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Kostbar-zerbrechlich

31. Juli 2022

„Liebe Schwestern und Brüder,
wann haben Sie zuletzt mit Seifenblasen gespielt? Oder welche gesehen? – Wenn Sie sich jetzt Seifenblasen vorstellen, einzelne oder einen ganzen Schwarm aus einem Automaten, was sehen Sie dann, was empfinden Sie?

Die Blasen, im freien Flug vom Wind getragen, die Lichteffekte im bunten Spiel der Sonnenstrahlen…

Und dann ist es auch ganz schnell vorbei. Geplatzt. Vergangen. – Windhauch, sagte Kohelet, alles Windhauch. Seifenblasen sind vielleicht ein Bild dafür.
Ähnlich zart, glitzernd, filigran und schön, verspielt und kostbar können Glaskugeln wirken. Nicht die massiven Kristallkugeln, in denen mancher seine Zukunft sucht, sondern solche wie Christbaumkugeln, nur eben ohne Farben oder Gold - durchsichtige, klare Kugeln aus einer dünnen Glashülle. Und wehe, wenn sie fallen, denn anders als Seifenblasen können Glaskugeln nicht fliegen.

Zerbrechlich sind beide. Wer sie grob und unachtsam anfasst, zerdrückt sie. Gewalt hält nicht.

Halten und festhalten. – Das ist eines der Leitmotive unserer heutigen Schrift-Lesungen: Kohelet, für manche geradezu die Ikone biblischen Weltschmerzes, relativiert sehr vereinfacht und zugleich plakativ alles menschliche Streben nach ‚Besitz durch Wissen, Können und Erfolg‘, wie Kohelet schreibt: Windhauch, alles Windhauch. Man kann es nicht festhalten, und auch einen selbst vermag es nicht zu halten. Weder mein Besitz noch meine Weisheit, auch nicht meine Sorgen und Ängste. Nichts. – Alles verfliegt und vergeht, wird dünner und zerreißt wie Seifenblasen.

Es wäre vielleicht eine verständliche menschliche Reaktion, zumindest den Augenblick zu genießen, sich der Leichtigkeit und dem Glanz der Seifenblasen bewusst zu ergeben, sich daran zu freuen, solange sie eben da sind. – Im Kolosserbrief warnt Paulus aber die Christinnen und Christen ausdrücklich davor: Irdisches, ungezügelte Leidenschaften, gottvergessener Götzendienst, all das führt weg vom wahren und ewigen Leben, entfernt uns von der Wahrheit und Liebe Gottes, der uns in Christus zu neuen Menschen machen will. – Der alte Mensch, der festhalten will, der ist in Christus gestorben, der neue Mensch wird eins und heil und frei in Christus.

Festhalten wollte auch der reiche Bauer im Gleichnis Jesu im Evangelium. Seine Planungen und Gedanken sind eigentlich logisch und klingen verantwortungsvoll. Doch Jesus demaskiert auch in ihnen die Seifenblasen unseres Denkens und Planens: In der nächsten Nacht schon kann alles vorbei sein.

Fast schmerzhaft ist der Einstieg in das Gleichnis, als ein Mann auf Jesus zukommt, weil er mit IHM offenbar die Vorstellungen von Gerechtigkeit und Teilen verbindet. Was sollte daran falsch sein? Aber Jesus kanzelt ihn schroff ab! – Auch Jesus, auch Gott selbst, kann im Letzten nicht festgehalten werden. Gott lässt sich nicht von unseren Wünschen und Ideen definieren, seien sie auch noch so gut gemeint und edel. Gott lässt sich nicht festlegen und festhalten.

Wo wir IHN mit unseren allzu kleinen Gottesbildern und Projektionen konfrontieren, zerplatzen sie wie eine Seifenblase, die man mit der Hand fangen möchte. Gott ist nicht verfügbar und nicht instrumentalisierbar. – Vielleicht einer der herausforderndsten und zugleich wichtigsten Impulse für uns, die wir in einer Zeit leben, in der manches, was in Kirche und Gesellschaft kostbar und wichtig erschien, sich doch eher als Seifenblase herausstellt: allzu Irdisch, besitzorientiert, Gespinst des Geistes, Windhauch, Götzendienst.

Seifenblasen können allenfalls mit Tricks, Wasser und Seife auf der Haut, in die Hand genommen werden. – Glaskugeln hingegen kann man anfassen, auch wenn sie zerbrechlich sind. Man darf aber nicht drücken. Man kann sie nicht werfen, ohne dass sie zerspringen.

Worauf also kommt es in unserem Leben an? Was ist wichtig? Was bleibt? ‚Das, was oben ist‘, sagt Paulus; das, was ‚dem neuen Menschen‘ entspricht, ‚der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um IHN zu erkennen‘. – Gott erkennen, das ist es worauf es ankommt in unserem Leben. Und ich glaube, dass so manches, was wir von Gott in diesem Leben erkennen, auch nur eine Glaskugel ist: kostbar und zart, aber auch zerbrechlich und mit Vorsicht und in Demut zu behandeln.

Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche Ihnen und Euch im Sinne unseres Tagesheiligen Ignatius von Loyola die Gabe der Unterscheidung der Geister, damit wir die vielleicht schönen, aber letztlich unwichtigen Seifenblasen in unserem Leben erkennen und weiterfliegen lassen können, und damit wir auch die Glaskugeln auf unserem Weg zu Gott erkennen und wertschätzen und entsprechend mit ihnen umgehen können: Momente des Glücks, der Versöhnung und Heilung in unseren Beziehungen untereinander; Erfahrungen einer inneren Freiheit und eines inneren Friedens, wie sie den Kindern Gottes geschenkt ist; die vielleicht kurzen Einblicke in das ‚Oben‘ und die kleinen Schritte auf dem Weg unserer Neuschöpfung in der Kraft des Heiligen Geistes, im Namen des Sohnes, in der Ewigkeit des Vaters.“

Pater Basilius und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag.

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