Wie Gott zu uns Menschen kommt - und wir zu uns selbst.
20. Januar 2019
Predigt von Pater Basilius am 2. Sonntag im Jahreskreis, Sonntag, 20. Januar 2019, in der Brotvermehrungskirche in Tabgha.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß nicht, ob Sie sich schon einmal die Freude gemacht haben, einer Debatte des britischen Unterhauses zu folgen. In den vergangenen Tagen, als es einmal mehr um den Brexit ging und das Misstrauensvotum gegen die Regierung May, habe ich verschiedene dieser Debatten verfolgt. – Das lohnt sich!
Gegenüber den Debatten in unseren deutschen Parlamenten hat sich hier eine völlig andere Parlamentskultur entwickelt: lauter, emotionaler, physischer – aber keineswegs ungeordnet.
Dafür sorgen zum einen jahrhundertealte Bräuche, wann wer wie was rufen darf oder sitzt oder steht oder was auch immer.
Zum anderen ist in diesem scheinbaren Chaos vor allem ein Parlamentarier wichtig, der gerade in diesen Tagen wieder viel Medieninteresse erfuhr: John Bercow, der Speaker, also der Vorsitzende und Sitzungsleiter.
Der Mann trägt nicht nur bemerkenswerte und bunte Krawatten. Vielmehr begeistert er durch eine ausgesprochen souveräne Sitzungsleitung: überparteilich und vor allem im Dienst einer ehrlichen und fairen Debatte.
Mit britischem Humor und einer durchdringenden Stimme ermahnt und maßregelt er alle Parlamentarier, gleich ob Regierungsmitglied oder Hinterbänkler, Frau oder Mann: „Ooordeeeeer!“, ruft er immer wieder. Und alle folgen ihm und seinen Anweisungen und hören auf seine Kommentare.
Vom House of Commons in den Hochzeitssaal zu Kana
Wir sind hier und heute natürlich nicht im House of Commons, sondern in der Brotvermehrungskirche in Tabgha und – zumindest im übertragenen Sinne – im Hochzeitssaal von Kana.
Emotional und laut geht es da sicher auch zu, wie bei allen Feiern und Festen, zumal hier im Orient. Aber auch hier kommt es heute aufs Hören und Folgen an: „Was er euch sagt, das tut!“, sagt Maria zu den Dienern, als sich das Drama um den ausgehenden Wein entwickelt.
Auf IHN schauen und hören...
Damit haben wir schon einen Schlüssel für dieses Evangelium und für unser Leben überhaupt in der Hand:
Es mag noch so laut und turbulent in unserem Leben zugehen, wir mögen vor Fragen und Nöten und Problemen stehen, es mag Traditionen und Erwartungen geben – an allem Anfang und in allem Ende sollte und kann unser Blick auf Christus gehen. Schlicht und einfach. – Sólo Dios basta!, Gott alleine genügt, sagt Theresa von Avila.
Was dann geschehen kann, wenn man auf IHN schaut und auf IHN hört und IHM vertraut, das führt uns die Hochzeit von Kana auf verschiedenen Ebenen vor. Diese Hochzeit gehört noch in eine Reihe mit dem Hochfest der Erscheinung des Herrn, das wir am 6. Januar gefeiert haben, und der Taufe des Herrn, das wir am vergangenen Sonntag gefeiert haben: Alle drei Festgeheimnisse zeigen wie eine Verstärkung des Weihnachtsfestes, dass und wie Gott bei uns Menschen ankommt, wie ER selbst sich in unserem Leben zeigt.
Vertrauen
Die Hochzeit von Kana und das Weinwunder sind zunächst einmal von einer Grundhaltung des Vertrauens geprägt:
Bei einer Hochzeit geht es ja im Kern darum:
- dass zwei sich einander anvertrauen;
- dass sie sich trauen, den Weg durch das Leben zusammen zu gehen;
- dass sie einander trauen wollen in den berühmten guten und schlechten Tagen;
- dass sie vertrauen;
- dass sie lieben.
Vertrauen hat offensichtlich auch Maria in ihren Sohn, als sie Ihm die Geschichte mit dem ausgehenden Wein anvertraut, damit Er sie löse. – Oder dürfen wir hier sogar schon von Glauben sprechen? – Maria fordert die Diener zu Gehorsam und Folgsamkeit auf, was diese auch ohne Fragen tun.
Wir wissen nicht, in welchem Verhältnis Maria und Jesus zum Haushalt des Bräutigams stehen, warum sie Weisungsbefugnis über die Diener haben sollten. Aber die Diener folgen, zeigen ihr professionelles Vertrauen: vom Befüllen der Krüge über die Weitergabe der Kostprobe bis hin zur Diskretion über das, was sie erlebt haben.
Vertrauen und Rückfragen spielen dann auch eine Rolle bei all dem, was sich um den Speisemeister ereignet, als er mit dem neuen Wein konfrontiert wird.
Von den Jüngern heißt es schließlich am Ende, dass sie an IHN, an Jesus, glauben.
Hören und folgen, glauben und vertrauen, lieben. – So kommt die Wirklichkeit Gottes bei uns Menschen an. So kommen wir Menschen bei uns selbst an.
Zurückhalten oder geben
Eine andere Sichtweise auf uns Menschen und unseren Umgang miteinander zeigt sich im Blick auf den Speisenmeister. Erinnern Sie sich noch an seinen Vorwurf an den Bräutigam: Du hast den guten Wein bis jetzt aufgehoben, hast ihn zurückgehalten!
- Was halten wir so alles zurück?
- Geben wir immer das Gute, wenn es darauf ankommt?
- Geben wir nur vordergründig das Gute oder Beste, und dann, wenn es keiner mehr merkt wie die betrunkenen Gäste bei der Hochzeitsfeier, nur noch das Minimum?
Anders:
- Wie offen und ehrlich sind wir im Umgang miteinander?
- Wo liefern wir Schauspiel und Fassaden?
- Wo schauen wir mehr oder ausschließlich auf uns und unsere Bedürfnisse?
- Wo sind wir bereit, auch offen und ehrlich zu geben und zu teilen, zu schenken statt zurückzuhalten?
Denken wir an die Verse aus dem Korintherbrief über die verschiedenen Kräfte und Gaben, die Gott den Menschen schenkt: „Jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“, (1Kor 12,4).
Als der Herr bei der Hochzeit zu Kana gibt, da gibt er alles und vieles und noch viel mehr, in Fülle und Überfülle und nur das Allerbeste.
So, auch so, kommt die Wirklichkeit Gottes bei uns Menschen an. Vielleicht kommen auch wir Menschen so bei uns selbst an.
Putzwasser
Noch ein weiteres: Eine Hochzeit ist für gewöhnlich eine Hoch-Zeit, eine hohe und wichtige und wertvolle Zeit – für die beiden, die sich verbinden, und für alle, die sich mit ihnen freuen und die mit ihnen feiern. Da ist der beste Wein nur angemessen.
Der Wein dieser Hochzeit aber war Wasser, alltäglich, zum Leben gehörend, zum Leben notwendig. Man kann fast noch einen Schritt weiter gehen: Dieses Wasser und die Steinkrüge, in die es gegossen wird, die gehören zu den rituellen Reinigungen der jüdischen Tradition. Reinigung des Leibes, damit Reinigung der Seele. – Es ist in diesem Sinne noch nicht einmal zum Trinken bestimmtes Wasser. Es ist – und das ist keineswegs respektlos gemeint – Putzwasser.
Das Alltägliche und Leben prägende, das Notwendige und Helfende, das Putzwasser – es wird durch Christus, durch das Hören auf Ihn, durch Vertrauen in Ihn und zueinander, in Glaube und Liebe zum Wein der Hochzeit.
Das Kleine und Normale wird groß und wertvoll.
Die Brexit-Debatten im House of Commons sind vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie laut und wichtig wir uns so oft tun: in Worten und Gesten, mit unseren Meinungen und Erfahrungen, in der Wahrnehmung der Anderen und von uns selbst. Superlative. – Order! Order. Putzwasser…
Weil Gott bei uns ankommen will
Auch so und vielleicht vor allem so kommt Gottes Wirklichkeit und Herrlichkeit bei uns Menschen an:
Wenn wir es wagen auf den Herrn selbst zu hören und zu tun, was er uns sagt.
Wenn wir glauben und hoffen, wenn wir lieben und vertrauen. IHM und untereinander.
Wenn wir in Wertschätzung und Dankbarkeit auch das Kleine und Normale annehmen können.
Vielleicht auch mal still und ohne Hochzeitsmarsch.
Wie einen Schluck Wasser aus einem Steingefäß.
Unmittelbar und einfach.