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Frei sein in Christus

04. August 2019

Predigt von Pater Basilius am 18. Sonntag im Jahreskreis, 4. August 2019, an Dalmanutha

Schrifttexte vom Sonntag

Olivenbaum in der Sonne Olivenbaum in der Sonne

Bild von Julie-Kolibrie auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,

die Schrifttexte dieses Sonntags – die Lesung aus dem Buch Kohelet, dann die Verse aus Psalm 90, die Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolossä und die Abschnitte aus dem Lukasevangelium – diese vier biblischen Texte verbindet eine Linie und die heißt Freiheit. Frei-Sein im Angesicht Gottes.

- Frei, weil ohne menschenerdachte Grenzen und Mauern.
- Frei, weil unabhängig von selbst auferlegten oder von außen aufoktroyierten Zwängen und Erwartungen.
- Frei, weil im Vertrauen auf Gott.
- Frei, weil im Blick auf das Wesentliche.

In den Ohren von Notleidenden und Benachteiligten muss sich manches aus diesen Schrifttexten kalt oder zynisch anhören. Mancher, der auch im Namen der Kirche, ihrer Dogmen, ihrer Moral, ihrem Gesetz ausgegrenzt wird, der sich herabgewürdigt oder verurteilt fühlt, mag bei den Versen aus dem Kolosser-Brief den Kopf schütteln. – Andere mögen unsere Schrifttexte als romantisierend, als blauäugig oder schwärmerisch abtun.

All das mag aber vielleicht der beste Hinweis dafür sein, dass diese Texte die richtigen Stichworte liefern und die wichtigen Fragen stellen. Für uns und für heute.

Unsere Zeit, unsere Gesellschaften und selbst die Kirche sind weiterhin sehr stark vom Leistungsdenken geprägt. Statistiken und Rankings, Gewinne und Verluste, Zahlen und Figuren – ihnen wird eine wahrheitsabbildende Qualität zugesprochen. Sie machen das, was wir als Wirklichkeit erleben. Aber sind sie auch wahr und echt?

Windhauch. Das alles ist Windhauch.

„Wie viele seid ihr denn noch?“, werden wir Mönche immer mal wieder gefragt. Ja, mit der Kirche schrumpfen auch viele Klöster. Aber zeigen diese Zahlen an, was wirklich wichtig ist und was bleibt? Windhauch, möchte man mit Kohelet seufzen. Ja, es vergeht und verweht, wie Windhauch. Möge manches doch wirklich so wehen und hauchen und weg sein.

Was wir mit unseren Händen, mit unseren Gedanken und Worten an Gutem erreichen, das ist keineswegs unbedeutend, denn es kann wieder Gutes bewirken für andere, das weiß auch Kohelet. Aber bleibend ist davon nichts.

Anders: Der Wert eines Menschenlebens, der Wert einer Gesellschaft darf sich nicht nach dem bemessen, was in Zahlen erwirtschaftet ist. Denn das kann vergehen. Selbstverschuldet oder durch Einflüsse von außen.

Und positiver mit Kohelet: Was wir haben, was unser „Besitz“ ist, das können wir ohne Verlustangst teilen und geben, denn ebenso können wir es auch empfangen. Frei. Sorge und Ärger, selbst bei Nacht, sind weder wichtig noch richtig. Zur Ruhe in Gott kommen sollen wir in unserem Leben. Frei.

Denn tausend Jahre sind in deinen Augen wie der Tag, der gestern vergangen ist.

Wir dürfen uns dabei mit dem Antwortpsalm in den großen Rhythmus Gottes einschwingen, vor Dem tausend Jahre unserer Zeitzählung wie ein Nichts. Wir sind Staub, Sternenstaub, und kehren genau dahin zurück, zum Staub. Wer das, was dazwischen liegt, zu einseitig nimmt, wird sich wie welkes und verdorrtes Gras am Abend vorkommen: nutzlos und wertlos.

Der Psalm lädt uns vielmehr ein, auf Gott zu vertrauen, Seine Weisheit zu suchen, Seine Güte und Schönheit zu erkennen und sie wirken zu lassen. Das wird dem Menschen mit weisem Herzen Grund zu Jubel und Freude, dass wird das wahre Gedeihen und Gewinnen unseres Lebens ausmachen.

Der jung verstorbene australische Schauspiele Heath Ledger hat einmal gesagt: „Jeder, den du triffst, der fragt immer, ob du einen guten Job hast, ob du verheiratet bist oder ob du ein Haus hast. Als ob das Leben so was wie eine Einkaufsliste wäre. Aber keiner fragt dich jemals, ob du glücklich bist.“ – Eine zu pessimistische Engführung, vielleicht.

Aber wird angesichts absurder Wirtschafts- und Währungskriege, drohender neuer Wirtschafts- und Konjunktureinbrüche, geschweige denn all der militärischen und machtpolitischen Auseinandersetzungen dieser Tage die Frage nach dem persönlichen Glück nicht umso wichtiger?

Was tun wir für unser eigenes, wirkliches und wahres Glück, für das unseres Nächsten? Was lassen wir zu? Was verhindern wir? Was geben wir? Jubel und Freude in Gott, das Schöne und das Gute in Gottes Namen, Gottes Weisheit. – Frei sein, frei werden, frei lassen.

Christus ist alles und in allen.

Nun ist das, was wir unter unserer Freiheit verstehen, immer so eine Sache. Denn meine Freiheit hört womöglich auf, wo Deine beginnt. Das führt meistens zu Abgrenzungen. Und die sind ja auch durchaus wichtig.

Aber wir Menschen neigen immer wieder dazu, das mit den Grenzen zu übertreiben. Das führt zu unabsichtlichen und auch absichtlichen Grenzverletzungen und -überschreitungen in vielfacher Form. Paulus nennt im Kolosserbrief einige Un-Verhaltensweisen, die er zusammenfasst mit den Attributen „irdisch“ und „alter Mensch“.

Das alles, sagt er, gilt es abzulegen und als neuer Mensch zu leben. Denn Christus hat für uns und mit uns ein für alle Mal die eine große Grenze und Mauer überschritten: In Seinem Tod sind unser Tod und unsere Sünden mitgestorben, Christus ist mit uns gestorben und unser alter Mensch mit Ihm. In Seiner Auferstehung öffnet Christus uns die Tür zum neuen Leben. Und in diesem Leben gibt es keine Grenzen und Abgrenzungen mehr, „nicht mehr Griechen und Juden, Beschnittene und Unbeschnittene, Barbaren, Skythen, Sklave, Freie, sondern Christus ist alles und in allen.“ – Frei.

Ich glaube nicht, dass wir Menschen schon so weit sind, dass wir das wirklich verstehen, geschweige denn leben können oder wollen.
Aber ich glaube, dass wir es irgendwann erkennen und leben werden.

Auch die schönen theologischen Konzepte der vatikanischen Communio-Theologie oder einer Ökumene als „versöhnte Verschiedenheit“ werden erst dann wirklich ihre Kraft entwickeln können, wenn wir es schaffen, Abgrenzungen im Sinne von Abwertungen und die Vorstellung von Einheit im Sinne von Uniformität zu überwinden. Wenn wir erkennen, dass jeder und jede von uns in vielfacher Weise verschieden ist, dass wir aber gerade deswegen im Namen Christi, des Gottes- und Menschensohnes, zusammengehören.

Und das wird uns neu und frei machen und uns lehren, das zu erkennen, was wirklich wichtig ist, und genau das dann auch zu tun. – Was für eine Perspektive gerade in unserer Zeit!?!

...wer bei Gott nicht reich ist...

Noch aber sind wir in unserem Alltag oft gefangen und unfrei, erkennen nichts und verstehen nichts. Sorge und Ärger, Besitz und Gespinst unseres Geistes lassen uns nicht zur Ruhe kommen. Wir starren am Morgen auf das frische Gras, das am Abend doch wieder welk und trocken ist. Wir stecken fest im alten Menschen mit seinen Begierden und seinen Lügen.

„Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt?“ – Die Frage Jesu, diese fast rotzige Entgegnung zu Beginn unseres Evangeliums verstört. Verstärkt wird sie durch den späteren Anruf Gottes im Gleichnis, das Jesus erzählt: „Du Narr!“

Natürlich wäre es nicht mehr als gerecht, wenn die beiden Brüder ihr Erbe in guter Weise teilen. Natürlich ist es nicht unvernünftig, wenn der reiche Mann vorsorgt und seine gute Ernte auch entsprechend lagert. – Aber weder das eine noch das andere ist wirkliches und wahres Leben: „Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass er im Überfluss seines Besitzes lebt.“ – Wer sich zu sehr um die irdischen Dinge sorgt, der lebt nicht wirklich, der ist nicht wirklich ein Mensch. Der ist nicht frei.

In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, in der es immer offensichtlicher wird, dass die nötigen Veränderungen zur Bewahrung der Schöpfung und zur Sicherung von Frieden und Gerechtigkeit zwangsläufig auch zu Verzicht und Zurücknahme führen müssen, in einer solchen Zeit kann es weiterhin nicht darum gehen, Armut schön zu reden und zu verklären. Das wäre in der Tat zynisch und unbarmherzig und weder im Sinne des Predigers bei Kohelet noch des Psalmisten, geschweige denn im Sinne von Paulus oder gar von Jesus.

Aber ob jemand reich ist oder arm, das darf keine Rolle bei der Frage spielen, ob er glücklich ist, ob er glücklich leben kann.

Gott will, dass wir leben, glücklich und heil, frei und ohne lebensfeindliche Unterscheidungen. Alle.

All das liegt nun in Christus.

ER ist der Weg, die Wahrheit, das Leben.

ER ist frei. – Und in IHM sind wir es auch.