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Gnade, Frömmigkeit, Eintracht und Liebe!

26. Dezember 2010

Predigt von Br. Samuel Elsner OSB am Fest der Heiligen Familie (26. Dezember 2010), in St. Godehard/Hildesheim

Gnade, Frömmigkeit, Eintracht, Liebe!

Dies, liebe Schwestern und Brüder, sind die zentralen Worte, die im heutigen Tagesgebet zum Fest der Heiligen Familie im Mittelpunkt standen:

„Gib unseren Familien die Gnade, dass auch sie in Frömmigkeit und Eintracht leben und einander in der Liebe verbunden bleiben.”

Gnade, Frömmigkeit, Eintracht und Liebe - Begriffe, die man leicht abtun kann:
Ja, das gehört halt zu Weihnachten irgendwie dazu.... Eine Idylle, die sich über den Festgehalt von Weihnachten gießt, und – wenn wir ehrlich sind – doch eher moralisch auf uns wirkt, weil sie auch unsere Grenzen berührt....

Ich möchte Sie aber einladen, diese Worte im Hinblick auf das Fest der Heiligen Familie näher zu betrachten im Wissen darum, dass die Heilige Familie wie jede andere Familie auch mit ihren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte:

Gnade

Das erste Wort ist Gnade. – Im Herkunftswörterbuch nachgeschaut, assoziieren wir doch beim Hören dieses Begriffes genau jene Erklärung:
Die Bedeutungsgeschichte des Wortes „Gnade“ im germanischen Sprachbereich ist weitgehend durch den Inhalt des christlichen Gnadenbegriffes bestimmt worden: göttliche Hilfe, göttliches Erbarmen, göttliches Mitleid....
Dabei ist der Begriff im weltlichen Sinne bereits vor der Christianisierung bei den Germanen vorgeprägt worden: Gewährung von Schonung, Milde, Mitleid gegenüber einem besiegten, einem Verurteilten, einem Untergebenen.

Wir kennen aber auch das Gnadenbrot, die Gnadenfrist, den Gnadenstoß -Begriffe, die aus dem 17./18. Jahrhundert kommen. – Wir wünschen einander eine „gnadenvolle Weihnacht“! Was meinen wir damit, wenn wir das einander wünschen? Vertrauen wir auf diese göttliche Hilfe, dieses göttliche Erbarmen? Sollte Gott – mit Recht – Mit-leid mit uns haben???

In diesen Tagen gehen meine Gedanken oft in das Heilige Land. Ja, es mischt sich Heimweh in die winterliche Stimmung, die mich umgibt.
In Israel ist die Weihnachtsstimmung komplett anders:
Eher biblisch: Der Regen lässt alles grünen, die Natur fängt an zu blühen nach heißen Sommermonaten, die Erde tut sich auf „mitten im kalten Winter“ – wie wir singen. Weihnachten in Israel ist reduziert auf das Wesentliche: den Gnadenmoment Gottes, das uns geschenkte Kind. Wir betrachten es in unserer Krippe, nicht nur hier am Seitenaltar, in unserer Krippe, in unserer inneren Herberge: da ist Gott voller Gnade Mensch geworden. In unserer inneren Herberge erhoffen wir göttliche Hilfe, für unsere Wege des Lebens....
Gnade heilt; sie macht heil und heilig.
Unser singen und beten an Weihnachten – ist es nicht der Schrei nach Gottes Gnade, nach bedingungslosem unverlierbarem Angenommensein, der Schrei nach Liebe, nach Heiligkeit?

Frömmigkeit

Der zweite Begriff ist Frömmigkeit. – Für mich persönlich nur als ein religiöser Begriff bekannt, fand ich im Bedeutungswörterbuch die Erklärung „Nutzen, Vorteil, tüchtig, trefflich, tapfer, rechtschaffen“. Erst seit dem 15. Jahrhundert zeigt „fromm“ einen religiösen Sinn.
Die Spannung des Wortes wird deutlich: Nicht jeder „Fromme“ ist unserer Auffassung nach tüchtig. Und nicht jeder tapfere Held ist fromm.
Weihnachten ist ein wahrhaft frommes Fest: Es will uns Nutzen und Vorteile bringen, wenn wir uns dem Festgehalt dieser Tage auf die Spur begeben. Wir sind tüchtig in den Vorbereitungen. Ein solches Fest verlangt einiges an Vorbereitung, nicht nur das Stehen im Gottesdienst, und wir sind Tapfer in der Zelebration: denn die Stimmung und die schöne Musik drückt doch einem jeden von uns mehr oder weniger stark auf die Tränendrüse, die unermeßliche Sehnsucht nach IHM wird in diesen Tagen darin offenbar: Wir stehen an der Krippe: WIR so groß und ER so klein! Das kleine, arme Kind!
Dabei ist es doch genau umgekehrt: ER so groß und WIR so klein!

Eintracht

Das nächste Schlagwort: Eintracht. – Ein zunächst mittel- und niederdeutsches Wort aus dem 14. Jahrhundert. Übereinstimmung, Vertrag, Einheit
Die Umkehrung meint Zwietracht, sich entzweien, uneins sein.
Wenn wir die Heilige Familie in der Krippe betrachten, dann leuchtet uns Harmonie entgegen, eben jene Übereinstimmung und Einigkeit, nach der wir uns in diesen Tagen so sehr sehnen. Aber wenn wir ehrlich hinschauen, gibt es diese „Harmonie“ auch bei der heiligen Familie nicht:
Das Fest der Heiligen Familie – Es rüttelt an unserer Idylle und dem Lichterglanz und zeigt uns, wie sehr die irdische Wirklichkeit auch in der Krippe zu finden ist! Denken wir nur an die Situation des verständnislosen Josefs, sie Situation der Herbergssuche, die feuchte Grotte in Bethlehem.....
Maria und Josef hatten viele Sorgen!
Und die Sorgen der Eltern Jesu sind verständlich: Die Verheißung des Engels war kein 10 Punkte Programm, wo Maria und Josef im Voraus erfahren haben, was sie alles mit ihrem Sohn zu erwarten haben: Es kam eine Überraschung nach der anderen!

Liebe

Das letzte zentrale Wort des heutiges Tagegebetes: Liebe! – Liebe birgt das Adjektiv „lieb“ in sich: Gern haben, begehren, freundlich, gefällig sein, Begierde, gut heißen. Wir sind Liebende, eine Liebende, ein Liebender, ein Freund, ein Anhänger!
Interessanter weise lässt sich im Herkunftswörterbuch keine explizite Negierung des Wortes finden.
Die Liebe, die wir fühlen und empfinden, von der wir singen und an der wir uns freuen – wenn sie echt ist, will sie aber nicht nur ein Gefühl bleiben. Sie bindet sich und nimmt Gestalt an: Freundschaften, Partnerschaften, die Ehe, Familie, Kinder. Sie bleibt immer angreifbar, anstößig. Sie ist nie die volle Verwirklichung unserer Sehnsucht, die reine Verkörperung des Ursprungs. Sie zeigt immer auch Schwächen, muss sich gegen Zweifel, Angriffe und widrige Umstände behaupten und sich Mängel vorhalten lassen. Sie ist dem Neid, dem Misstrauen, dem Hass ausgesetzt. Liebe, das bedeutet nicht nur Sonnenschein. Sie muss kämpfen gegen Angriffe von Aussen und Bedrohungen aus dem Innern.

Wenn wir uns lieben, sagen wir: „Du, ich mag dich leiden“. – Ist uns das wirklich bewusst?: Wir bringen Liebe mit Leid in Verbindung.
Ja, in der Liebe geht’s nicht nur um Spaß und Lustgewinn, sondern um _Leiden_schaft. Sie bewährt sich im Leiden.
Wer seine Erfüllung der Liebe nur in der Harmonie und dem „wie ist doch alles schön“ und einem „irgendwie klappt das schon“ sucht, der lebt fern ab von aller Realität des Lebens – und des Liebens!
Das Zeichen der Liebe ist das verwundete Herz. Der Stern der Krippe, der bis zum Karfreitag leuchtet, bescheint auch noch am Tag der Kreuzigung das Kreuz!

Liebe Schwestern und Brüder!
Das Fest der heiligen Familie hätte noch vielfältige andere Themen zur Auswahl gehabt: Der Sinn der Familie in unserer heutigen Zeit, Familienpolitik in Deutschland, der Schutz des ungeborenen Lebens.... Der Themenvielfalt sind keine Grenzen gesetzt.

Die einleitende Ouvertüre zu dieser Themenvielfalt beinhaltet aber genau das zuvor benannte: Gnade, Frömmigkeit, Eintracht und Liebe! Sie sind die Richtschnur für jede weitere ethische Diskussion! Sie stehen für ein Leben in trauter Zweisamkeit, für Familie und Gemeinschaft

Herr, gib unseren Familien und Gemeinschaften die Gnade, dass auch sie in Frömmigkeit und Eintracht leben und einander in der Liebe verbunden bleiben. Amen.