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Gottes Erbarmen kennt keine Grenzen!

03. August 2014

Liebe Schwestern und Brüder,

es gibt diese Momente, in denen wir am liebsten die Bettdecke über unseren Kopf ziehen möchten. In denen wir am liebsten alle Türen hinter uns zu machen wollen. In denen wir einfach alleine sein wollen. Weit weg von allem.

Gründe kann es dafür verschiedene geben: Wir hatten einen Streit mit jemandem. Wir haben einen Fehler gemacht. Wir haben eine schlechte Nachricht bekommen.

Jesus geht es offenbar nicht viel anders: Als er vom Tod Johannes' des Täufers hört, sucht er einen einsamen Ort auf, um alleine zu sein, und kommt hier her. Was er will? – Beten und nachdenken, trauern und mit Seinen Jüngern reden womöglich. Und das in einem Rahmen, der überschaubar ist, wo einen erst einmal nicht so viel ablenkt.

Aber wir wissen, dass das nur der Anfang der eigentlichen Geschichte ist. Denn die Menschenmassen sind ja schon längst hier, als Jesus hier ankommt. Und natürlich nimmt Er sich der Menschen an, Er heilt die Kranken. Und auch wenn es bei Matthäus nicht ausdrücklich erwähnt wird, so wird Jesus doch auch mit den Menschen gesprochen haben. – Und dann wird es Abend, und die Jünger sind der Ansicht, dass es nun doch langsam genug ist. Bettdecke und Türen: Schick doch die Leute weg!

Das ist vernünftig, denn wo sollen die Leute hier in der Ödnis etwas zu essen her bekommen? Das ist auch verständlich, denn Jesus hatte ja bewusst die Einsamkeit und Stille gesucht. Also, schick sie weg!

Wir kennen den weiteren Gang der Geschichte, und schon die bloßen Zahlen zwei und fünf, fünftausend und schließlich zwölf beschreiben, dass hier Unfassbares geschieht. So wenig zu essen für so viele Menschen, und am Ende bleibt noch mehr und viel mehr übrig. – Gottes Barmherzigkeit ist unfassbar und kaum zu beschreiben. Das ist eine der tiefgehenden Botschaften dieses heiligen Pilgerortes am See unter dem Meer. Gottes Erbarmen kennt keine Grenzen und wendet sich an alle Menschen. Auch das gehört zu den Fundamentsteinen unseres Ortes, der seit alters her zwischen den Grenzen der Kulturen, Sprachen und Religionen liegt, und an dem wir besonders auf der Begegnungsstätte Christen, Juden und Muslime aus dem In- und Ausland als Gäste begrüßen können. – Gottes Erbarmen und Barmherzigkeit sprengen die Grenzen und Mauern unserer Vorstellungen und Ideen.

Wir versuchen, unsere kleine Welt zu strukturieren und zu regeln. Das gilt für uns als Mönche in ganz eigener Weise. – Aber letztlich ist es allen Menschen zu eigen, dass wir unser Leben und unser Umfeld absichern, ja, kontrollieren, Störfaktoren möglichst ausscheiden wollen. Das gilt für unser eigenes Leben mit seinen Widrigkeiten. Das gilt aber ebenso für Politik und Gesellschaft. Gerade die Gewalt, die über Gaza, die Ukraine, Syrien und so viele andere Orte der Welt hereinbricht, ist ein beredtes Zeichen dafür, dass Menschen kontrollieren und beherrschen wollen, dass sie unliebsame Störungen ausschalten wollen. Dass sie ihre Ruhe haben möchten. Notfalls mit Gewalt. Decke drüber. Tür zu. Und meine kleine Welt ist wieder überschaubar.

Doch die Erzählung vom Wunder der Brotvermehrung weiß es besser: Vor Gottes Angesicht gibt es solche Ruhe und solche Bettdecken und Türen nicht. Unsere Welt ist niemals so klein, wie wir sie gerne hätten, damit wir mit ihr umgehen können. Sie ist immer größer. – Und mit der Brotvermehrungsgeschichte darf sie es auch sein!

In unseren Verärgerungen und Verletzungen, in unserem Leiden und Klagen können wir vielleicht allzu oft nur die fünf Brote und die zwei Fische sehen, und das Leben scheint uns immer wieder die Fünftausend zumuten zu wollen. – Doch im Angesicht Gottes, und das bedeutet, sich von Gott anschauen zu lassen, aber auch wie mit den Augen Gottes auf diese Welt zu schauen, im Angesicht Gottes reichen diese fünf Brote und zwei Fische.

Die Erzählung von der Brotvermehrung ist nicht nur eine der schönsten und konkretesten Erzählungen über Gottes Erbarmen und Barmherzigkeit. Sie lädt uns auch dazu ein, dass wir unser Leben und unsere Welt immer wieder größer sehen und denken dürfen. Sie will uns ermutigen, Gottes Wunderhandeln auch in unserem Leben zuzulassen. – Wer sich traut, auch die zwei Fischen und fünf Brote den Fünftausend anzubieten, der bekommt am Ende zwölf Körbe zurück. Wer im Angesicht Gottes die Türen offen lässt und die Bettdecke zur Seite schlägt, der wird einmal mehr lernen, die Welt mit den Augen Gottes zu sehen.

Die Erzählung von der Brotvermehrung will uns ermutigen, im Angesicht Gottes ganz und gar Kind Gottes zu sein, und im Lobpreis Gottes Augen und Ohren, Hände und Herzen zu öffnen. Wir sind nicht in dieser Welt, um ängstlich die zwei Fische und fünf Brote zu kontrollieren und zu bewachen.

Unser Mosaik in der Kirche zeigt nur vier der fünf Brote im Korb, und wir sagen richtigerweise, dass das fünfte Brot das Brot auf dem Altar ist. – In diesem Brot der Eucharistie gibt sich Christus selbst hin und lässt sich brechen für uns, damit es für alle reicht, damit das wahre und neue Leben alle erreicht. Und so sind auch wir mit der Botschaft von Tabgha eingeladen, uns selbst hinzugeben. – Legen wir heute unsere kleine Welt mit hinein in die Schale mit dem Brot. Damit auch unsere eigene kleine Welt gebrochen und aufgebrochen und geteilt werde.

Amen.