Wir haben Seinen Stern aufgehen sehen!
06. Januar 2019
Predigt von Pater Basilius am Hochfest Epiphanie, Sonntag, 6. Januar 2019, in der Brotvermehrungskirche in Tabgha.
Liebe Schwestern und Brüder,
da sind wir nun endlich alle versammelt an der Krippe: Die Hirten mit ihren Schafen und die knapp 71.000 Menschen, deren Namen auf der großen Rolle standen, die unsere Brüder der Abtei in der Heiligen Nacht nach Bethlehem getragen haben; der Erzmärtyrer Stephanus und die Unschuldigen Kinder von Bethlehem; der Evangelist Johannes und der Märtyrerbischof Thomas Becket und die Kirchenväter Basilius und Gregor. Wir alle stehen um die Krippe.
Und nun, zu guter Letzt, kommen auch die drei Weisen, die „Heiligen Drei Könige“ endlich an. Und mit ihnen: die Welt, die Völker, alle, die bislang nichts mit unserem Gott zu tun hatten. – Wir feiern Epiphanie, das Hochfest der Erscheinung des Herrn: Gott wird den Menschen offenbar. Allen Menschen.
Mehr als ein Echo des Lichtes der Heiligen Nacht
Mit den drei Königen an der Krippe erfährt das Geheimnis der Weihnachtsnacht eine Verstärkung. Mit den drei Weisen erstrahlt das globale und universale Licht der Heiligen Nacht mehr und stärker auf. – Gefühlt ist Weihnachten damit rund und voll, findet ein glanzvolles Ende.
Zugleich aber stehen wir noch im Eingang eines neuen, weltlichen Kalenderjahres. Und anstatt Weihnachten nun als gefeiert zur Seite zu legen, können wir uns ebenso gut den Leitspruch der drei Weisen zu eigen machen: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen…“
Das ist ein Aufbruchssignal. Eine Motivation. Bleibend. Wir sind zeit unseres Lebens unterwegs zu diesem Stern und damit vor allem zu dem, zu dem uns der Stern führen will: zu unserem Herrn – zum Licht, zur Wahrheit, zum Leben.
Unterwegs zum Stern
Einige Aspekte aus dem Tagesevangelium nach Matthäus möchte ich herausgreifen und es wagen, mit ihnen kleine Wegweiser zu setzen für unseren Weg zum Stern im Jahr 2019.
(1) Wach sein und offen bleiben
Die drei Männer werden als Sterndeuter bezeichnet. Das bedeutet ganz banal, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes wache Geister sind, denn Sterne beobachtet man vor allem nachts. Wer zu den Sternen schaut, der schaut über den eigenen Horizont hinaus. – Zwei Dinge, die konkret und praktisch verstanden werden können, die aber weiter und tiefer reichen.
Sterndeuter in der antiken Welt waren vor allem gute Mathematiker und Naturwissenschaftler, denn sie beobachteten die Gestirne, führten Listen, erkannten Muster und Regeln. Zugleich waren diese drei anscheinend auch offen für Größeres. Man könnte vielleicht sagen, sie waren Naturwissenschaftler mit einem geistlichen Interesse. – Und wie gut stünde es unserer Kirche auch in unserer Zeit an, dass sie in ähnlicher Weise umgekehrt offen wäre für die Naturwissenschaften und ihre Erkenntnisse. – Wach und offen bleiben.
(2) Reisende sein und sich bewegen lassen
Die drei Weisen waren jedenfalls offen und neugierig genug. Und deshalb haben sie sich auch auf den Weg gemacht, haben sich bewegen lassen. Sie wussten, dass sie selbst nicht die Mitte der Welt und des Kosmos sind; dass sich nicht alles nur um sie dreht; dass sie, wenn sie wirklich wichtiges sehen und erkennen wollen, sich auf den Weg machen müssen, dass sie Reisende sein müssen.
Auch das gilt für unsere Gemeinschaften und Kirchen nicht mehr als für jeden Einzelnen von uns: Bewegen lassen.
(3) Von Königen - und Königen...
Im Volksmund nennen wir unsere drei Reisenden die „Drei Heiligen Könige“. Und diese drei Könige kommen zu König Herodes und sagen, sie seien nach Jerusalem gekommen, um den neugeborenen König der Juden zu sehen und um ihm zu huldigen. – Sie kennen die Spielregeln der Welt, Könige zu Königen, daran halten sie sich. Zunächst.
Aber sie bleiben auch hier offen und kritisch. Die Könige dieser Welt, die Mächtigen und die Schönen und die Reichen dieser Welt, das ganze Jerusalem, das mit König Herodes erschrocken war – das sind in der Regel nicht die, die wirklich wichtig sind, bei denen Licht und Wahrheit und Leben zu finden sind.
Macht und Glanz, Pomp und Gedöns, sie spielen auch in unserer Zeit noch eine große Rolle. – Unsere drei Könige aber lassen sie liegen und ziehen weiter.
(4) Der König zwischen Stroh und Mist
Und unsere Könige kommen schließlich zu dem König, um den es geht: Klein und tief, gebückt und unscheinbar, zwischen Ochs und Esel, zwischen Stroh und Mist.
Bei all unserer Krippenromantik, mit der wir uns zu Weihnachten gerne umgeben, sollten wir uns immer und immer klar machen, dass Menschwerdung mit dem erbärmlichen und einfachen Alltag zu tun hat, so einfach und erbärmlich und alltäglich er nur irgendwie sein kann. Durchaus schön, aber eben alltäglich.
(5) Wo Gott wirklich Mensch wird...
Mehr noch: Diese Gruppe, wie sie nun um die Krippe mit dem Jesus-Kind versammelt ist, das ist eine Ansammlung von Außenseitern und Sonderbiographien: eine minderjährige Mutter in Begleitung eines viel zu alten Ehemanns, ganz zu schweigen von dem Kind in ihrer Mitte.
Sie kennen vielleicht auch diese Karikatur, was denn wohl von der Krippe übrigbleiben würde, wenn man gemäß den politischen Idealvorstellungen einiger verquerer Zeitgenossen alle Juden und Orientalen, alle Flüchtlinge und Ausländer aus der Krippe entfernen würde: nur noch Ochs und Esel.
Aber in der Heiligen Krippe sind alle diese besonderen und liebenswürdigen Menschen versammelt, dazu noch Ochs und Esel, Mist und Stroh, Stink und Poop. – Und genau das ist auch die Kirche, in die unser Herr hinein immer wieder neu Mensch wird.
(6) Die Gaben für einen großen Kleinen
Unseren drei weitgereisten Königen macht das ganz offenbar überhaupt gar nichts aus. Sie fallen auf die Knie und beten an, sie erkennen Licht und Wahrheit und Leben zwischen Stink und Stroh. In diese Bruchstücke und Fragmente menschlichen Lebens legen sie ihre Gaben. – In Japan gibt es eine kunstvolle Technik, zerbrochene Keramik mit Gold zu reparieren: Die Risse werden nicht einfach gekittet und versteckt, sie werden geadelt und dadurch geheilt.
Gold, Weihrauch und Myrrhe sind nicht einfach die Gaben der Großen für einen Großen. Es sind die Gaben für einen, der sich klein gemacht hat, der zutiefst klein ist, weil er mit den Kleinen ist, mit ihnen teilt: ihr Elend und ihre Schuld, aber auch Sein Leben und Seine Liebe.
(7) Andere und neue Wege
Je mehr wir das erkennen und verinnerlichen, umso mehr können wir es auch dann den drei Weisen gleichtun: Nicht mehr auf die alten Wege zurück gehen, nicht mehr zurück zu König Herodes und dem ganzen Jerusalem, das mit ihm ach so schrecklich erschrocken ist.
Je mehr wir unsere Risse und Brüche vom Gold der Liebe Gottes heilen lassen, umso leichter wird es uns auch fallen, von alten und falschen Sicherheiten abzulassen, Umwege, Irrwege und Sackgassen auch als solche zu erkennen – und neue Wege einzuschlagen. Wie die drei Weisen.
Auf dem Weg mit dem Stern zum Herrn
Wir haben seinen Stern aufgehen sehen. Auch dieses Jahr neu in der Weihnachtsnacht. So oft in den Nächten unseres Lebens. – Bleiben wir wach und offen und machen wir uns auf den Weg. Lassen wir uns dabei nicht vom Gewohnten täuschen und blenden, sondern bleiben wir bereit, auch Neues und Ungewohntes zuzulassen.
Auf dem Weg zum Stern der Wahrheit und des Lebens, auf dem Weg mit Jesus Christus brauchen wir keine glänzenden Fassaden, ehrliche Risse und Brüche sind besser, denn in ihnen kann Er selbst das Gold Seiner Liebe einbringen.
Der Mist und Poop unseres Alltags stören den König der Könige nicht, denn wie Weihrauch steigen unsere Not und unsere Gebete zu Ihm auf. Und Er wird immer wieder den Mächtigen dieser Welt zurufen: „Ich habe das Elend meines Volks (…) gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. […] Ich werde sein, der ich sein werde.“ (Ex 3,7.14)
Und ER wird immer der sein, der IST, mit uns, unter uns, bei uns. Immanuel. Auch in der tiefsten Einsamkeit und Kälte des Todes. Mit der Myrrhe Seiner Barmherzigkeit salbt Er uns, damit wir leben, in IHM und mit IHM und durch IHN.
Wir haben Seinen Stern aufgehen sehen und machen uns auf den Weg um Ihm zu huldigen.
Denn ER hat sich auf den Weg zu uns gemacht.