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Nachfolge und Totalverzicht

04. September 2022

„Eine unangenehme, frohe Botschaft: ‚Wenn jemand zu mir kommt, und nicht Vater und Mutter … geringachtet, … nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet‘ – das sind die eindeutigen Worte Jesu -, ‚dann kann er nicht mein Jünger sein‘. Schriftdeuter und Prediger habe sich oft schier das Hirn verrenkt, um diese absolut unzweideutigen Weisungen Jesu irgendwie umzudeuten.

Lasst uns zusammen ins Evangelium schauen! Jesus ist unterwegs in Galiläa. Ganz unvermittelt, abrupt und schroff wendet er sich an die Menschen, die ein Stück des Weges mit ihm gehen. Er sagt nicht nur, man solle seine Familie und sein eigenes Leben ‚gering achten‘ , sondern – so steht es im griechischen Text – sie sogar ‚hassen‘. Wie ist das zu verstehen? Dieser geforderte Hass ist keine emotionale Bosheit oder Heimtücke, sondern bedeutet die Notwendigkeit der Distanz. Es geht um Trennung und damit letztlich um Freiheit. Zur Zeit Jesu war ein Bruch mit den eigenen Eltern oder den Geschwistern gleichbedeutend mit dem Verlust des Lebens – ein solcher Bruch hatte weitreichende soziale Folgen. Die Familie war das soziale Netz der damaligen Zeit, sie war Absicherung und Schutz, und zugleich war durch die Familie der eigene Lebensweg vorgezeichnet, ja begrenzt. Der Beruf war vorgegeben, der Lebenspartner wurde einem zugewiesen. In diesem Lebenskontext haben Jesus schroffe und radikale Worte zwei Seiten.

Jesus bleibt glaubwürdig. Er verschweigt die möglich Folgen nicht! Sein Weg wird nach Jerusalem führen, wo er das Opfer seines gewaltlosen Kampfes für das Prinzip der Liebe werden wird. Sind wir bereit ihm auf diesem Weg nachzufolgen? Wir müssen uns selbst entscheiden. Wir müssen Verantwortung für unsere Lebensentscheidungen übernehmen.

Die beiden Beispiele, die Jesus im heutigen Evangelium aufführt, zeigen uns, was Freisein noch bedeutet. Die Entscheidung zum Turmbau und zum Krieg ist bereits getroffen. Aber die Entscheidung alleine genügt nicht. Es muss auch überlegt werden, wie das Vorhaben auszuführen ist. Die Entscheidung wird nur mit vollem Einsatz zu einer Realität. Das bedeutet zugleich: Wenn die Kräfte und Mittel nicht genügen, dann muss man den eingeschlagenen Weg abbrechen und nach anderen Möglichkeiten Ausschau halten. Und auch das erfordert Mut. Wer gibt schon gerne zu, dass er sich geirrt hat oder nicht weit genug gedacht hat? Es geht also auch um die Freiheit gegenüber sich selbst. Jesus mahnt uns, sich nicht unbedacht in eigene Pläne zu verrennen, sondern frei zu sein und, wenn nötig, umzukehren.

Die Nachfolge Jesu ist kein einfaches Mitgehen. Sie bedeutet Verzicht. Im heutigen Lebenskontext wird dies vielleicht am deutlichsten in der abschließenden Forderung, den eigenen Besitz aufzugeben. Wer frei ist in all seinen persönlichen und materiellen Bindungen, kann sein Leben vollkommen hingeben. Was wäre unsere Welt ohne die Menschen, die aus Liebe loslassen können und verzichten? Menschen im Sozialdienst, die nicht nach der Bezahlung der notwendigen Überstunden fragen. Eltern, die ein behindertes Kind annehmen. Ehepartner, die den anderen auch in schweren Zeiten nicht verlassen. Menschen, die ihrem Gewissen treu bleiben, auch wenn es Nachteile oder sogar Tod bedeutet.

Nachfolge ist eine Herzenssache und der freiwillige Verzicht ist keine Pflicht, sondern eine Frucht der Liebe. Jeder Mensch, der aus Liebe verzichtet, folgt Jesus auf seinem Weg der Liebe.“

Pater Elias und alle Brüder in Tabgha und in Jerusalem wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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