Zeichen dienender Liebe
01. Dezember 2008
Predigt von Abt Benedikt Lindemann OSB bei einer Gebetsstunde im Abendmahlssaal im Rahmen der Ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen zu Joh 13,1-15 (Januar 2003)
Excellenzen, liebe Schwestern und Brüder!
Woran dürfen wir uns halten, woran glauben, worauf hoffen in dieser Zeit des Leidens? Was gibt uns den Mut zum Leben? Der Apostel Paulus bringt die Wahrheit unserer menschlichen Existenz im 2. Korintherbrief auf den Punkt: "Wir sind zerbrechliche Gefäße" - auch wir Christen der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften hier in Jerusalem! Vor jedem Dialog, vor jeder Ermahnung, vor jeder Anschuldigung, Beurteilung und Ver-Urteilung muss die Besinnung auf sich selbst vorausgehen: Ich bin zerbrechlich, begrenzt, schwach, sündig, fehlbar, nicht perfekt!
Bevor wir in unserer Unterschiedlichkeit der Theologien, Riten und Liturgien miteinander beten, sprechen, Friedensgrüße austauschen oder Mahl halten können, muss sich jeder dieser ehrlichen Realität stellen. Denn die wahre Demut besteht im ehrlichen Bekenntnis: "Ja, ich bin ein Sünder!" Das gilt für einen jeden von uns individuell - und das gilt ebenso für jede Kirche und Gemeinschaft. Und doch gilt auch dies als wahre Seite unseres Lebens, wenn Paulus sagt, dass wir "die Erkenntnis des Göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi" als Schatz in uns tragen.
Darin besteht ja das unfassbare, unbegreifliche Geheimnis: Ich Sünder werde von Gott gewürdigt; die sündige und zerrissene Kirche ist von Gott gewürdigt! Diese Würde, die Gott uns verleiht, verpflichtet jeden Gläubigen und insbesondere die Leiter der Kirchen! Sie verpflichtet alle Gläubigen, für die Einheit des Leibes Christi einzutreten. Die wahre Demut dokumentiert Christus Selbst: "Ja, ich bin ein König, weil ich Gottes Kind bin! Ja, ich bin der Diener aller und wasche den Anderen die Füße!" Die Fußwaschung Jesu ist das Signal, dass die dienende Liebe und das Mahl der Liebe zusammengehören. Mit Christus beten wir zum Vater für die Einheit und den Frieden!
Fußwaschung als Einheit stiftendes Zeichen... Ich träume davon: Was wäre das für ein Zeichen der Hoffnung, von Einheit und Frieden, wenn die Patriarchen und Oberen der Kirchen in Jerusalem hier im Abendmahlssaal einander die Füße wüschen - wie Jesus: aus Liebe! Nicht weil theologisch alle einig wären, sondern weil die Liebe größer ist als alle Vernunft! Nächstes Jahr, hier in diesem Raum, vereint und gestärkt durch das Gebet aller Gläubigen! Ich rufe die Patriarchen und Bischöfe auf, das Zeichen der Hoffnung zu wagen! Folgt Jesus nach und tut, was Er sagt:
"Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen!" (Joh 13,14).
Stärkt die Gläubigen nicht nur mit Worten, sondern mit dem Zeichen dienender Liebe. Ich rufe Euch auf im Namen Christi: Macht den Menschen Mut durch Euer Vorbild! Es wäre das Entzünden eines Lichtes im Dunkel unserer Zeit, ein Licht, das Richtung weist und Orientierung schenkt, denn unser aller Ziel ist das Licht der Liebe.
Ich behaupte nicht, dass dieses Zeichen die Kirchen oder gar die Welt verändert. Das steht nur Gott zu! Denn - so lesen wir im 2. Korintherbrief - "das Übermaß der Kraft kommt von Gott und nicht von uns!" Aber nur im gemeinsamen Blick auf Christus, nur im Tun, wie Er tat, kann Sein Gebet um die Einheit Frucht tragen. Ohne unsere Herzensbereitschaft geht es nicht!
Kritiker könnten nun sagen: Was kann ein solches Zeichen schon für Konsequenzen für den Alltag der Menschen bringen? Schwestern und Brüder! Es geht nicht in erster Linie darum, was es für Konsequenzen bringt. Das wäre ein Nutzdenken. Nein, eine solche Zeichen-Handlung der Kirchenoberen wäre in sich ein Gebet an Gott um die Einheit des Leibes Christi! Je weiter man in der Hierarchie nach oben steigt, umso mehr wächst die Verantwortung für die Einheit, die tätige Liebe und den Frieden.
Ein solches Zeichen der Fußwaschung würde nicht einmal den status quo stören! Ein solches Zeichen der Liebe unter den Kirchen ließe sich wie folgt definieren: Einander zeigen, dass Du liebens-würdig bist, Du in und mit Deiner Kirche! Ich glaube und ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Christus geoffenbart hat! Das ist meine Hoffnung! Hoffnung - so sagt einmal Vaclav Havel, der scheidende Präsident der Tschechischen Republik - "ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht."
Die Hoffnung hat ihren Sinn, weil Christus unsere Hoffnung ist. Er ist der Sinn unseres Lebens - auch der Sinn der Kirche. Er gibt uns den Mut, zu lieben, wie Er geliebt hat. Unser Beten um Einheit und Frieden ist nutzlos und reines Lippenbekenntnis, wenn nicht Taten folgen! Geist Gottes ist Wort und Tat! Geist Gottes - Pfingsten - ist Wort und Tat!
Ich rufe die Verantwortlichen der Kirchen auf: Stärkt und nährt die Gläubigen mit Christus, dem königlichen Diener aller, denn Ihm allein gebührt die Ehre, jetzt und in Ewigkeit!
Amen.
+ Abt Benedikt Lindemann OSB