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Warum wir vom Tabor-Licht singen

06. August 2017

Verklärung des Herrn. (basilius schiel osb - Acryl auf Leinwand, 60x80 cm, 2017) Verklärung des Herrn. (basilius schiel osb - Acryl auf Leinwand, 60x80 cm, 2017)

Predigt von Pater Basilius am Fest der Verklärung des Herrn (Sonntag, 6. August 2017, Dalmanutha/Tabgha)

The Sound of Silence

Da war dieses Badezimmer, nachts, im Dunklen. Ein junger Mann kommt herein, er dreht den Wasserhahn etwas auf. Dann nimmt er seine Gitarre in die Hand und beginnt zu spielen. Er mag die Akustik in dem gefliesten Raum, mit dem Rauschen des Wassers im Hintergrund. Er mag seine Musik.

Unser nächtlicher Badezimmer-Musiker heißt Paul Simon, und Jahre später wird er daraus die erste Zeile eines Liedes machen: „Hello, darkness, my old friend, I’ve come to talk to you again…“. – So beginnt der erste erfolgreiche Song von Simon & Garfunkel: „The Sound of Silence“.

Das Lied beschreibt das faszinierende und verstörende Mit-, und Gegen-, und Ohne-Einander von Lichtern und Klängen. Ein Träumer ist unterwegs, zunächst in der Dunkelheit. Er wird dann von grellen Straßenlichtern geblendet. Er sieht viele, sehr viele Menschen, doch er hört sie nicht.

Licht und Schall

Man erahnt hinter den poetischen und surrealen Bildern des Liedtextes die moderne Welt. Und was für die Mitte der 1960er galt, als das Lied entstand, gilt für uns heute noch viel mehr: Man muss sich schon ziemlich weit zurückziehen aus unserer Welt, dass man nicht von der riesigen Flut von optischen und akustischen Reizen erfasst wird.

Straßenbeleuchtungen und Reklamen, Monitore und Lautsprecher, Musik und Hintergrund- und Signalgeräusche, Sicherheitsbeleuchtungen und kunstvolle Installationen, Nachrichten und Fakenews, politische Reden und manchmal allzu belanglose Talksendungen – überall Licht, Sound, Worte. Und wo wir nicht mitten in ihnen stehen, da haben wir sie oft mit unseren Tablets und Smartphones einfach in der Tasche… Licht und Schall.

Licht und Schall, davon ist auch unser Festtags-Evangelium voll: das Licht in Jesus, die leuchtende Wolke, die Stimme aus der Wolke. – Die Verklärung des Herrn packt in starke Bilder, was doch auch mit ihnen nicht wirklich aussagbar ist: In Jesus bricht in unsere Welt eine neue, eine andere Realität ein, die für uns leitend und weisend sein soll: „Das ist mein geliebter Sohn! Auf ihn sollt ihr hören!“

Worauf hören wir?

Und worauf hören wir? Paul Simon spricht in seinem Lied von den Tausenden von Menschen, die er im grellen Licht sieht. Tausende von Menschen, die plappern und reden, aber ohne wirklich miteinander zu reden, tausende von Menschen, die sich vor dem Neon-Gott, den sie selbst geschaffen haben, anbetend niederwerfen…

Worauf hören wir?
Wovon sprechen wir?
Wovor beugen wir uns ehrfürchtig?

Es gibt so viel Licht, so viele Stimmen in unserer Welt: Was ist echt? Was ist wichtig?

Wo scheint in unserer Zeit und unserer Welt etwas von diesem Licht aus unserem Evangelium auf? Jenes Licht, das die byzantinische Spiritualität das „ungeschaffene Tabor-Licht“ nennt…

Mit anderen Worten: Wo begegnen wir wirklich und wahrhaftig Gott? Nicht unseren kleinen Herrgöttchen und Abgottheiten?

Das Tabor-Licht in unserem Leben

Ich glaube, dass Gott, der Herr uns dafür durchaus einen Sinn gegeben hat. – Wir sehen es bei Petrus und seinen Gefährten heute im Evangelium: Auch wenn unsere Reaktionen vielleicht manchmal kleinkariert und ängstlich sein mögen, aber wir spüren es, wir ahnen es, manchmal wissen wir es auch.

Verklärung des Herrn. (basilius schiel osb - Acryl auf Leinwand, 60x80 cm, 2017) Verklärung des Herrn. (basilius schiel osb - Acryl auf Leinwand, 60x80 cm, 2017) Wir merken es, weil uns etwas widerfährt, weil wir etwas erkennen, das einfach wichtig und relevant für unser Leben ist und auf das wir ohne weiteres nicht mehr verzichten können und wollen, für das wir Hütten bauen wollen, um es festzuhalten wie Petrus damals auf dem Berg.

Vielleicht nicht ganz so ungeschaffen wie das Tabor-Licht, aber doch geschenkt, nicht selbst gemacht: Liebe, Beziehung und Familie. Gebetsleben. Gaben und Talente. Das rechte Wort zur passenden Zeit, tröstend oder ermahnend. Ein Lächeln. Eine ermutigende Hand auf der Schulter.

Es gibt vieles, in dem uns etwas von diesem Tabor-Licht aufscheint. Und dieses Tabor-Licht scheint uns auf, um unser Leben besser und heiler zu machen, wahrhaftiger und ehrlicher.

Die Jünger dürfen nach dem Erlebten auf dem Berg nicht reden. Sie sollen niemandem davon erzählen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Wir aber, wir sind nach-österliche Menschen, sind österliche Menschen. Wir dürfen also davon reden und erzählen, wenn wir das Tabor-Licht erfahren. Wir dürfen mit diesem Tabor-Licht leben, es in die Welt tragen.

Die Jünger dürfen noch nicht reden. Und die Menschen in Paul Simons „The Sound of Silence“ verfassen Lieder, die doch nie von Stimmen geteilt werden, weil niemand es wagt den trügerischen Klang der Stille zu durchbrechen.

Wir dürfen vom Tabor-Licht singen

Wir dürfen diese Schallmauer durchbrechen, um Licht und Wahrheit in diese Welt einzulassen. Wir dürfen neue Lieder singen, dürfen erzählen vom Tabor-Licht.

Das können wir vor allem dann, wenn wir erkennen, wo dieses Licht in unserem Leben aufstrahlt, wenn wir erkennen, wo Gott auch in unser Leben eintritt. Wir müssen dazu sicher immer mal wieder etwas vom akustischen und optischen Müll unserer Welt beiseite räumen. Vielleicht braucht es dazu von Zeit zu Zeit auch den Schutz und das Private eines dunklen und stillen Badezimmers in der Nacht. – Dann können wir vielleicht wieder etwas deutlicher sehen, worum es in unserem Leben geht und was wirklich wichtig ist

Unser heutiges Fest ist eine Erinnerung und eine Ermutigung, genau das auch immer wieder zu tun.

Unser heutiges Fest ist wie ein Fenster, durch das Gott in unsere Welt schaut und durch das wir in Gottes Welt schauen dürfen.

Lassen wir es geöffnet.

Oft.

Lange.

Weit.