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Weil die Liebe das letzte Wort hat

01. August 2008

Osterpredigt 2002 von Abt Benedikt Lindemann OSB

Vor einigen Tagen wurde ich von einem Journalisten in einem Interview vor die abschließende Frage gestellt: "Kann man denn in Jerusalem in dieser Zeit überhaupt Ostern feiern?" Meine spontane, weil unüberlegt aus dem Herzen sprudelnde Antwort lautete: "Ja! Gerade weil dieses Land so viele schmerzliche und leidvolle Karfreitage erlebt, dürfen und müssen wir Ostern feiern!"
Beim Nachdenken war ich überrascht von meiner spontanen Reaktion, doch stehe ich nach wie vor dazu: Ostern gibt es nicht ohne den Karfreitag! Der Auferstehung geht das Leiden und Sterben des Herrn voraus. Der heilige Paulus sagt in seinem 1. Brief an die Korinther:

"Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos!" (1 Kor 15,14)

und wenige Verse später (V. 19-29):

"Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. Nun ist aber Christus von den Toten auferweckt worden als Erster der Entschlafenen!"

Hierbei geht es nicht um eine billige Vertröstung auf ein besseres Jenseits - das wäre angesichts der brutalen Realitäten zynisch! Ich spüre aber, daß gerade wir Christen in dieser Zeit aufgerufen sind, von der alles entscheidenden Mitte unseres Glaubens, nämlich von der Auferstehung Christi, Zeugnis abzulegen - nicht lärmend, sondern liebend! Schon der 1. Petrus-Brief ermutigt uns:

"Seid allezeit bereit, jedermann Rede und Antwort zu stehen, der wegen der Hoffnung, die euch beseelt, Rechenschaft von euch fordert!" (1 Petr 3,15)

Die Auferstehung Christi ist doch das A und O unseres Glaubens! Diese heilige Nacht ist der entscheidende Unterschied: Sie ist die Wende! Jesus Christus ist "von den Toten auferweckt worden als Erster der Entschlafenen! Halleluja!" Alles Leid der Welt, alle Sinnlosigkeit, aller Schmerz und alle Sünde finden in dieser Nacht die alles umwälzende Antwort auf die Frage, warum dennoch das österliche Halleluja erklingen muß: Weil die Liebe das letzte Wort hat! Halleluja!
Wenn die Liebe nicht das letzte Wort hat, wenn Christus nicht das Leben und die Liebe ist, wenn das Leben auf dieser weltlichen Seite alles ist - dann laßt uns diese österliche Feier sofort beenden, nach Hause gehen und schlafen! Nein, dem Bösen laßt uns widersagen und als Angebot das österliche Heil entgegenhalten! Dem Leidenden und Trostlosen aber laßt es uns sagen zur mitfühlenden, mitleidenden Freude und zum heilsamen Trost:

"Christus ist auferstanden - ER ist wahrhaft auferstanden!"

Dieses Saatkorn Hoffnung laßt uns mit vollen Händen, verschwenderisch, kühn über diesem kargen und lebensbedrohenden, ja zum Teil lebens-feindlichen Land aussäen! Die Botschaft der Liebe trägt einen Namen: Christus, der Auferstandene! Das letzte Wort heißt nicht Tod; das letzte Wort heißt Leben! Ewiges Leben, Leben in Christus, Lieben in Christus! Von dieser Hoffnung geben wir Zeugnis; und dieses Glaubens wegen sind wir in dieser Nacht zusammengekommen. Mögen sie uns alle für verrückt halten:

Jesus lebt! Halleluja!

Doch seien wir uns auch im Klaren, daß unser "Ja!" zur österlichen Botschaft in dieser Nacht Konsequenzen hat - lebensentscheidende Konsequenzen: Der Weg der Liebe ist nicht nur österliches Lachen, sondern er birgt auch das karfreitägliche Leiden und das Aushalten des Karsamstags in sich. Die Nachfolge Christi ist Nachfolge der Liebe - sie ist der Sinn meines und deines Lebens! Die Liebe kennt das Wachsen des Lebens in der Freude sowie das Reifen im und am Leiden. Khalil Gibran drückt die scheinbare Paradoxie der Liebe und des Lebens so aus:

"Winkt dir die Liebe, so folge ihr, sind auch ihre Wege hart und steil. Und redet sie mit dir, so traue ihrem Wort, mag auch ihre Stimme deine Träume erschüttern, wie der Nordwind den Garten verwüstet. Denn gleich wie die Liebe dich krönt, so wird sie dich kreuzigen; wie sie deinen Lebensbaum entfaltet, so wird sie ihn beschneiden. All dies soll Liebe dir antun, auf daß du kennest das Geheime deines Herzens und in diesem Wissen ein Bruchteil werdest vom Herzen des Lebens!"
(in: Khalil Gibran: Wo Liebe sich freut, ist ein Fest. Verlag Neue Stadt. S. 36)

Ich wünsche uns allen in dieser österlichen Nacht wahren Anteil an jener Liebe, die das ewig pulsierende Herz des Lebens ist und Christus heißt!

Amen! Halleluja!

+ Abt Benedikt Lindemann OSB