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Beten lernen: "Jesus, erbarme Dich meiner."

23. Oktober 2022

„Pharisäer und Zöllner - weder mit dem einen noch mit dem anderen will ich mich identifizieren. Zur Zeit Jesu stehen die Pharisäer in keinem guten Ruf und um die Zöllner ist es nicht besser bestellt. Auf je ihre Weise haben sie ihre Macht missbraucht und den Mitmenschen geistlich oder finanziell geschadet. Kurzum: Beide Gruppen gehören zu den sehr unangenehmen Zeitgenossen! Daher ist es interessant und auch provokativ, dass Jesus im Schauen auf beide den Zöllner als Vorbild herausstellt. Das Gleichnis, das Jesus erzählt, sieht nicht in erster Linie auf das alltägliche Tun und Lassen, sondern hat eine ganz besondere Situation im Blick: das Gebet! Das Gebet ist ein ganz entscheidender, ja wesentlicher Akt jedes Gläubigen Menschen. Ohne das Gebet geht Glaube nicht!

Immer wieder begegnen wir im Lukasevangelium Jesus als Beter. Wenn er Wunder wirkt oder das Volk lehrt, betet er zuvor. Das Gebet gibt ihm offensichtlich die Kraft für sein Wirken. Jesus verbringt ganze Nächte im Gebet, auch vor seinem Leiden und schließlich betet er im Todeskampf am Kreuz. Jesus ist ein Beter!

Daher verwundert es nicht, dass seine Jünger ihn bitten: ‘Herr, lehre uns beten!‘. Ja, Beten will gelernt sein. Jesus lehrt Beten in ganz unterschiedlichen Formen und Weisen. Er nimmt seine Freunde - und durch die Evangelien auch uns - mit in die doppelte Schule des Gebets. Er lehrt was und wie wir beten sollen. Von ihm haben wir das Vater Unser; er hat es uns vorgebetet! Ich lese auch das heutige Evangelium als Lehrstunde in der Gebetsschule Jesu. Der Pharisäer und der Zöllner gingen zum Tempel hinauf, um zu beten. Beide beten. Doch nur einer macht es ‚richtig‘: der Zöllner! Er ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht.

Der Pharisäer spricht ein sehr ausführliches ‚Gebet‘, viele seiner Verdienste zählt er auf, vieles, worauf er sehr stolz ist. Er lobt sich selbst und schaut verächtlich auf die Sünder herab, auch auf den Zöllner. Doch diese lange Rede des Eigenlobs und der Überheblichkeit kommt offensichtlich bei Gott nicht gut an. Der Zöllner hingegen spricht nur ganz wenige Worte. Er erniedrigt sich vor Gott in ehrlicher Weise und bittet ganz schlicht und kurz um Erbarmen: ‚Gott, sei mir Sünder gnädig!‘ Das ist Gebet. Das ist Menschenwort, das aus dem zerknirschten Herzen kommt und direkt in Gottes Ohr dringt, Gottes gnädiges Herz anrührt und Erhörung findet.

Es gibt natürlich ganz viele andere Formen: Bittgebete, Dankgebete, Stoßgebete, Lobgebete; in Gemeinschaft oder alleine; große Liturgien, ganz festlich gestaltet und die schlichte Andacht, natürlich auch die Tagzeitenliturgie und vieles mehr. Im Angesicht des heutigen Evangeliums muss ich jedoch vor allem an das Ruhegebet (Hesychasmus) denken. Nicht nur uns Mönche fasziniert die Schlichtheit und Tiefe des Ruhegebetes. Viele Beterinnen und Beter auch außerhalb der Klöster praktizieren das Herzensgebet, das nur den Namen Jesu kennt und die Bitte um Gottes Gnade: ‚Jesus - erbarme Dich meiner.‘

In äußerer Stille innere Ruhe in Gott zu finden, das ist ein Geschenk, eine Erfahrung der Liebe und Barmherzigkeit Gottes mitten im Alltag hier auf Erden. Mir scheint der Zöllner hat genau das erfahren. Er ging gerechtfertigt nach Hause zurück. Das Evangelium lädt uns dazu ein, diese Erfahrung auch zu machen, indem wir es dem Zöllner gleichtun, vor Gott hintreten und ganz still mit nur wenigen Worten um Erbarmen bitten: ‚Jesus - erbarme Dich meiner.‘“

Pater Matthias und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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