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Meldung im Detail


Für mehr als 40 Tage

11. März 2011

Wüste Juda. Zweite Predigt von P. Jonas Trageser OSB zum „Tor zur Österlichen Bußzeit" am 10./11. März 2011, St. Magdalenen/Hildesheim

Schrifttexte: Jes 58, 1-9a und Mk 1,12-15

Nach all dem, was wir gestern zur Bedeutung der äußeren und inneren Wüste gesagt haben, soll es heute um Praktische Anregungen für die 40 Tage gehen.

Aufräumen ist angesagt

Dazu ist zuallererst Offenherzigkeit nötig, damit Gott Platz in meinem Herzen finden kann. Platz, der erst einmal freigeräumt werden muss. Da muss entrümpelt werden. Da muss man sich von manchem trennen, an das man sich doch so gewöhnt hat: nicht immer das letzte Wort haben, weniger urteilen, nicht fluchen, nicht murren, auf Alkohol und manche Leckereien bewusst verzichten, vor Mitternacht schlafen, die schon so lange gepflegten Vorurteile verlassen, mal bewusst auf s Handy verzichten.

So lange da in uns noch diverse wilde Tiere herumtoben, die das Kommando übernommen haben und zu allem Überfluss auch noch immer wieder reichlich gefüttert werden, wird keine Ruhe einkehren. Der Prophet Jesaja sagt uns:

Nur in Umkehr und Ruhe liegt Eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.
(Jesaja 30,15)

Vor Gott hinstellen

Offenherzigkeit heißt aber auch, sich offen vor Gott hinzustellen: Ja, Herr, in mir ist Wüste! Schau sie dir an, meine vielen Verwüstungen, meine trostlosen Steppen, mein großes, unzählbares Ego Sanddüne, meine Dürre und mein geistliches Vertrocknet-Sein... wir könnten Bücher damit füllen!
Schau sie dir an, unsere Beziehungswüsten, unsere qualvollen Verletzungen, unsere Heucheleien und Schönfärbereien, unsere Resignation, unseren Stolz und unsere Feigheit, unsere tägliche Auflehnung gegen dich und deine Barmherzigkeit.

Die wilden Tiere werden nicht verschwinden. Auch Jesus hat in der Wüste mit ihnen gelebt, sagt das heutige Evangelium.
Doch die wilden Tiere können dazu gebracht werden, einem nichts anzuhaben. In der Wüste kann man lernen, mit seinen wilden Tieren zu leben. Man kann sie kennenlernen und ihnen nicht so leicht aus dem Weg gehen. Man lernt ihre Gewohnheiten besser kennen und weiß, wann sie besonders munter sind. Man bekommt Respekt vor ihnen, aber man muss nicht vor ihnen davonlaufen.

Die Wüste ist eine Schule, sie ist ein Trainingscamp, wie diese 40 Tage eine intensive Glaubensschule, Gemeindeexerzitien sind. Die Wüste hat ihre Berechtigung, auch wenn manch einer das nicht sieht, solange er leidend darin hockt.

Eine Schutzimpfung?

Eine Redewendung sagt: Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten. So ist es auch bei der Frage nach meiner persönlichen Wüste, in der ich vielleicht schon zu verdorren drohe und mir völlig gottverlassen vorkomme. Die Frage „Warum gerade ich?“ darf man schon stellen. Ja, es wäre sogar schlimm, wenn man sie nicht stellen würde. Dann nämlich hätte man schon komplett aufgegeben. Aber warum gerade ich? Warum muss mir das passieren?

Dazu einen kleinen Denkanstoß: Wir alle wissen, was eine Schutzimpfung ist. Eine für die Gesundheit wirklich gefährliche Substanz wird dem Körper in einer solchen Dosis zugeführt, die er noch verkraften kann.
Das Immunsystem nimmt den Kampf gegen den krankmachenden Eindringling auf und gewinnt ihn nach einer Weile, weil es geeignete Abwehrstoffe bildet. Dabei kann es durchaus zu hohem Fieber, Zerschlagenheit und anderen Krankheitsanzeichen kommen. Doch es entsteht bald eine gute Immunabwehr gegen den Feind.

Die meisten dieser Schutzimpfungen müssen dennoch von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden, damit der Impfschutz weiterhin leistungsfähig bleibt. Wer dagegen nicht geimpft ist und dann von einem bedrohlichen Krankheitserreger heimgesucht wird, kann dies mit dauerhaften körperlichen Schäden oder sogar mit dem Leben bezahlen.

Seit dem Aschermittwoch stehen wir in dieser Auffrischungszeit und sind dankbar dafür, dass wir uns jedes Jahr erneuern dürfen, wenn wir uns dem Geist Gottes stellen und uns von ihm hinausführen lassen in seine Weite.

Zeit der Auffrischung

Jesus ging gestärkt aus der Weite der Wüste hervor, weil er der Versuchung durch den Satan erfolgreich widerstand. Der Kampf in der Wüste hatte ihn eben nicht geschwächt, sondern hatte ihm gewissermaßen die besten Abwehrstoffe geliefert. Sogar die Engel dienten ihm, heißt es im Evangelium, also die Verbundenheit nach oben. Der Krankheitserreger namens Satan wurde im Laufe der 40 Tage endgültig besiegt.
Wir alle leben in einer Welt, in der wir immer wieder den Angriffen des Bösen ausgesetzt sind. Da ist es gut, im Trainingslager der Wüste, in dieser uns neu geschenkten Zeit der 40 Tage, eine geistliche Schutzimpfung zu bekommen und zu wollen, die mich neu im Glauben kräftig, erneuert und erfrischt, belebt und vitalisiert.

Wie wäre es, wenn wir uns dazu wieder einmal ganz bewusst die Bibel zur Hand nähmen. Vielleicht ein Buch auswählten, um es jeden Tag intensiv zu lesen und darüber glaubend nachzusinnen und am Ende zum Gebet zu finden? Wüste ist ja nicht nur die biologische Einöde, sondern meint im übertragenen Sinn auch andere schwierige, lebensfeindliche Situationen.

Direkt am Jordan war nicht Wüstenlandschaft, aber im weiteren Umfeld. Und es gab, wie vorher angedeutet, eine andere Art von Wüste: die Gefahr von Hoffnungslosigkeit. Deshalb die Frage an uns: Glaube - gibt der überhaupt eine Perspektive, die heute trägt, und zwar nicht nur für mich, sondern auch durch mich für andere Menschen?
„Christ ist man nicht für sich allein, Christ ist man für andere“. So ist der Blick von sich weg auf andere auch eine gute praktische Seite der Fastenzeit.

Vielleicht ist es auch gut, sich zusammenzutun, um gemeinsam SEIN Wort zu lesen und zu bedenken und dann daraus konkrete Schritte auf den Kranken, den Nachbarn, den Notleidenden zu gehen, den Verwandten, den Nächsten zu gehen.

In und aus der Wüste der Ruf zur Umkehr

In unsere Wüstensituation hinein wird Johannes zum Verkünder einer frohen Botschaft. Deshalb steht er bei Markus ganz am Anfang des Evangeliums. Er gehört schon zur frohen Nachricht dazu. Er verkündet, dass nun endlich erfüllt würde, was seit Jahrhunderten verheißen war. Dass Gott endlich das Volk befreien werde. Und deshalb ruft er auf: Macht euch bereit. Reinigt euch. Wandelt euer Denken und Handeln. Macht Platz für den, der grösser ist, als ich.
Er predigt und tauft - auf Hoffnung und Zukunft hin. Er trotzt den Umständen, die gegen ihn sprechen. Der „Wüste“, dem Frust.

Dieses Trotzdem der Hoffnung gilt noch heute. Ich möchte Ihnen Mut machen, Rufer in der Wüste zu sein. Nicht Rufer in der Wüste ohne Hoffnung, sondern mit Hoffnung. Mit der lebendigen Hoffnung.
Ich weiß, dass sich immer wieder Menschen in unseren Gemeinden Gedanken machen über die Zukunft unserer Kirche. Kann es überhaupt noch lange weiter gehen? Wie können wir unseren Auftrag leben? Wie können wir angemessen über Gott reden? Interessiert das überhaupt noch jemand?
Ich bitte Sie: Trotzen Sie dem Angriff des Frusts. Er ist eine zerstörerische Macht, die nie etwas zum Guten wenden kann. Wir haben von Jesus Christus feste Zusagen, die heute noch gelten: Die Zusage, dass er bei uns sein will überall, wo wir sind. Er sagt uns: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10b). Fülle ist kein übervoller Bauch, nicht 40 Fernsehsendungen und nicht noch mehr Angebote im Supermarkt. Fülle ist nicht Betäubung. Wer Fülle will, muss leer werden. Mit vollen Händen kann man nichts empfangen. Wer hören will, muss die Stille aushalten.

Jesu Zusage un uns

Nicht zuletzt haben wir seine Zusage und seine Hilfe durch den Heiligen Geist.

Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.“
(Mt 28,20)

Ob wir dies IHM glauben?

Der Ruf in die Nachfolge ist ein Ruf an Sie und mich, an dich und uns alle zuerst: lass dich davon überzeugen, dass Jesus Christus das Wort Gottes für unsere Welt ist und auch für Dich heute. So tragen wir das, was wir von ihm erhalten haben, die Erfahrungen, die wir machen, die Hoffnung, die wir haben, in diese Welt. Dafür sind wir verantwortlich.

In diesem Sinn können uns die Botschaft von der Wüste und auch der Wüstenmensch Johannes ein Ansporn sein. Wir dürfen, sollen, müssen, oft Rufer in der Wüste sein, gerade heute. Deshalb möchte ich Ihnen Mut machen: trotzen Sie dem, was Sie niederreißen möchte: dem Frust, negativen Gedanken, Enttäuschung. Christus ist der Herr der Gemeinde – ER kenn Gegenwart und Zukunft. Was die Zukunft bringen mag, wissen wir nicht, ob sie in unseren Augen erfolgreich oder schwierig sein wird - sie wird Gottes Zukunft sein. Gott sagt: „Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben“ (Jer 29,11). Darauf können wir bauen.

Amen.