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Meldung im Detail


Vom Neuansatz jesuanischer Familienpolitik

02. Januar 2019

Predigt von Bruder Simeon am Fest der Heiligen Familie, Sonntag, 30. Dezember 2018, in der Brotvermehrungskirche in Tabgha.

Die Krippe an Weihnachten 2018/19 in Tabgha. Die Krippe an Weihnachten 2018/19 in Tabgha.

Schrifttexte zum Fest: 1. Les.: Sir 3,2-14 […] | Ps 128 | 2. Les.: Kol 3,12-21 | Ev.: Lk 2,41-52

Das Fest der Heiligen Familie in der Brille des „Familienfestes” Weihnachten

Da scheint die Leseordnung der Kirche doch so etwas wie einen hintergründigen Humor zu besitzen oder, je nach Sichtweise, den Finger in die Wunde zu legen: Wie zu hören war, stellt – auf der einen Seite – gleich zu Beginn der Heiligen Messe die Tagesoration uns in idealen Farben, in unmittelbarer Nähe zu Weihnachten, zum bürgerlichen Familienfest schlechthin, ein Familienidyll der Heiligen Familie vor Augen, wie es idealer nicht sein könnte: Vom leuchtenden Vorbild ist dort die Rede, an dem sich unsere Familien Maß zu nehmen haben: und zwar in Frömmigkeit und Eintracht und in der Liebe verbunden. Dass dieses hehre Ideal gerade in diesen Tagen der Weihnachtszeit, eben des Familienfestes, der Lebensrealität eher abgehoben wirkt, liegt leider auf der Hand: Gibt es doch gerade oftmals an Weihnachten Familienzwist. Die üblichen Meinungsverschiedenheiten treten zutage, wenn nahe Verwandte von Fern zusammenkommen.

Dass wir dann in den Lesungen in patriarchaler Manier gleich mit Zucht und Ordnung in Familiensystemen konfrontiert werden, sei es aus dem Buch Jesus Sirach oder aus dem sogenannten Haustafelethos des Kolosserbriefes, trägt sein Übriges zu dieser überhobenen, an der Realität des postmodernen Alltags vorbeisehenden Sichtweise bei.

Im Ohr bleibt in diesem Zusammenhang natürlich auch der vorletzte Satz aus dem Abschnitt des Lukasevangeliums: Und er [Jesus] war ihnen [Maria und Josef] gehorsam. Die ideale Familie wie sie sein sollte – grundgelegt im braven Beispiel der Heilige Familie.

Das Fest der Heiligen Familie durch die zeitgenössische Brille

Da ist es kein Wunder, dass diese schöne heile Welt von Nazareth als altbackenes Motiv einer vergangenen, romantisierenden Frömmigkeit gleich abgehackt wird. Spätestens mit der Familienpolitik des 21. Jahrhunderts, bzw. mit dem heutigen Familienbild hat diese nichts mehr zu tun (oder sollte besser nichts mehr zu tun haben). Das heutige Fest wird als sogenanntes Ideenfest irgendwie entschuldigend abgetan oder beschwichtigend heruntergehangen. In jeden Fall noch mit dem Hinweis, dass es sowieso kirchengeschichtlich viel zu spät aufgekommen ist – eben der Frömmigkeit des 19. Jahrhunderts verpflichtet – und in unseren Tagen offensichtlich wieder völlig überholt ist. Jedenfalls wird es schmunzelnd als ziemlich überflüssig belächelt und in Gedanken vielleicht auch schon auf die Streichungsliste einer nächsten größeren Liturgiereform gesetzt.

Es scheint vor diesem Hintergrund mit diesem Fest nicht so recht etwas anzufangen zu sein.

Das Fest der Heiligen Familie als Blick in eine Patchworkfamilie

Ein kleines Trostpflaster ist da doch der durch und durch menschliche Abschnitt aus dem Lukasevangelium. Völlig konträr betont er die andere Seite. Er steht im Gegensatz zu den Texten der Liturgie, die eher die Idealfamilie heraufbeschwören: Der 12-jährige Jesus hat im Jerusalem Tempel seinen eigenen Kopf. Ein Fall von notorischem Ungehorsam, flegelhaftes Verhalten und ein frühpubertierender Trotz gegenüber den Eltern ist das erste, was einem dazu einfällt! Er bereitet seinen Eltern regelrecht Kummer, sondert sich von Ihnen ab, attestiert ihnen sogar Unverstand und erklärt frei heraus seinem Ziehvater Josef ins Gesicht, dass sein eigentlicher Vater nicht in Nazareth, sondern in Jerusalem zu Hause ist. Wie zutiefst menschlich-erfrischend ist doch da diese Extravaganz des Teenagers Jesus, der seinen Eltern, Maria und Josef, endlich mal zeigt, wer der eigentliche Herr im Haus ist! (wie recht wird er natürlich haben…).

Damit wird – ausgehend von den heutigen Realitäten in den Familien – das Fest doch noch feierbar. Überhöhung wird überhört, da das Evangelium des Festes doch gerade die mittelmäßige Familie auf die Säule hebt. Die Heilige Familie ist als Patchworkfamilie doch auch noch – zum Glück! – mit Erziehungsschwierigkeiten konfrontiert wie fast all unsere Familien.

Diese heilige Ein-Kind-Familie als Musterbild des allen christlichen Familien ans Herz zu legen ist, erscheint von daher dann doch ganz in Ordnung. Das ideale Bild verschwimmt dann eher. Die Heilige Familie ist dann doch nicht mehr ganz so heilig…

Das Fest der Heiligen Familie nochmal, anders angeschaut

Bei diesem zweideutigen Befund scheint es ratsam vielleicht auf das Wort, bzw. Wörter Heilige Familie – sancta familia selbst zu schauen:

Zum Ersten kommt die Heiligkeit der Heiligen Familie eben nicht aus deren Verhalten, sondern die Heilige Familie kann deswegen mit Fug und Recht heilig genannt werden, weil gerade in ihr Jesus Christus Gottes Sohn, gelebt hat. Er, von dem wir im Gloria bekennen Du allein bist der Heilige. Er hat diese Familie geheiligt. Von ihm her kommt die Heiligkeit und strahlt letztlich auf die Eltern aus.

Und zweitens ist ein Blick auf die sprachliche Herleitung des Wortes Familie hilfreich. Was bedeutet das eigentlich Familie, im Lateinischen familia? Sprachlich hergeleitet kommt es von famulus, dem Diener, und bedeutet nichts anderes wie die Gesamtheit der Dienerschaft, die zu einem Hauswesen gehört und dem dann der pater familias, der Familienvater, vorsteht.

Nur in einer weiteren Oration ist in der Liturgie tatsächlich ausdrücklich von familia die Rede: In den Orationen zu Beendigung des Stundengebets in der Heilige Woche. Dort heißt es:

Wir bitten dich, Herr, unser Gott, schau hernieder auf diese Deine Familie, für die unser Herr Jesus Christus sich willig den Händen der Frevler ausliefern ließ und die Marter des Kreuzes auf sich nahm.

Geburt bzw. Kindheit Jesu und sein Sterben bzw. Auferstehen [Weihnachten und Ostern] gehören geheimnisvoll zusammen. Ja, dass Kreuz und Krippe zusammengehören, Mysterium und Martyrium eine Einheit bilden, wird spätestens gleich einen Tag nach Weihnachten deutlich, wenn sich die strahlend engelweißen Gewänder der Christnacht innerhalb von 24 Stunden blutrot färben, um Stephanus, den ersten Glaubenszeugen der Christenheit zu ehren.

Das Fest der Heiligen Familie aus dem Blick von Ostern

Von daher kann man diese weihnachtliche Passage durchaus mit österlichen Augen lesen. Nicht nur die Pilgerfahrt der Heiligen Familie am Paschafest gibt den entscheidenden Hinweis für das Osterfest. Auch die dreitägige Suche nach Jesus lässt in gewisser Weise die dreitägige Abwesenheit des Gottessohnes vorahnen, die in der vergeblichen Suche nach seinem Leichnam im Grab gipfelt. Auch die eintägige Wanderung der Eltern von Jerusalem aus gerechnet und ihr sofortiges Umkehren, lässt an die österliche Emmausgeschichte denken, in der die beiden Jünger noch in der selben Stunde wieder in die Heilige Stadt zurückkehren, weil ihnen schrecklich-wunderbare begegnet ist.

Jerusalem sein wird so zum Dreh- und Angelpunkt einer ganz anderen, neuen jesuanischen Familienpolitik. Unter dem Kreuz entsteht die wahre Familie ganz neu! Wenn Jesus die Verwandtschaftsverhältnisse unter den Seinen ganz neu sortiert und zu Johannes und Maria sagt: Siehe Deine Mutter, siehe Dein Sohn. Unter dem Kreuz stehen somit die famuli Jesu, diejenigen, die ihm nachgefolgt sind. Seine wahre Familie. Das ist dann nicht mehr ideal oder überhoben, sondern ganz real. Von daher gesehen ist die erste Heilige Familie nur das große Vorbild. Und von daher benötigen wir den mächtigen Schutz Mariens, die schützende Hand Josefs und den göttlichen Segen des Kleinen. Damit wir unter dem Kreuz standhaften bleiben!

Als Gläubige sind wir famuli, die Gesamtheit der Dienerschaft Jesu, untereinander. Und wenn Christus in ihr Wohnung nimmt, ist er das Haupt dieser Heiligen Familie.

Amen.