prägen. Der Mensch erkennt seine bösen Taten und seine Sünde steht ihm immer vor Augen.

‚Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod‘, schreibt Paulus und beschreibt damit die menschliche Existenz außerhalb des Paradieses. Und er zeigt die große heilsgeschichtliche Linie auf, ja das Drama von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen: ‚Sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht durch die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden.‘ Führte der Ungehorsam Adams zum Tod, so hat der Gehorsam des zweiten Adams für alle den Weg zur Gemeinschaft mit Gott wiedereröffnet. Der Weg des Lebens, der ins Paradis führt, ist sozusagen wieder freigeräumt.

Der ideale, maßgebliche Mensch ist für Paulus nicht Adam, sondern Jesus Christus. Und tatsächlich hält der Gottessohn den Versuchungen des Teufels stand. Zweimal sagt dieser Widersacher in den drei Versuchungen, denen er Jesus Christus aussetzt: ‚Wenn Du Gottes Sohn bist, dann…‘ Es sind die gleichen Worte, die der Spötter Jesus am Kreuz zuruft: ‚Wenn du der Sohn Gottes bist, dann steig doch herab vom Kreuz.‘ Doch der zweite Adam lebt nicht, um seine Macht zu demonstrieren, sondern um Gott zu dienen. Jesus Christus sündigt nicht.

Wir wissen nur allzu gut selbst, dass wir nicht gerade wohlgeformte Menschen sind, dass wir mit unseren Ecken und Kanten überall anstoßen. Wir passen nicht wie der Vitruvianische Mensch in idealer Weise in vorgefertigte Muster. Für uns ist Jesus der maßgebliche Mensch, an ihm nehmen wir immer wieder Maß und zusammen mit ihm beten wir zu unserem Vater im Himmel: ‚…führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.‘

Als Menschen sind wir Staub und zu Staub kehren wir wieder zurück. Wir sind nicht perfekt, sondern schwach und vergänglich! Adam wurde aus dem Staub des Erdbodens geformt – doch der Mensch ist trotz aller Hinfälligkeit aus dem Staub des Paradieses geformt. Wir sind aus Paradiesesstaub – und als Getaufte wurde in uns der maßgebliche, ideale Mensch und Gottessohn Jesus Christus eingeprägt. Er, der ideale Mensch ist unser Wegbegleiter. Möge er uns durch die Fastenzeit führen und uns den Weg in paradiesische Zustände weisen!“

Pater Simeon und alle Brüder auf dem Zion und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Ein Hauch von Realität?

„Noch einmal die Bergpredigt: herausfordernde und bekannte Worte, irgendwie so fern von allen Regeln dieser Welt. Wie geht es den Menschen in der Ukraine, in Syrien, in Israel und Palästina und in anderen Brennpunkten dieser Welt gerade jetzt, wenn sie diese Worte hören: ‚Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen?‘ Ist in diesen Worten auch nur ein Hauch von Realität? Und wie geht es mir mit der Radikalität Jesu? Ist in meinem Leben etwas davon umsetzbar? In dem heutigen Evangelium gibt es für uns mehr Fragen als Antworten. Die Worte der Bergpredigt eine Zumutung.

Jesus bestätigt mit seinem ‚Ich aber sage euch‘ die Überlieferung der hebräischen Bibel, ja, er radikalisiert und verschärft sie - das ist seine Reich Gottes Botschaft für seine Jüngerinnen und Jünger und auch für uns. Das Überlieferte ist Gebot Gottes und soll uns helfen, miteinander in Frieden zu leben. Manche Forderungen Jesu sind bewusst provozierend, wenn er zum Beispiel sagt: ‚Liebt eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen.‘ Jesus will uns herausfordern, seinen Weg mitzugehen und seine Überzeugung zu teilen und lebbar zu machen. Ich finde die Vorstellung beeindruckend, dass ein Mensch damit wirklich ernst macht, sogar wenn es um Leben und Tod geht. Gerade weil wir am Leben hängen, wissen wir, wie schwierig das ist. Wenn jemand die Haltung Jesu umsetzt, zeigt er, dass er davon überzeugt ist, dass es für Gottes Liebe keine Grenzen gibt. Maßstab unseres Handelns soll die Barmherzigkeit Gottes sein, nicht einmal der Hass der anderen kann Gottes Liebe dann aufhalten.

Manche von uns werden sich an den Terroranschlag von Paris am 13. November 2015 erinnern. Bei den Terroranschlägen im Bataclan wurde Helene, die Frau von Antoine Leiris getötet. In einem offenen Brief auf Facebook wendete sich Antoine wenige Tage später an die Täter: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht. Ich weiß nicht, wer ihr seid, und ich will es nicht wissen, ihr seid tote Seelen. Wenn Gott, für den ihr blind tötet, uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann muss jede Kugel, die den Körper meiner Frau getroffen hat, eine Wunde in sein Herz gerissen haben. Nein, ich werde euch nicht das Geschenk machen, euch zu hassen. Auch wenn ihr es darauf angelegt habt; auf den Hass mit Wut zu antworten, würde bedeuten, derselben Ignoranz nachzugeben, die euch zu dem gemacht hat, was ihr seid. Meinen Hass bekommt ihr nicht“. Dieses Zeugnis geht unter die Haut. Ich weiß nicht, ob Antoine Leiris ein Christ ist, aber er ist für mich ein Vorbild. Er zeigt, dass es möglich ist, was Jesus fordert, und er setzt es konkret um.

Hass und Gewalt sollen nicht eskalieren, sondern eingedämmt werden. Die Verhältnismäßigkeit soll gewahrt werden. Das hat viel mit einer vernünftigen Sicht auf den Menschen und auf die Realitäten dieser Welt zu tun. „Auge für Auge“ sagt nichts anderes, als dass Gewalt nicht zur Katastrophe werden und zum Untergang führen darf. Hört das einer, der sich Christ nennt und schon über ein Jahr einen radikalen Angriffskrieg austrägt, ohne irgendeine Bereitschaft zu zeigen, diesem Morden und Zerstören ein Ende zu bereiten? Die Herausforderungen Jesu sind das eine, aber die Annahme und der Versuch einer Umsetzung, das ist der Knackpunk.

Feindesliebe bedeutet gewiss nicht, sich anzubiedern oder zu unterwerfen; es heißt gewiss nicht Grausamkeit hinzunehmen, ohne sich zu wehren und den Verfolgten zur Seite zu stehen. Aber es bedeutet zu sehen, dass auch unsere Feinde Menschen sind wie wir: fehlerhaft, verängstigt, irrend, gebunden an Interessen und Vorurteilen.

Um uns herum tobt eine Welt, die von Krieg und Tyrannei, von Hass und Elend gezeichnet ist. Wir wollen eine andere Welt. Wir wissen, dass Gott uns eine andere Welt bereithält. Und dazu brauchen wir die prophetischen Worte Jesu. Sie sollen uns im Herzen treffen. Die Worte von der radikalen Feindesliebe haben einen Ankerpunkt – und das ist das Leben und Sterben Jesu selbst. An ihm sehen wir, dass er mit seiner bedingungslosen Hingabe an die Welt und ihren Realitäten die Absicht Gottes für uns Menschen zur Vollendung gebracht hat. Als Christen haben wir uns auf diesen Weg eingelassen. Wir sind keiner Illusion verfallen, sondern glauben an die Stärke der Macht der Liebe, die den Hass überwindet.“

Pater Jonas und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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Der Weg des Gesetzes

„Wer Gebote verschärft, macht sich unbeliebt. Wer Gebote lockert, scheint Lebensfreude und Toleranz auszustrahlen und hat schnell viele auf seiner Seite. Unangenehm wird es, wenn das Mehr oder Weniger an Radikalität und Ernsthaftigkeit zum Instrument des Konkurrenzkampfes wird – zum Beispiel bei Konfessionen.

Dann bedient sich der Menschen gemeinhin lieber dort, wo es einfacher ist, wo es nicht so streng zugeht und wo man nicht auf viele Gebote und Regeln trifft. Dies gilt nicht in Politik und Religion, sondern zum Beispiel auch für die Leitung eines Klosters: Soll unser neuer Abt die Regeln des Klosters lockern, damit das Klosterleben an den heutigen Lebensrhythmus besser angepasst ist oder soll er die Regeln eher verschärfen, damit das klösterliche Zeugnis besser zum Strahlen kommt?

Wie kein zweiter Evangelist unterstreicht Matthäus im heutigen Abschnitt aus der Bergpredigt die Treue Jesu zu dem Gesetz, der Thora. Scheinbar legt Jesus die moralischen Hürden höher, verschärft das Gesetz: Ihr habt gehört … ich aber sage Euch!

Jesus ist hier sehr ‚bibeltreu‘, denn er verlangt eine uneingeschränkte Ehrfurcht vor dem Gesetz und den Propheten. Die biblischen Weisungen konkretisieren den Willen Gottes – und sie übersetzen ihn in die verschiedenen Lebensbereiche. In seiner Interpretation bewegt sich Jesus ganz im Rahmen der jüdischen Auslegungstradition. Er will zur Geltung bringen, dass das Gesetz auf die Entfaltung des Lebens zielt, der Förderung des Lebens.

Das biblische Gesetz ist eher Weisung als Verbot! - Weisung für mein eigenes Denken und Handeln. Die Frage ist nämlich nicht: Was ist noch erlaubt?, sondern vielmehr: Was ist schon geboten? Es geht um die 'größere Gerechtigkeit', nicht um Buchstaben-gerechtigkeit, nicht um das äußere, formale Erfüllen von Ehrlichkeit und Barmherzigkeit. Maßloses Wohlwollen, aktive Versöhnungsbereitschaft, unbedingtes Vertrauen in den anderen und auf Absicherungsmittel verzichtende, umfassende Wahrhaftigkeit – darum geht es ihm.

Nicht erst mit der Tat, sondern schon viel früher fängt das Problem an: die Motive, die Gedanken und die Geisteshaltungen sind die Wurzeln für das Verhalten, das Leben schädigt und zerstört. Gedanken und Motive sind an sich jedoch keine Straftat, niemand kann und will Gedanken und Einstellungen an sich schon juristisch verfolgen. Die Gedanken sind frei – so heißt es in einem Lied. Aber mit den schlechten Gedanken fängt meist das Unheil an.

Nur ich selbst, ich persönlich kann darauf achten, kann mein Gewissen schulen, achtsam sein für die schlechten Gedanken, die sich bei mir einschleichen und festsetzen. Nur ich selbst kann darauf achten, worauf sich meine Gedanken gerne fokussieren wollen, ich selbst bin der Türhüter gegen schlechte Gedanken und Einredungen.

Jesus ist gehorsamer Jude und er unterwirft sich dem Gesetz. So macht er deutlich, dass Veränderung nicht mit der Abschaffung von Normen und Riten beginnt. Nein, jede Veränderung nimmt ihren Anfang ganz tief drinnen, im Herzen, dem Gemüt, der Grund-Einstellung eines Menschen. Jede Veränderung bedeutet zunächst einmal Geduld und Gehorsam. Nur über die Erfüllung des Willen Gottes, nicht über die Abschaffung von Statuten und Vorschriften geht der Weg in den Himmel.“

Pater Elias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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Salz der Erde und Licht der Welt sind...

„‘Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt‘, diese Worte Jesu stehen im Evangelium des Matthäus direkt nach den Seligpreisungen. Dies bedeutet, dass diejenigen das Salz der Erde und das Licht der Welt sind, die sich die Seligpreisungen als Prinzip und Inhalt ihres Lebens zu Herzen nehmen.

In den Seligpreisungen spricht Jesus zu denen, die arm vor Gott sind und sich somit nicht an materielle Werte binden. Er spricht zu den Sanftmütigen, die nicht unglücklich sind über den Mangel an Ansehen und Reklame für ihre Person. Er spricht zu all jenen, die so gewöhnlich sind wie Brot und so unmerklich wie die Luft. Er spricht zu Menschen, die von Unglück und Leid getroffen sind, aber vielleicht gerade aufgrund ihres Schmerzes weiter sehen, besser hören und mehr verstehen. Er spricht zu denen, die nach Gerechtigkeit streben und denen nicht alles egal ist. Jesus wendet sich an die Barmherzigen, die fähig sind, anderen zu helfen, auch wenn dies nicht aus ihrem eigenen Interesse heraus geschieht. Er spricht zu den Mutigen, denn es erfordert Mut, sowohl in Zeiten des Krieges als auch in Zeiten des Friedens, rechtschaffend und würdevoll zu leben. Jesus spricht zu denen, die die Wahrheit brauchen, um zu leben; zu Menschen, die reinen Herzens sind, die Lüge und Falschheit nicht mögen, und zu Menschen, die wegen ihres Engagements für Gerechtigkeit belächelt oder gar verfolgt werden.

Diese Menschen sind das Salz der Erde und das Licht der Welt. Wir könnten fragen: Sind das nicht zu große Worte? Leben wir heute so?

Lassen wir uns auf ein Experiment ein, machen wir ein Spiel der Phantasie: Nehmen wir an, dass es unter uns keine solchen Menschen mehr gäbe. Es gäbe niemanden mehr, der bereit wäre, seinen Kopf für die Gerechtigkeit und die Wahrheit hinzuhalten. Stellen wir uns vor, dass es keine barmherzigen Menschen mehr gäbe. Es gäbe niemanden, der nicht gekauft werden könnte. Wäre eine solche Welt lebenswert? Sehnt sich der Mensch nach einer solchen Welt und einem solchen Leben?

Wenn eine Welt ohne diese Menschen, die von Jesus seliggepriesen werden, wirklich existieren würde, wäre es für uns sehr schwierig zu leben. Sind also die Armen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen nicht wirklich das Salz der Erde, das heißt, etwas, das den Dingen Geschmack verleiht und vor Geschmacklosigkeit schützt? Machen nicht diejenigen, die barmherzig, gerecht und sanftmütig leben, unserer Welt heller?

Auch heute brauchen wir dieses Salz und dieses Licht, um noch besser füreinander da zu sein, um uns gegenseitig Hoffnung auf ein besseres Leben zu geben und um unseren Glauben an das Gute und die Wahrheit zu stärken. Ihr seid das Salz der Erde, Ihr seid das Licht der Welt!“

Pater Efrem und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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"Auf, mir nach!"

„Beim ersten Hören des heutigen Evangeliums könnte man denken: Der Evangelist Matthäus berichtet, wie Jesus am See Genezareth Männer vom Fischfang wegruft, damit sie künftig Menschen fangen, um sie in das Schiff der Kirche einzuholen. Doch von einem besonderen Auftrag für Petrus und seine Kollegen ist hier nicht die Rede. Erst später, in Matthäus 10, spricht der Evangelist von der Berufung des Petrus und der anderen Apostel und ihrer Aussendung mit einem besonderen Auftrag.
Heute im Evangelium geht es um die Jüngerschaft, die jeden angeht, der sich von Jesus rufen lässt. Das Leben des Jüngers muss sich ändern, er oder sie muss der Güte und Menschenfreundlichkeit Jesu Raum geben. Denn in ihm ist die Gottesherrschaft nahegekommen.
Sicher waren Petrus und sein Bruder Andreas, Johannes und sein Bruder Jakobus bei ihrer Arbeit am See dem Prediger Jesus schon begegnet. Vielleicht hatten sie erlebt wie Jesus die Menschen an sich zieht und in seinen Bann zieht. In Petrus und seinen Berufskollegen war schon eine innere Sehnsucht gewachsen, so dass Jesu Ruf ‚Auf, mir nach!‘ auf fruchtbaren Boden fällt und sie alles stehen und liegen lassen, um ein anderes, neues Leben zu beginnen. Mit ihnen beginnt Jesus seine Sammlungsbewegung; das ist der Anfang des neuen Gottesvolkes. Die Jünger müssen zuerst ein neues Miteinander in Gemeinschaft mit Jesus erfahren, wo nicht mehr Menschen über Menschen herrschen, sondern alle Schwestern und Brüder und Kinder des himmlischen Vaters: Das Reich Gottes ist nahe!
‚Auf, mir nach!‘ – Jesu Ruf gilt uns allen! Jede und jeder von uns, mich eingeschlossen, sollen in die Fußstapfen Jesu treten – je nach unseren individuellen Möglichkeiten. Für diesen Ruf gibt es keine Stimme, die vom Himmel fällt. – Es waren Menschen, einfache, aber überzeugte Christen, die mir den Weg zu Jesus gezeigt haben. Ich denke an meine Eltern, den offenen und freundlichen Pfarrer in meiner Kinder- und Jugendzeit, und Josef Maria Reuss, der Regens des Mainzer Priesterseminars, der uns Primanern Exerzitien gab. So stand ich eines Tages vor der Frage meines Vaters: ‚Was willst du eigentlich aus deinem Leben machen, was willst du denn nach dem Abitur studieren?“
Petrus und seine Gefährten sahen an ihrem Arbeitsplatz einen Menschen, diesen Jesus von Nazareth, der sich zunächst in nichts von ihnen unterschied. Aber er sprach in einer einmaligen Weise von Gott, seinem Vater, der der Herr seines Lebens war, der auch der Herr ihres Lebens sein sollte. Als gläubige Juden hatten sie das in ihren Gebeten schon gehört. Aber jetzt steht dieser Jesus vor ihnen, der das in seinem Leben verkörpert. Darum folgen sie seinem Ruf. Sie gehen das Wagnis ein, ihr bisheriges Leben aufzugeben und ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. So fangen sie an, zu verstehen und zu begreifen, wie das aussieht: ein Leben unter der Herrschaft Gottes. – Und erst mit ihrer Erfahrung vom Leiden und dem Kreuzestod Jesu und seiner Auferstehung kommt dieser Lernprozess an ein Etappenziel. ‚Auf, mir nach!‘, dieser Ruf Jesu an uns, an mich, schließt unser ganzes Leben ein, erst im Tod kommt er ans Ziel!“
Pater Zacharias und alle Brüder in Tabgha und Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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Seht, das Lamm Gottes!

„‘Seht, das Lamm Gottes!‘ Unzählige Male haben wir diese Worte schon gehört, gesprochen oder gesungen. Ist dieses Bekenntnis für uns zu einer Formel erstarrt? ‚Lamm Gottes‘, klingt das uns nicht zugleich auch sehr fremd? Wir wundern uns, wenn wir versuchen eine Ähnlichkeit, eine Verbindung zwischen dem Jesus unseres Glaubens und diesen possierlichen Tieren zu sehen, die man im Frühjahr hier und da noch auf einer Schafweide herumspringen sieht.

‚Lamm Gottes‘ ist ein Hoheitstitel, mit dem die junge Kirche versuchte zu verstehen, was es mit diesem Jesus auf sich hat. Die ersten Christen blickten auf das jüdische Pessach, auf das Lamm, das am Vorabend des Auszugs der Israeliten aus Ägypten geopfert und verzehrt wird. Das Blut des Lammes, an die Türrahmen der Hebräer gestrichen, schützte sie vor der Vernichtung durch den vorübergehenden Engel Gottes. Die ersten Christen deuteten Jesus von seinem ersten Auftreten an als denjenigen, der sein Blut hingibt, um alle zu befreien, die verstrickt sind in die Sünde der Welt und die drohen unwiederbringlich in ihr unterzugehen. So ist es verständlich, dass auch der Evangelist Johannes bei der Darstellung des ersten öffentlichen Auftretens Jesu unseren Blick auf das Ende Jesu während des Paschafestes lenkt: ‚Seht, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt!‘

Doch wenn Gott wirklich Liebe ist, kann es dann sein, dass er mit dem Tod Jesu, des Opferlammes, versöhnt und befriedigt werden muss? Nehmen wir nicht zu Recht Anstoß an der schier unerträglichen Passivität eines Losers, wenn in der Apostelgeschichte zur Deutung des Schicksals Jesu der Prophet Jesaja zitiert wird? – ‚Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf vor seinen Scherern verstummt, so tat auch er seinen Mund nicht auf.‘

Jesus hat sich frei und souverän in die Hände von Menschen gegeben: ‚Niemand entreißt mir mein Leben, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen.‘ Wenn er sein Leben hingibt, dann, um es auf ewig gewandelt zurückzunehmen. Und beim Abendmahl im Obergemach ist es Jesus selbst, das Lamm, das geschlachtet werden soll, der seinen Freunden sein Blut zu trinken gibt. Es sind nicht mehr Türrahmen, die mit Blut bestrichen und markiert werden. Hier nehmen die Freunde Jesu – und dürfen wir uns nicht auch so bezeichnen? - das vergossene Blut innerlich auf. Es wird ihr und unser Blut. Blut ist Leben und Sitz der Seele. Wir leben das Leben des Lammes.

Die Menschen, die zu Johannes dem Täufer kamen, dachten vielleicht, dass sie mit der Taufe im Jordan am Ende ihrer Reise, am Ende ihres Bekehrungsweges angekommen sind. Aber Johannes verweist sie mit Nachdruck auf einen geheimnisvoll Anderen, der ihm voraus ist, weil er vor ihm war; sowohl Vergangenheit als auch Zukunft; sowohl Anfang als auch Ende, Alpha und Omega. Johannes der Täufer ist die Gegenwart, das Jetzt, das nur ein Durchgangsort sein kann. Einige Zuhörer des Johannes werden Jesus nachfolgen - vielleicht in der Hoffnung, dass sie bei ihm ans Ziel ihrer Reise angekommen sind. Aber Jesus wird sie ohne Unterlass auf die Straßen des heiligen Landes führen, und wenn sie ihn bis zu seinem Tod begleitet haben werden, dann geht es für sie hinaus bis an die Enden der Erde - eine Reise, ein Weg, der kein Ende in dieser Welt kennt. Ihr und unser Berufungsweg ist schon jetzt; und gleichzeitig noch nicht. Das letzte Wort ihrer und unserer Geschichte hat ein Anderer.

Wir wollen daher mit unseren Gewissheiten, unseren Gewohnheiten, unseren Überzeugungen und Urteilen vorsichtig sein. Bleiben wir doch offen für ein Anderswo, für einen ganz Anderen, für Christus, der unsere Sehnsucht ist, von dem wir aber wie Johannes der Täufer gleichzeitig bekennen müssen: ‚Ich kannte ihn nicht.‘ Unsere Sehnsucht ist mit der Hoffnung verbunden, dass wir ihn eines Tages mit Gewissheit kennen werden. Hier und jetzt sind wir auf dem Weg. Wir dürfen gewiss sein, dass er schon da ist, dass er selbst der Ursprung für unsere Sehnsucht und unsere Hoffnung ist.“

Pater Josef und alle Brüder in Tabgha und in Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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