Gott vertrauen!
19. Dezember 2010
Predigt von br. thomas w. geyer osb am Vierten Adventssonntag 2010, in St. Godehard/Hildesheim
Eine Zumutung! Eine Zumutung für Josef, den Verlobten Mariens! Sie waren noch nicht zusammenkommen, wie es im Matthäusevangelium heißt, da stellte sich unbestreitbar heraus: Seine von ihm Geliebte und Verlobte erwartet ein Kind.
Josef gerät in eine existentielle Krise. Was soll er nun machen? Die Leute reden schon darüber! Wer ist der Vater des Kindes? Soll er sich von ihr, Maria, im Stillen trennen, um sie nicht bloßzustellen?
Die orthodoxe Ikonographie hat sich dieser Situation auf ganz menschliche Weise angenommen. Auf einer Weihnachtsikone liegt Maria im Zentrum, umgeben von Engeln und Heiligen. Am unterem Rand aber sitzt Josef, das Kinn in die Hand gestützt, der Blick voller Zweifel und Fragen.
Josef, der gerecht war... (Mt 1,19)
Das heutige Evangelium bezeichnet ihn als Gerechten, als Sadik – wie es im Hebräischen heißt. Und der Sadik war wie Abraham ein von Gott Gerufener und Berufener, ein Gottesfreund. Es geht also bei Josef nicht nur um eine rein menschliche Beziehung, die ihn enttäuscht, sondern auch darum, ob er Gott noch trauen und vertrauen kann.
Aber zu allen diesen Fragen äußert sich Josef nicht. Er sagt kein Wort! Es sind Stunden der Prüfung – wie einst beim Vater Abraham oder auch in unserem Leben – in denen er mit seinen Fragen und Zweifel allein gelassen wird.
Fürchte dich nicht!
Im Traum begegnet ihm ein Engel, ein Bote Gottes, mit der Zusage: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“ Dieser Gottes-Zusage aus dem Traum muss und darf er nun vertrauen, denn ausdrücklich hieß es: „Fürchte dich nicht!“ Auch bei der Verkündigung des Engels an Maria hieß es: „Fürchte dich nicht!“ und noch einmal an die Hirten auf den Feldern Betlehems: „Fürchtet euch nicht!“
Es ist jeweils eine Einladung an die Betroffenen, dem Wort Gottes zu trauen und zu vertrauen. Und gerade das ist es, was nun Josef tut und was den Gerechten, den Sadik auszeichnet.
Er versteht zwar nicht, was da alles passiert ist, aber er riskiert es, sein ganzes Vertrauen auf Gott zu setzen. Ohne viel zu fragen oder erklärt haben zu wollen, geht er seinen Weg, tut er das, was getan werden muss. Ihm ist im Glauben bewusst geworden: Gott hat in mein Leben und meiner Beziehung zu Maria eingegriffen.
Gott will auf ungewohnte Weise Mensch werden. Josef selbst aber wird die vornehme Aufgabe übertragen, dem Kind einen Namen zu geben: „Ihm sollst du den Namen Jesus – der Herr rettet – geben.“ Damit wird ihm das Sorgerecht es Kindes übertragen, das aus Maria geboren werden wird. Der Name des Kindes wird darüber hinaus zum Programm: „Denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“
Tun, was zu tun ist!
Josef, der in der Weihnachtsikone am äußersten Rand sitzt, rückt heute für einen Augenblick mit seinem Gottvertrauen in das Zentrum der Geschichte der Menschwerdung. Vielleicht ist es das, was wir von Josef lernen können: Gottvertrauen meint, einfach zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle das tun, was getan werden muss. Ohne viel zu fragen, „Ja!“ sagen und darauf vertrauen, dass der Name des Kindes auch Immanuel heißen wird: „Siehe die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben.“ Immanuel – mit uns ist Gott, auch wenn wir vor scheinbar unlösbaren Fragen und Problemen stehen. Vertrauen wir auf Ihn, Immanuel – Mit uns ist Gott!
Amen.