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Selig...

30. Januar 2011

Predigt von P. Basilius Schiel OSB am 4. Sonntag im Jahreskreis (30. Januar 2011) in der Dormitio

Es sind gewaltige und gewalttätige, beeindruckende und bedrückende Bilder, die wir dieser Tage aus Tunesien und aus dem Jemen, aus Jordanien und vor allem aus Ägypten sehen. Tausende, Zehntausende sind auf den Straßen. Sie rufen nach Freiheit und Gerechtigkeit. Manches Mal wurden inzwischen Vergleiche zum Herbst 1989 in Mittel- und Osteuropa gezogen. Doch in diesen Tagen brennen Fahrzeuge und Gebäude. Menschen werden verletzt. Menschen sterben.

Mitten hier hinein hören wir heute die Seligpreisungen nach Matthäus. Und mit ihnen möchten wir den Menschen auf den Straßen in Kairo, Alexandrien und Suez zurufen: Ja, wir verstehen Euren Hunger nach Gerechtigkeit und Euren Durst nach Freiheit, wir sehen Eure Not und Armut! Aber bitte, bitte lasst ab von der Gewalt und vergeltet nicht ein Unrecht mit dem nächsten!

Kaum ein Text aus den Evangelien, sieht man von der Weihnachtsgeschichte ab, ist so bekannt wie die Seligpreisungen. Gerade den modernen Menschen scheinen sie fast unabhängig von seiner religiösen Prägung anzusprechen:

  • Sie stellen sich auf die Seite der Unterdrückten und Entrechteten, der Verfolgten und Armen.
  • Sie machen sich frei von menschlicher Logik und Gewalt und blicken auf den Menschen in seinen Grenzen und Gebrochenheiten, die ihm sein Wesen und sein Schicksal setzen.
  • Und sie verurteilen ihn deshalb nicht, sehen in ihm nicht einen Verlierer, sondern wertschätzen ihn, nehmen ihn an, preisen ihn selig.

Und wir sehen vor uns Menschen wie Franz von Assisi und Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Mutter Theresa, Henry Dunant und Nelson Mandela, und denken: Was könnte die Welt so gut sein, wenn… Ja. – Wenn… Die Seligpreisungen scheinen einen Weg des Zusammenlebens zu weisen, eines Zusammenlebens in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit.
Aber tun sie das wirklich? Könnten sie wirklich religionen- und kulturenübergreifend Kernstück einer Art von Weltethik sein? – Vorsicht!

Nimmt man den bloßen Text und überhöht ihn zu einer solchen Ethik, läuft man in eine Sackgasse der Verblendung, der Trägheit und Selbstgefälligkeit.

  • Einen Armen selig zu preisen, nur weil er arm ist, materiell oder ideell, nimmt ihn nicht ernst, erkennt seine Situation nicht an, blendet seine realen Nöte und Bedürfnisse aus – und handelt nicht danach.
  • Einen Trauernden selig zu preisen, nur weil er trauert, verhöhnt ihn auch noch in seinem Schmerz.
  • Wer sich allzu schnell der Gewaltfreiheit verschreibt, läuft Gefahr, die Hände auch dann im Schoß liegen zu lassen, wenn er sinnvoll und verantwortet handeln müsste.
  • Wer allzu sehr auf die Reinheit des eigenen Herzens bedacht ist, macht schnell einen Bogen um den Nächsten, der im Schmutz liegt.

Es ist erst einmal nichts Gutes daran, arm zu sein und zu trauern, verfolgt und geschmäht zu werden, zu hungern und zu dürsten. Das ist primär ganz gewiss nicht der Sinn des menschlichen Lebens, und wir sollten uns davor hüten, einen frommen Mantel nach diesem Strickmuster über unser Leben zu hängen. Das geben die Seligpreisungen nicht her.

Aber: Wir müssen die Seligpreisungen nicht durch diese Brille lesen, denn wir lesen und hören die Seligpreisungen als Christen, und dieses Vorzeichen macht den entscheidenden Unterschied, den der Heilige Vater so formuliert:

Wer den Matthäus-Text aufmerksam liest, wird inne, dass die Seligpreisungen wie eine verhüllte innere Biographie Jesu, wie ein Porträt seiner Gestalt dastehen.

Die Aussagen Jesu in den Seligpreisungen sind damit zuerst und vor allem Aussagen über Ihn selbst, sie beschreiben Jesu eigene Existenz als Sohn des Ewigen Vaters und als Mensch unter den Menschen.

Die Seligpreisungen sind damit eben nicht tauglich für eine allgemeine, globalisierte Ethik, sondern sie rufen sehr klar und deutlich und entschieden in die konkrete Nachfolge Jesu.

  • Nicht arm sein, um arm zu sein; nicht trauern um zu trauern; nicht hungern um zu hungern.
  • Sondern: Arm und traurig und hungrig sein, weil auch Jesus arm und traurig und hungrig war.
  • Weil Er arm und traurig und hungrig war, um das Törichte und das Schwache, das Niedrige und das Verachtete, um das, was scheinbar nichts ist, zu Gott zu führen.
  • Um den Menschen in seiner ganzen Menschlichkeit gerecht zu machen, zu heiligen und zu erlösen.

Noch einmal Benedikt XVI.:

Die Seligpreisungen sind Umsetzung von Kreuz und Auferstehung in die Jüngerexistenz. Aber sie gelten für den Jünger, weil sie zuallererst urbildlich in Christus selbst verwirklicht sind.

Selig, die arm sind vor Gott. – Ein Stückchen Brot, ein Schluck Wein. Das ist nicht viel, aber für uns ist der Unterpfand des Himmelreiches.

Selig die Trauernden. – Es ist und bleibt in dieser Zeit nichts, wie es ist und war. Diese Zeit hat ihren Lauf, Dinge vergehen, Menschen sterben. Immer wieder müssen wir Abschied nehmen. Doch Er ist anders und bleibend bei uns: Tut dies zu meinem Gedächtnis.

Selig, die keine Gewalt anwenden – , denn Er selbst ist wie das Lamm, das man zur Schlachtbank führt, es verstummt, tut seinen Mund nicht auf.

Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. – Doch weil unsere Gerechtigkeit ihre Grenzen hat, nimmt er Brot und Wein, dankt und reicht es seinen Jüngern, teilt mit uns, was kaum zu teilen ist: Sich selbst.
Selbst mit dem, der Ihn verrät, teilt Er dieses Brot: Selig, die Barmherzigen.

Selig, die ein reines Herz haben. – Wie mit Kinderaugen können sie auf die Welt und die Menschen schauen und wissen sich in der Hand des Vaters im Himmel geborgen. Sein Wille geschehe, nicht meiner.

Selig, die Frieden stiften. – Sein Leib und Blut, für uns und zur Vergebung der Sünden hingegeben, denn wir brauchen einander. Wir können nicht leben, wenn uns auf Dauer die Gräben der Schuld und der Sünden trennen, von Gott und voneinander.

Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, und selig ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. – Er selbst: Verraten, verhaftet und hingerichtet. Aber Er lebt, denn Gottes Gerechtigkeit verlässt unseren menschlichen Egoismus, sprengt unsere Logik. Und das Leben siegt über den Tod.

Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. – In seinem Fleisch und Blut. Der neue und ewige Bund.