Weißer als Schnee...
17. März 2019
Predigt von Pater Basilius am Zweiten Fastensonntag, Sonntag, 17. März 2019, in der Brotvermehrungskirche in Tabgha.
Liebe Schwestern und Brüder,
Ich möchte Sie zu einer kleinen Gedankenreise einladen. Stellen Sie sich bitte eine Gebirgslandschaft an einem Wintertag. vor Es ist heller Tag, keine Wolken am Himmel. Alles ist dick eingeschneit. Sie sind alleine dort, fernab jeder Siedlung. Sie sind warm angezogen, aber es ist kalt, eiskalt, auch wenn kein Wind weht. Kein Geräusch ist zu hören. Absolute Stille. Nur Sie alleine in dem leuchtend weißen Schnee. Was empfinden Sie?
Und lassen Sie uns noch einen Schritt weitergehen: Es ist Nacht in der gleichen Landschaft, eine eiskalte und klare Nacht. Selbst jetzt leuchtet der Schnee, wie angehaucht vom Mond und den Sternen. Immer noch absolute Stille.
Eine Freiheit und eine Eindeutigkeit, wie wir sie in unserem lauten und umtriebigen Alltag wohl eher selten erleben. Eine Reinheit, wie sie unsere Seele vielleicht ersehnt, aber nur selten erfährt: „Entsündige mich mit Ysop, so werde ich rein, wasche mich, so werde ich weißer als Schnee“, betet Psalm 51. – Rein und weißer als Schnee.
Unsere Gedankenreise mag nur ein schwaches Bild sein für das, was uns im Evangelium von der Erklärung geschildert wird. Der zitierte Vers aus Psalm 51 kann uns aber vielleicht als Brücke dienen, warum es gut ist, dass wir uns noch relativ am Beginn der Fastenzeit mit dem Geheimnis der Verklärung beschäftigen. – Und wir lassen dabei die Fragen der Exegeten außer Acht, ob die Verklärung auf dem Tabor oder auf dem Hermon war, ob es tatsächlich ein vorösterliches Ereignis ist oder doch eine gewissermaßen nachträglich zurückdatierte Erfahrung schon mit dem Auferstandenen.
Lassen Sie uns an diesem Sonntagmorgen wie mit der Brille des Psalmbeters auf das schauen, was das Evangelium vor uns aufbaut. Schauen wir auf Jesus und Seine Jünger mit der Sehnsucht des Psalmbeters nach Heil und Licht, ja nach lichtem Glück.
Aus dem Tal des Alltags sind sie hinaufgestiegen auf den Berg. Was da geschieht, geschieht im Rahmen des Gebetes, in der besonderen Hinwendung zu Gott, in der bereitwilligen Öffnung für Gott in meinem Leben.
Gipfelmomente
Nicht, dass das Tal und der Alltag schlecht oder gar gottesfern wären: Jeder Atemzug und jeder Schritt Jesu zeigen uns doch, wie sehr Gottes Gegenwart unter den Menschen gerade im Alltag aufleuchten will. Gleichzeitig aber gibt es diese besonderen Berg- und Gipfelmomente in unserem Leben. Und die Österliche Bußzeit will uns wieder neu dafür sensibilisieren, will uns ermutigen, solche Momente zu suchen und zu wagen.
Deshalb ist es gut, wenn wir an diesem Zweiten Fastensonntag mit Jesus und Seinen Jüngern auf den Berg steigen. In die Stille. In die Einsamkeit. In das Licht.
Gottes Treue hinterlässt Spuren auch in meinem Leben
Gottes Licht und Heil begleiten die Schöpfung, begleiten die Menschen schon seit Anbeginn. Werbend und suchend, mal eifrig-donnernd, mal leise und säuselnd. Auch dafür mögen Mose und Elia, die beiden Titanen des Alten Bundes stehen:
Gott lässt Sein Volk nicht alleine, Gott lässt Sein Volk nicht fallen. Er war und ist und bleibt. Er war und ist und bleibt bei uns, mit uns, vor uns und hinter uns, unter uns und über uns.
Sich der Geschichte Gottes mit Seinem Volk, Seiner Liebe und Treue, immer und immer zu erinnern, sich auch der Gegenwart Gottes im eigenen Leben immer und immer wieder bewusst zu werden – auch dafür ist es gut, wenn wir an diesem Zweiten Fastensonntag mit Jesus und Seinen Jüngern auf den Berg steigen. Um Mose und Elia und unsere eigene Geschichte mit Gott zu treffen.
Mut und Vertrauen zum Abstieg
Wenn wir Gott auf diese Weise einmal gefunden haben, wenn wir Seine Spuren in unserem Leben erkannt haben, wollen wir sie vielleicht festhalten.
Das einmal erfahrene Glück und Heil wollen wir nur ungern verlassen. Wir möchten bleiben, möchten Hütten bauen.
Aber wir können nicht auf dem Berg bleiben.
Jesus selbst bleibt ja nicht. ER kommt vom Berg der Verklärung wieder ins Tal des Alltags.
ER bleibt nicht tot auf dem Berg der Hinrichtung, sondern steigt noch tiefer.
ER bleibt nicht in der Höhe Seiner Gottheit, sondern steigt tiefer und tiefer: Nimmt Fleisch an und wird Mensch. Erfährt Hunger und Versuchung, durchlebt Zärtlichkeit und Zorn, öffnet sich in Barmherzigkeit und Mitleid. Leidet selbst. Wird einsam und steigt immer tiefer hinab. In eine finstere Einsamkeit, in eine beißende Kälte, in ein klirrendes Schweigen. „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Ps 22,1).
Ja, auch dafür ist es gut, wenn wir an diesem Zweiten Fastensonntag mit Jesus und Seinen Jüngern auf den Berg steigen. – Denn wir, wir alle, können nicht auf dem Berg bleiben. Und auch Mose und Elia sprechen mit Jesus über Sein Ende in Jerusalem.
Jesus, auf den wir schauen und auf den wir hören
Aber Jesu Ende in Jerusalem ist nicht Sein wirkliches Ende. In Wahrheit ist es ein neuer Beginn, weil es nach diesem Ende kein Ende mehr gibt. Auch für uns. Jesus steigt für und zu uns herab. Immer und immer wieder. So tief, wie Er nur irgend muss, um uns zu finden und an der Hand zu nehmen und neu aufzurichten.
„Entsündige mich mit Ysop, so werde ich rein, wasche mich, so werde ich weißer als Schnee“, betet Psalm 51.
Jesus selbst ist es, Der uns entsündigen will und reinigen und waschen. „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“, hören wir mit den Jüngern heute auf dem Berg.
Und es ist gut, wenn wir an diesem Zweiten Fastensonntag mit Jesus und Seinen Jüngern auf den Berg steigen, damit wir es immer und immer wieder hören: „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“
Damit auch wir rein werden und leuchten
Der leuchtende Schnee in der reinen und freien Winterlandschaft in unserer Fantasiereise zu Beginn war uns ein Bild für das Leuchten, die Reinheit und die Freiheit, von der uns auch das Evangelium der Verklärung erzählt. – Dieses Leuchten, diese Reinheit und diese Freiheit, die sind aber kein Privileg Jesu, das Er für sich behält.
„Wasche mich, so werde ich weißer als Schnee.“ – Der Ruf des Psalmbeters wird in Jesus, auf den wir schauen und hören, Wirklichkeit auch in unserem Leben. Bruchstückhaft und anfanghaft vielleicht nur. Aber doch wahr und wirklich.
Das ist die große Verheißung des Verklärungsgeheimnisses: Gottes Licht, Gottes Heil ist wahr und wirklich, ist in unserem Leben dort zu finden, wo wir den Spuren Jesu folgen. Auf den Berg und wieder hinunter. Mit dem Leuchten Gottes in unserem Herzen.
Wir haben den Zweiten Fastensonntag. Und wir stehen auf dem Berg der Verklärung. Und das ist gut so.
Und unser Weg geht weiter.