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Meldung im Detail


Predigt von Br. Basilius Schiel OSB zum 1.1.2003 - Eröffnung der Friedensakademie

01. November 2008

Predigt am Oktavtag von Weihnachten, dem Hochfest der Gottesmutter Maria und Weltfriedenstag 2003 (1. Januar 2003)

Unsere Welt scheint wieder einmal am Rande des Abgrunds zu tanzen: Schenkt man gewissen Gerüchten Glauben, dann werden in den nächsten Wochen die Ausländer hier in ihre Heimatländer ausgeflogen, in den letzten Januartagen oder in den ersten Februartagen könnte der Irakkrieg, der schon so lange seine bedrohlichen Schatten vorauswirft, beginnen. Mag sein, dass er lokal begrenzt bleibt, dass es tatsächlich nur ein Einmarsch der Amerikaner und ihrer Verbündeten wird, an dessen Ende der Sturz Saddam Husseins steht… Und dann…? Mag sein, dass der Waffengang auch auf die Nachbarländer bis hier hin ins Heilige Land ausgreift… Mag sein, dass es gar noch größere Dimensionen annimmt… - Die Augen sollten wir davor gewiss nicht verschließen, aber wir dürfen die Ohren auch in anderen Richtungen spitzen: Wir dürfen heute noch einmal dem Jubelgesang der Engel auf Betlehems Fluren lauschen, dürfen mit den Hirten noch einmal staunend an der Krippe stehen und auf die ersten Laute des Neugeborenen hören. Und in gar nicht mehr allzu weiter Ferne hören wir schon die drei Weisen aus dem Osten mit den Glöckchen am Saumzeug ihrer Kamele und dem Rauschen ihrer kostbaren Gewänder… Wir dürfen heute noch einmal Weihnachten feiern. Trotz allem. Und: Gerade deswegen!

Heute, am Oktavtag von Weihnachten gilt einer Person besonders unsere Aufmerksamkeit: Maria, der Gottesmutter. Ist es nicht bemerkenswert? - Mitten in einer Welt zwischen römischer Militärherrschaft im ganzen Mittelmeerraum und dem weltweiten Kampf gegen den Terrorismus, mitten in einer Welt, in der die Kaiser in Rom sich als Götter verehren lassen und die großen Einkaufzentren längst mehr Besucher als die Kapellen und Kirchen und Synagogen haben, mitten in dieser Welt steht dieses Mädchen aus Nazareth vor uns: Da kommt der Engel des Herrn zu ihr und verkündet ihr, dass sie vom Höchsten selbst empfangen und einen Sohn gebären wird, der auf dem Throne Davids sitzen und dessen Herrschaft kein Ende haben soll, und Maria spricht einfach: "Ecce, ancilla Domini…" - "Sieh, ich bin die Magd des Herrn…" - Schlicht und einfach. Beileibe nicht die Gefühlswallungen einer Mirjam, die mit Pauke und Tanz nach dem Durchzug durch das Schilfmeer jubelt, oder eines Ijob, der sich in die Asche setzt und sich mit einer Scherbe schabt. In der vertrauensvollen Zweierbegegnung Marias mit ihrer ebenfalls schwangeren Verwandten Elisabeth erklingt das Magnificat: "Meine Seele preist die Größe des Herrn…" Freilich, auch dort heißt es, die Mächtigen würden von ihren Thronen gestürzt. Aber die Motivation ist nicht Gottes Machthunger, sondern vielmehr Sein Erbarmen mit den Kleinen, den Schwachen, den Hungrigen…,

"…weil er die Niedrigkeit seiner Magd angeblickt…" (Lk 1,48)

Und dann die Geburt Jesu: Lukas erzählt in seiner Weihnachtsgeschichte vom Steuerbescheid des Kaisers Augustus, von den Statthaltern und Königen, vom Weg Josefs und Marias nach Betlehem, der Niederkunft in einem Stall, den Engeln auf den Hirtenfeldern, dem Besuch der Hirten beim Neugeborenen und ihrem Bericht von dem, was ihnen die Engel über dieses Kind gesagt haben… -

"Maria aber hielt all diese Worte verwahrt und fügte sie in ihrem Herzen zusammen…",

übersetzt Friedolin Stier den Vers Lk 2,19, den wir auch vorhin wieder im Evangelium gehört haben. Maria macht kein großes Aufheben um das, was da mit ihrem Sohn geschieht. Sie bewahrt alles in ihrem Herzen. - Wenige Verse nach unserem heutigen Evangelientext schildert Lukas die Ereignisse um den Zwölfjährigen im Tempel und die sich sorgenden Eltern. Auch dort heißt es dann wieder:

"Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen." (Lk 2,51).

- Lukas sagt an dieser Stelle auch ausdrücklich, dass die Eltern nicht verstanden, was Jesus ihnen da im Tempel sagte: Er müsse in dem sein, was seinem Vater sei.

Ich weiß nicht, ob Maria jemals verstanden hat, was es mit ihrem Sohn auf sich hat, aber sie war ihm treu, war ihm Mutter und Jüngerin. Nicht im Hurra-Jubelton eines Petrus, der dann auch ganz schnell im Palast des Hohenpriesters wieder verstummen kann, und auch nicht im beschäftigten Arbeiten und Tun einer Marta, die dann doch zu hören bekommt, dass ihre Schwester Maria, die Jesus zu Füßen saß und ihm zuhörte, das Bessere gewählt habe.

"Maria aber bewahrte alles in ihrem Herzen…"

- Dieser Satz wurde mir in den letzten Jahren einer der wertvollsten Sätze der Heiligen Schrift. Ein Satz, den ich aber auch immer wieder unter den Schuttbergen des Alltages ausgraben musste. Denn so tief seine Bedeutung ist, so tief kann er auch im Alltag untergehen, weil es eben doch einfacher zu sein scheint, herumzuwuseln wie Marta oder große Bekenntnisse abzugeben wie Petrus. Ich musste diesen Satz aber auch nicht nur immer wieder ausgraben, ich durfte ihn auch immer wieder entdecken. Und immer dann stehe ich staunend vor diesem Satz und stehe staunend vor der Gottesmutter. Denn die Maria, die mir in diesem Satz begegnet, die ist offen und aufmerksam für das, was um sie geschieht, ohne dass sie es einfach unkritisch und fromm hinnehmen würde. Wo Fragen zu stellen sind, da stellt Maria sie auch: Wie soll ich denn einen Sohn empfangen, da ich keinen Mann erkenne? oder: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich gesucht. - Maria trivialisiert ebenso wenig wie sie dramatisiert… Sie bewahrt das Geschehene schlicht im Herzen und setzt es dort zusammen. Und so sehe ich diese Frau dem Engel gegenüber stehen. Ich sehe sie in der Grotte in Betlehem neben ihrem Neugeborenen liegen, und sehe sie überall dort stehen, wo das Unfassbare doch konkret wird und Gestalt annimmt, wo neues Leben beginnt, wo Feinde sich die Hände zur Versöhnung reichen. Ich sehe sie unter dem Kreuz stehen und überall dort, wo Gewalt und Unrecht das Leben entwerten, es verleumden, entstellen, auslöschen. Und ich sehe sie wieder im Kreis der Zeugen der Auferstehung und der Empfänger des Heiligen Geistes sitzen, dort, wo das neue Leben in Gott beginnt.… Und sie bewahrt alles, was geschieht in ihrem Herzen…

Die Kirche begeht heute nicht nur den Oktavtag von Weihnachten und das Hochfest der Gottesmutter Maria, sondern darüber hinaus auch den Weltfriedenstag. Vor 40 Jahren hat Papst Johannes XXIII. mit der Enzyklika Pacem in Terris (Frieden auf Erden) eines der bis heute maßgeblichen lehramtlichen Dokumente zur kirchlichen Friedensvorstellung vorgelegt. In seiner Botschaft zum heutigen Weltfriedenstag greift Papst Johannes Paul II. erneut den Titel der Enzyklika auf und überschreibt seine Botschaft mit "Pacem in Terris - eine bleibende Aufgabe". Dass der Friede auf Erden für uns Menschen eine bleibende Aufgabe ist, wird kaum jemand bestreiten. Es stellt sich im Einzelfall nur die Frage, wie man dieser Aufgabe entgegentritt.

Und sie stellt sich konkret auch an uns als Mönche hier auf dem Zion. Unser Stichwort heißt: Friedensakademie Beit Benedikt. Aber was heißt das nun wieder? - Wollen wir große Friedensbekenntnisse abgeben, so wie Petrus sich mit Feuereifer zu Jesus als dem Messias bekannt hat? Ja, irgendwie bestimmt. Wollen wir wie Marta alles tun, damit es unseren Gästen an nichts fehlt, sie umhegen und umsorgen und tun und machen? Auch das wohl irgendwie… - Wichtiger und tragfähiger scheint mir aber die Haltung Mariens zu sein: Offen und aufmerksam sein für das, was geschieht, nichts in keiner Richtung überzeichnen und alles, was geschieht, im Herzen bewahren. Das scheint mir eine echt monastische Haltung zu sein.

Übermorgen, von Freitag- bis Samstagnachmittag werden wir in Bet Josef zwanzig junge Erwachsene aus Israel und Palästina zu Gast haben: die erste Gruppe, die sich im Rahmen unserer Friedensakademie hier auf dem Zion trifft. - An dieser Gruppe lässt sich einiges spiegeln: Wir kamen zu der Gruppe wie die Jungfrau zum Kind: unerwartet, aber doch aufmerksam für den Augenblick. Für unsere Friedensakademie haben wir zwar als Grundlage ein Konzept erarbeitet, aber derzeit haben wir weder einen Direktor noch einen Mitarbeiterstab, wir haben keine Programm mit Veranstaltungen ausgearbeitet… Alles, was wir haben, das sind wir selbst: Wir Mönche und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unser Kloster und Bet Josef. Diese jungen Leute kommen, um sich zu treffen und miteinander zu reden. Friedensarbeit auf Graswurzelniveau nennen das die Profis im Friedensgeschäft. Ein Geschäft, in dem wir zwar arbeiten werden mit Beit Benedikt, von dem wir als Mönche aber niemals ein Teil werden wollen und dürfen.

Kriege und Konflikte überall auf der Erde.
Weihnachten 2002 im Heiligen Land.
Das Hochfest der Gottesmutter Maria.
Weltfriedenstag 2003.
20 junge Palästinenser und Israelis, die sich auf dem Zion treffen, um über eine gemeinsame Zukunft in Frieden und Freiheit zu reden.
- Und wir, wir sitzen mitten drin! Die Gruppe, die am Freitag kommt, sie liegt für uns wie ein neugeborenes Kind in der Krippe, einem provisorischen Bettchen. Es kann viel Geschrei um nichts sein, es kann auch ein echter Schrei aus Hunger oder Angst sein. Es kann auch in die Windeln gehen… Es kann auch groß werden…

Die Friedensakademie Beit Benedikt: Was aus ihr wird? Ob sie "Erfolge" wird verzeichnen können? - Ich glaube, all zu viele Gedanken müssen wir uns darum gar nicht machen: Kardinal Carlo Maria Martini hat das Internationale Gebetstreffen von Assisi 1994 als eine "Wette auf die Wirksamkeit des Gebetes" bezeichnet. Das gilt auch für unsere Friedensakademie Beit Benedikt: eine Wette auf die Wirksamkeit des Gebets. Das ist unsere Aufgabe: In unserem Hiersein als Mönche auf dem Zion für diese übernatürliche Wette einzustehen! Deshalb ist es auch nicht weniger als angemessen, wenn wir heute, am Weltfriedenstag und Hochfest der Gottesmutter Maria, hier im Rahmen der Eucharistiefeier unserer Klosterfamilie unsere Friedensakademie Beit Benedikt eröffnen. Es werden noch weitere, offiziellere und aufwendigere Eröffnungs- und Einweihungsfeierlichkeiten folgen mit vielen Gästen und Häppchen und Musik und gelehrten Reden. Aber im letzten muss sich all unser Bekenntnis zum Frieden und unser Umsorgen der Gäste von Beit Benedikt immer wieder hier an den Altar und das Chorgestühl zurückbinden, an die Feier der Eucharistie und der Stundenliturgie im Kreis der Mönche, der Mitarbeiter, Gäste und hoffentlich bald auch wieder der Studenten.

Hier ist unser Herz, in dem wir all das, was um uns herum geschieht bewahren und bewegen dürfen. Und um das zu dokumentieren, darf ich Sie alle einladen, sich nach der Eucharistiefeier als Erste in das Gästebuch unserer Friedensakademie einzutragen, das vorne am Benediktsaltar ausgelegt ist.

Mit dem heutigen Tag also tritt unsere Friedensakademie, bislang nur ein Projekt auf Papier, ins Leben, in aller ihrer Vorläufigkeit und Bruchstückhaftigkeit. Ich stehe hier als Novize, einer von derzeit elf Brüdern ohne Feierliche Profess. Wie unsere junge und - dem Allmächtigen sei Dank - wachsende Gemeinschaft noch er-wachsen werden muss, noch ihr Profil finden muss, so wird es letztlich auch bei unserer Friedensakademie sein. Wir dürfen sie am heutigen Weltfriedenstag unter den besonderen Schutz der Gottesmutter Maria stellen und ihrer Fürsprache. Es ist ein Abenteuer, auf das wir uns einlassen. Aber es ist ein Abenteuer im Glauben. Und Glaube, so las ich dieser Tage einen Satz von Kardinal Ratzinger: "Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft!" - Ja, das wünsche ich der Friedensakademie Beit Benedikt: Dass sie getragen und gehalten wird vom Glauben an unseren Mensch gewordenen Herrn und Gott, und dass sie sich so der Schwerkraft des allzu Menschlichen entziehen kann, ohne die Botschaft der Menschwerdung des Herrn zu verleugnen… - Maria bewegte es in ihrem Herzen…

Br. Basilius Schiel OSB