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Was wir tun, ist unser Leben

13. November 2013

Es sind die kleinen Gesten, die auffallen: Menschen umarmen sich, begrüßen sich freudig, lächeln sich zu, fassen einander an den Händen. Menschen christlichen, islamischen und jüdischen Glaubens begegnen sich. Warm, zugewandt, herzlich. Es ist der Tag der Preisverleihung des Mount Zion Awards 2013. Die Feier in der Kirche der Jerusalemer Dormitio-Abtei spiegelt etwas von der alltäglichen Arbeit der beiden Preisträgerinnen: Die israelische Jüdin Yisca Harani und die palästinensische Christin Margaret Karram leben den Dialog der Religionen. Oder wie sie selbst sagen: „Was wir tun, ist unser Leben.“ Und weil es ihr Alltag ist, sind sie von der Auszeichnung mit dem Award so überrascht: „Das ist so, als ob man ausgezeichnet wird dafür, dass man frühstückt.“

Professor Sari Nusseibeh, Präsident der Al-Quds Universität Jerusalem, bringt es in seiner Laudatio auf den Punkt: Den beiden Preisträgerinnen gehe es nicht um einen rein intellektuellen Austausch. Vielmehr hätten sie die Gabe, ins Alltagsleben zu übersetzen, was es heißt, „dass wir alle Mitglieder derselben Menschheitsfamilie sind“.

Dormitio-Abt Gregory Collins hat in seinem Grußwort ein anderes Prädikat für die beiden Frauen: Sie haben „Ausstrahlung“. Und die ist nicht nur bei der Preisverleihung zu spüren. Bereits einige Tage zuvor haben die beiden Ausgezeichneten beim Gastvortrag vor den Studierenden des Theologischen Studienjahrs in der Dormitio beeindruckt mit Geschichten aus ihrem Alltag.

Yisca Harani, geprägt durch das religiöse jüdisch-traditionelle Vorbild ihrer Eltern, hat der Wissensdurst zum interreligiösen Engagement geführt. Sie wollte mehr übers Christentum erfahren. Aber, so sagt sie, ohne Zuneigung zu den Menschen, ohne Empathie für den anderen, bleibt dieses Wissen leer. Deshalb sucht sie das Gespräch, auch über das Unterscheidende zwischen den Religionen. Seit 1989 erzählt sie nun jüdischen Israelis vom Christentum. Sie ist Erzieherin und Beraterin in den Ministerien für Öffentliche Sicherheit, Religionen und Tourismus. Zu ihren Initiativen im Miteinander von Muslimen, Christen und Juden gehört seit 1999 ein Projekt des Schüleraustausches zwischen arabischen und jüdischen Kindern in Tel Aviv und Jerusalem.

Margaret Karram ist in einer arabischen christlichen Familie in Haifa geboren. Der Glaube an den einen Gott – den Christen, Juden und Muslime verehren – ist ihr Antrieb im interreligiösen Gespräch. Seit vielen Jahren ist sie als Repräsentantin der Fokolar-Bewegung im Heiligen Land unterwegs. Sie hat Judaismus in den USA studiert und bringt auch nicht-religiösen Menschen in Palästina und in Israel das Judentum näher. Entscheidend, so sagt sie, ist das gelingende Miteinander im alltäglichen Leben.

Diese Offenheit für die Andersheit der anderen bezeugen die beiden Frauen auch bei der Preisverleihung. Sie sehen sich stellvertretend ausgezeichnet für all die Menschen, die sich über Grenzen hinweg im interreligiösen Verstehen einsetzen. „Liebe deinen Nachbarn“ steht als Handlungsanweisung über ihrem Tun. Wie das geht? Yisca Harani erinnert in ihrem Dank an den Propheten Micha (6,8): „Der Herr hat euch doch längst gesagt, was gut ist! Er fordert von euch nur eines: Haltet euch an das Recht, begegnet anderen mit Güte, und lebt in Ehrfurcht vor eurem Gott!“

Die Vizepräsidentin der Mount Zion Foundation, Professorin Verena Lenzen aus Luzern, erinnerte bei der Preisverleihung an den Initiator des Friedenspreises, den katholischen Priester Wilhelm Salberg. Er habe das Konzilsdokument „Nostra aetate“, 1965, als „Wendepunkt im christlich-jüdischen Dialog gesehen. Seine Idee: Persönlichkeiten und Institutionen, die sich im Heiligen Land in besonderer Weise um die Verständigung zwischen Religionen und Kulturen verdient machen, sollen ausgezeichnet werden.
Seit 1987 wird deshalb alle zwei Jahre der Mount Zion Award verliehen. Unter den Preisträgern sind zum Beispiel David Grossman, Schwester Abraham, Sumaya Farhat-Naser, David Rosen, Schwester Monika Düllmann, Daniel Rossing und die Friends of the Earth Middle East. Der Preisträger von 2001, Reuven Moskovitz, feierte seinen 85. Geburtstag inmitten der diesjährigen Preisverleihung. Und erfreute die Festgemeinde mit Friedensliedern auf seiner Mundharmonika.

Verliehen wird der Friedenspreis, der mit insgesamt 20.000 Euro dotiert ist, gemeinsam vom Institut für Jüdisch-Christliche Forschung der Universität Luzern und der Dormitio-Abtei. Mitglieder im Stiftungsvorstand sind Abt Gregory Collins, Professorin Verena Lenzen und der Benediktiner Markus Muff (Rom); Mitglieder im Kuratorium der Stiftung sind der Generalsekretär des Deutschen Vereins vom Heiligen Land (DVHL), Heinz Thiel, Rabbi David Bollag und Professor Sari Nusseibeh.

Johannes Becher