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Wir müssen doch lieben und dürfen nicht hassen

08. September 2013

Predigt von Pater Matthias zum 22. Sonntag im Jahreskreis (8. September 2013)

Osterkreuz in der Abteikirche (2013) Osterkreuz in der Abteikirche (2013)

Hier geht's zu den Texten der Lesungen des 22. Sonntags

Liebe Mitchristen,

ihre spontane Reaktion auf das soeben verkündete Evangelium würde mich sehr interessieren.

Der Mittelteil findet sicherlich die Zustimmung vieler. Das Gleichnis vom Turmbau klingt sehr logisch. Es ist vernünftig vor einem Bauprojekt gut zu kalkulieren, das Projekt gut zu planen heißt auch die finanzielle Situation im Blick zu haben. Jesus hat wohl vor 2000 Jahren nicht an die Elbphilharmonie in Hamburg, den Flughafen in Berlin oder den Bahnhof in Stuttgart gedacht, aber nicht zuletzt belegen auch diese Projekte, wie klug die Rede Jesu ist: Wir Menschen sind gerufen mit Verstand an die Sache zu gehen.

Und noch mehr Zustimmung finden gerade in diesen Tagen sicherlich die Gedanken Jesu zur Kriegsführung: Wo Waffengewalt keinen Sinn macht, da schickt man eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.

Liebe Schwestern und Brüder, die Historiker werden unsere Generation einmal zu Recht fragen: „Habt ihr wirklich um Frieden gebeten?“ Wohl mögen nur wenige Menschen den Krieg, aber Waffen und Waffengeschäft, das mögen noch zu viele. Und es wird solange Krieg geben, solange mit Waffen Geld zu machen ist.

Macht, Waffen, Geld, Besitz – Keiner! „Keiner von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.“
Auch das wurde uns heute mit dem Evangelium verkündet. Dieses Wort Jesu fand vielleicht nicht sofort ihre spontane Zustimmung.

Und noch weniger gefallen mir zunächst die Gedanken Jesu zur Familie: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“ Der Hinweis in exegetischen Kommentaren, das „gering achten“ schon eine beschönigende Übersetzung sei, im Originaltext gar „hassen“ steht, nun, das macht das Wort Jesu noch verwirrender.
(Und immer noch nicht genug: Jesus setzt noch eins drauf: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.“)

Bitte lassen sie mich einmal ganz provokativ etwas sagen: „Die Feinde lieben“ – das tun wir zwar nicht, (nur sehr selten) aber bei diesem Ideal findet Jesus unsere Zustimmung. „Die Familie hassen“ – das geschieht, ich denke öfter als wir es zugeben mögen, aber hier wollen wir Jesus nicht zustimmen. Schon sehr seltsam!

Wir müssen doch lieben und dürfen nicht hassen!

Ich lese ihn noch einmal, diesen kritisch verstörenden Abschnitt aus dem heutigen Evangelium:

Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet – hasst –, dann kann er nicht mein Jünger sein.


„Hassen“ meint hier nicht emotionale Bosheit und Heimtücke. „_misei_“, „hassen“ meint hier im Kontext des heutigen Evangeliums Distanz halten, Abstand waren, frei machen.

Thema des heutigen Evangeliums ist ja „Nachfolge“!

Ich gebe zu, das Anliegen Jesu, nämlich sein Ruf zur Nachfolge, mag aufs erste Hören des Evangeliums nicht sofort als Überschrift uns vor Augen sein. Es sind andere Aspekte, die zunächst – auch unangenehm – bei uns haften bleiben. Ich bin ja auch zunächst auf diese eingegangen. Jesus mag wohl die Absicht gehabt haben die Menschen etwas zu verstören, herauszufordern; wahr aber ist, und das steht ja auch im ersten Vers des heutigen Evangeliums: Jesus wendet sich um, er wendet sich den Menschen zu und die ihn da begleiten auf seinem Weg spricht er an. Er tut das, weil ihm die Menschen etwas bedeuten, wichtig sind! Er möchte in Beziehung treten mit den Menschen, sie gerne zu seinen Jüngern haben. Jenen, die durch ihr Mitgehen ihren Willen zur Nachfolge kundtun wird erklärt: Bloßes Kommen zu Jesus genügt nicht, um wirklich Jünger Jesu zu sein.

Jesus wird überzogen deutlich was es braucht: wörtlich: „die Familie hassen“ – nun, ich habe es schon gesagt, die Nachfolge verlangt eine gewisse Distanz zur eigenen Familie. Die erste und engste Bindung in der Nachfolge lebe ich mit Gott. Familiäre Bindungen dürfen mich nicht von der konsequenten Nachfolge abhalten. Die Familie kommt nicht zu kurz. Wo ich Gott den ersten Platz in meinem Leben gebe, da findet auch meine Familie den guten Platz, den sie braucht.

Jesu Wort vom „hassen“ mag vielleicht einsichtiger werden, wenn wir noch kurz auf den Gedanken schauen: „Wer nicht sein Leben hasst, der kann nicht mein Jünger sein.“

Ja, zugegeben, das ist für unsere Ohren sehr missverständlich formuliert. Mit „das eigene Leben gering achten, hassen“ ist im Kontext des Evangeliums das Gegenteil von Selbstverliebtheit, Egozentrik gemeint.

Dem Christen geht es nicht um sein eigenes Ich. Wer immer sich in die Nachfolge Jesu stellt – und er lädt uns alle dazu ein, weiß sich gerufen zum Heil der Menschen und zum Lobe Gottes. Ziel der Nachfolge ist nicht die Selbstverwirklichung, sondern Verherrlichung Gottes.

Jesus ist es sehr ernst mit seinem Ruf in die Nachfolge. Er lässt keine Illusionen aufkommen. Er sagt uns, dass wir es uns sehr gut überlegen müssen – das Beispiel vom Turmbau und auch vom Kriegs-Kampf. Und er sagt auch, dass wir bereit sein müssen, uns von den allzu natürlichen Bindungen an Irdisches, an materiellen Besitz und Menschen zu lösen.

Warum sollten wir das tun?

Liebe Mitchristen, die Antwort kann ich ihnen nicht vorsagen. Die muss jeder für sich vor Gott finden. Es lohnt eine Antwort zu suchen!
Ein Tipp: Das Tagesgebet gibt uns hierzu gute Anregungen: echte irdische Freiheit und erstrebenswertes himmlisches Erbe!

Wir sollten es tun!

Amen.