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Wer bin ich?

24. Dezember 2018

Predigt von Pater Basilius am Vierten Adventssonntag 2018, 23. Dezember, in der Brotvermehrungskirche in Tabgha

Öllicht am Felsen in der Brotvermehrungskirche in Tabgha. Öllicht am Felsen in der Brotvermehrungskirche in Tabgha.

Liebe Schwestern und Brüder,

am vergangenen Sonntag waren wir mit den Soldaten und den Zöllnern und all den vielen anderen Menschen bei Johannes dem Täufer in der Wüste. Der Ruf des Johannes ist weithin bekannt, die Predigt des Täufers hat uns angelockt. Und deshalb haben wir ihn gefragt, was wir denn tun sollen. Eine Frage, die den Advent ausmacht, denn er will ja auch eine Zeit der Besinnung, der Selbstreflektion, der Neuausrichtung sein. – Was sollen wir tun?

Pater Jonas hat uns am letzten Sonntag in seiner Predigt verdeutlicht, dass es bei der Antwort des Johannes gar nicht auf irgendwelche religiösen Höchstleistungen ankommt, sondern auf eine Alltagsbewältigung im Geiste Christi, auf die je eigenen Lebensbereiche und ihre Praxis der Solidarität und der Nächstenliebe. Die Antwort auf die Frage, was wir tun sollen, liegt, so unterstrich Pater Jonas: „da, wo wir uns ehrlich eingestehen müssen, dass es an Liebe gemangelt hat – in Gedanken, Worten und Werken.“

Und mit diesem Arbeitsauftrag wurden wir in unseren Alltag zurückgeschickt.

Die junge Maria, selbst unerwartet schwanger, weiß, wie ihr Alltag aussehen soll, wo ihre Solidarität und Nächstenliebe gebraucht werden. Deshalb macht sie sich auf den Weg, in eine Stadt im Bergland von Judäa. – Auch das gehört wesentlich dazu zum Advent: sich auf den Weg machen, Wege bereiten, Wege zulassen. – Maria möchte ihrer Verwandten Elisabeth in deren letzter Schwangerschaftsphase beistehen. Solidarische Alltagsbewältigung in bester Form.

In dem Moment, in dem sich die beiden schwangeren Frauen nun begegnen und begrüßen, erwächst schon die nächste große Frage, die den Advent so gut beschreibt: Wer bin ich? Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?

Wenn man diese Frage an sich heranlässt, sie immer wieder wiederholt, sie sich selbst zu eigen macht, sie vor die große Folie des Advents und der Weihnachtszeit hält, dann beginnt die Heilige Nacht noch einmal stärker zu leuchten. Dann wird die Botschaft der Weihnachtsnacht noch einmal alltäglicher und kostbarer zugleich…

Wer bin ich? – Elisabeth spürt und weiß, dass es mit der Schwangerschaft ihrer Verwandten etwas Besonderes auf sich hat. Da kommt nicht einfach irgendein Verwandtenbesuch. Da kommt letztlich Gott, der Herr, selbst in ihr Haus, in ihr Leben, in ihren Alltag.

Was sie selbst schon mit ihrer eigenen, kaum noch zu erwartenden Schwangerschaft erlebt hat, das erkennt sie noch mehr bei der jungen Maria: Gott greift in unser Leben ein. Wenn wir Ihn denn lassen.

  • Unser Leben mag vielleicht alt und grau und trocken sein, wenn man so das Leben der alten Elisabeth etwas karikieren darf.
  • Unser Leben mag jung und unerfahren und vielleicht naiv sein wie das der jungen Maria.
  • Unser Leben mag uneben und krumm sein wie die Wege, von denen der Prophet Jesaja im Advent so oft spricht.
  • Unser Leben mag bedroht und finster und apokalyptisch sein wie die Bilder, mit denen uns auch Jesus immer wieder konfrontiert.
  • Wir mögen einsam, krank und verzweifelt sein.
  • Wir mögen uns missverstanden und ungeliebt fühlen.

*Im Glauben erkennen wir: Gott kommt. Gott kommt. Gott kommt.

Auch dann.
Gerade dann.
Wenn wir Ihn lassen.

Elisabeth und Maria haben es beide zugelassen; haben sich beide nicht so wichtig genommen; haben andere, Den Anderen, in ihrem Leben wirken lassen, ohne sich dabei selbst aufzugeben. – Und Neues, im wahrsten Sinne des Wortes neues Leben konnte entstehen. – „Selig, die geglaubt hat…“

Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Wer bin ich, dass Gott auch in mein Leben eintreten will? Wer bin ich?

Die Antwort des Vierten Adventes ist eine Botschaft des Mutes und der Hoffnung. Denn sie unterstreicht einmal mehr, dass Gott unser Heil und unsere Heilung will, dass Er in unser Leben eintreten will – in unser je eigenes und persönliches und in das unserer Gemeinschaften und Gesellschaften.

Dabei ist Gottes Heil keine Frage von Besserwisserei und Rechtbehalten. Das musste der Priester Zacharias erfahren, als er der Botschaft des Engels keinen Glauben schenkte und dann verstummte, bis sein Sohn Johannes geboren wurde.

Und Gottes Heil ist auch keine Frage von Größe und Macht. Ganz im Gegenteil. Die eigentlich zu alte Elisabeth trägt neues Leben in sich. Die eigentlich zu junge Maria trägt neues Leben in sich. – In einfachen Bildern und großer poetischer Kraft formuliert das der Prophet Micha: „Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ (Mi 5,1)

Mag einer in der Rangordnung der Mönche auch der Kleinste und Jüngste sein, der heilige Benedikt weiß, dass auch er seinen Beitrag zur Gemeinschaft leistet, dass er sogar Abt sein kann (RB 64,2). Auf die Niedrigkeit seine Magd hat Er, der Herr, geschaut, singt Maria im Magnificat (Lk 1,48). Und auch wenn in biblischer Zeit Bethlehem ein kleines Nest war, von dort kommt zuerst der große König David, dort wird später der eigentliche Davidsohn, Jesus, geboren, der Immanuel, der Gott-mitten-unter-uns.

Wer bin ich? – Die Antwort des Vierten Advents lautet: Du bist du! Du bist mir wertvoll. Du bist mir lieb. Ob du klein oder groß, reich oder arm, alt oder jung bist: Du bist du, und du bist mir wertvoll und lieb. Ich komme zu dir. Ich bringe dir Heil und Leben.

Wer bin ich? – Mit den Augen des Vierten Adventes, des Propheten Micha und der schwangeren Elisabeth, in den Augen Gottes: Ich bin ein Mensch mit Würde. – Eine einfache Antwort. Aber folgenreich. Für Jede und Jeden von uns. In all unseren Lebenszusammenhängen.

  • In unseren persönlichen Kontexten und Beziehungen, in denen wir immer wieder auch urteilen und verurteilen, in denen wir unsere eigene Meinung und unsere eigenen Erfahrungen so schrecklich wichtig nehmen, in denen es uns manchmal so schwerfällt, Neues zuzulassen.
  • In unseren gesellschaftlichen und politischen Fragen, in denen zu oft das Recht der Reichen und Mächtigen alles andere dominiert, in denen wirtschaftliche Perspektiven und vermeintliche Sicherheitsaspekte gegen die Würde des Menschen ausgespielt werden.
  • In unserer Kirche, der man gerade in diesen Advents- und Weihnachtstagen wünschen möchte, dass sie sich nicht hinter Dogma und Traditionen und Kirchenrecht versteckt, sich nicht in Macht und Angst verstrickt, sondern wie Elisabeth und Maria offen bleibt für Gottes Geist, dass sie sich immer neu auf den Weg macht.

Wer bin ich? – Ein Gottes- und Menschenkind, und der Herr, dein Heiland und Erlöser, kommt zu dir!