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„...vorher aber nicht!”

15. Dezember 2013

Predigt von Pater Basilius zum 3. Advent (15. Dezember 2013)

Dormitio im Schnee (Dezember 2013) Dormitio im Schnee (Dezember 2013)

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie schon Ihren Jahresrückblick 2013 gemacht? – Es wird wohl jeder aus seiner persönlichen Perspektive für dieses Jahr Namen und Daten benennen können, die für ihn wichtig sind. Kleine und große Lebensentscheidungen. Menschen, die neu in unser Leben getreten sind, andere, die uns verlassen haben. Momente der Trauer und Momente der Hoffnung.
Für die große Weltgeschichte gilt der Blick vielleicht den Naturkatastrophen und ihren Opfer, aber besonders auch den schwelenden politischen und gesellschaftlichen Konflikten in den Ländern des Orients und da vor allem die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern.

Schauen wir auf die Kirche, so haben wir es mit einem einzigartigen Wechsel im Papst-Amt zu tun. Und besonders durch die Impulse von Papst Franziskus stellen wieder mehr Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche die Frage, was es mit der Kirche nun wirklich auf sich hat. Das macht manchen Angst, andere schauen optimistischer und hoffnungsvoller in die Zukunft.

Es geht auch immer anders

Es ist zu früh und auch nicht opportun, das Pontifikat Franziskus' zu bewerten, geschweige denn, Franziskus gegen seinen unmittelbaren Vorgänger auszuspielen. Eines kann uns dieses Jahr 2013 an der Stelle aber bestimmt schon jetzt zeigen: Es geht auch immer anders. Auch in der Kirche! – Ein Papst, der erkennt, wann es für ihn, sein Amt und die Kirche geboten ist, das Amt abzugeben, ist für uns anders. Ein Papst vom anderen Ende der Welt, ist für uns – immer noch – etwas Anderes.

„Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid?“, fragt Jesus die Menschen im Gespräch über Johannes den Täufer. – Was wohl wollen die Menschen sehen, wenn sie zu uns in die Kirche kommen? Was wollen sie sehen, wenn wir zu ihnen hinausgehen? Und was wollen wir sehen von der Kirche? Wie wollen wir sie sehen?

Die Schrifttexte dieses dritten Adventssonntags sind da wie ein Wegweiser. Man darf sie vielleicht auch einmal so nehmen, wie man sie hört. Nicht buchstäblich, aber in aller Ernsthaftigkeit und Offenheit, und als Geschenk.

Heil und ganz werden

Die blühende Wüste und die jubelnde Steppe, der Lahme, der wieder springen kann, und die Befreiten, die nach Zion heimkehren, von denen beim Propheten Jesaja die Rede ist, und die Blinden, die wieder sehen, die wieder reinen Aussätzigen, von denen Jesus spricht, die Toten, die auferstehen, und die Armen, die das Evangelium hören... – Sie alle geben uns die Antwort, was es letztlich mit der Kirche und dem Glauben auf sich hat: Es geht darum, heil zu werden, wieder ganz zu werden, frei zu werden, leben zu können, Leben in sich zu tragen.

Kirche muss nicht vorrangig ein Ort der Gesetze und Vorschriften sein, Kirche kann ein Ort sein, an dem die Menschen Heil und Hoffnung erfahren dürfen, an dem sie leben dürfen. Das ist der Kern der Botschaft nicht nur unserer heutigen Tagestexte, sondern des Evangeliums überhaupt. Deshalb appelliert Papst Franziskus in seinem Schreiben „Die Freude des Evangeliums“ auch: „Lassen wir uns die Hoffnung nicht nehmen!“ (Nr. 86). „Lassen wir uns das Evangelium nicht nehmen!“ (Nr. 97).

Aber angesichts von Leiden, Krankheit und Not, von Gewalt, Krieg und Tod, von Einsamkeit und Ängsten in unserem eigenen Leben und in der Geschichte der Menschen erhebt sich dann zugleich die Frage, warum es immer noch das Böse und das Übel in der Welt gibt. Wie Johannes der Täufer können auch wir Jesus fragen: „Bist du es, der kommen soll?“, wir fragen die Kirche: „Oder müssen wir auf eine andere warten?“
Sind die Hoffnung und die Freude des Evangeliums, seine Zusage von Heil und Ganzwerden am Ende doch nur Vertröstung auf etwas, was dann irgendwann kommt? Ist es reine Eschatologie, nur Bildsprache über ein noch fernes Paradies? Bleibt uns also nur das fromme Abwarten?

Freiheit und Verantwortung im Glauben

Dietrich Bonhoeffer würde dem gewiss widersprechen. Auch in der Gefängnishaft bleibt er dem Anspruch treu, den er in seinem Glauben erfährt. Bonhoeffer lebt aus der Freude des Evangeliums, sie ist für ihn die Grundlage einer lebendigen Gottesbeziehung. Und von diesem Gott weiß Bonhoeffer sich in die Pflicht gerufen. Gott fordere das „freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat“. Für Bonhoeffer geht es dabei um Fragen der Zivilcourage im Kontext seiner zeitpolitischen und gesellschaftlichen Situation des Dritten Reiches. – Wir dürfen diese Forderung und Ermutigung zu Zivilcourage, zum Engagement aufgrund unseres Glaubens und unserer Freiheit sicher auch in unsere Zeit mit ihren Fragen und Herausforderungen übertragen.

Mit anderen Worten, Gottes Zusage auf Heil und Ganzwerden gilt nicht nur für eine ferne Zukunft. Sie will auch Ermutigung und Trost im Hier und Heute sein, das Reich Gottes zu suchen: „Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht“, schreibt Bonhoeffer, „dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht!“

Und was bedeutet das für uns heute? Was sollen wir antworten, wenn man uns fragt, nach der Kirche, und ob sie es ist, die kommen soll, wenn man uns fragt nach dem Herrn, ob Er der ist, auf den wir warten?
Wir stehen im Advent, und wir stehen am Ende eines Kalenderjahres. Wir bereiten uns auf das Fest der Menschwerdung vor, und wir schauen zurück auf die vergangenen zwölf Monate. – Und hier hinein gibt uns die Liturgie die Texte des dritten Advents. Sie sprechen vom Heil und vom Ganzwerden.

Boten sein

Öffnen wir Augen und Ohren und Herzen, wo uns der Herr im vergangenen Jahr berührt und geheilt hat. Werden wir aufmerksam und dankbar dafür, wo wir wieder sehen und hören, wo wir weitergehen, ja springen konnten. Und helfen wir einander, diese Momente in unserem Leben wahrzunehmen. Dann wird auch für uns gelten, was der Herr über den Täufer sagt: „Ich sende meine Boten vor dir her; sie sollen den Weg für dich bahnen.“ Dann kann Gott auch in unserem Leben und im Leben dieser Welt immer wieder neu ankommen.

Und das Wort aus dem Philipper-Brief, das programmatisch über diesem Sonntag mit dem Beinamen „Gaudete“, Freut euch, steht, wird wahr:

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!
Noch einmal sage ich: Freut euch!
Denn der Herr ist nahe!

Lasst uns ihm entgegen gehen!

Amen.