Es ist Weihnachten, und es ist Zeit zu singen...
25. Dezember 2012
Predigt von Pater Basilius am Weihnachtstag in der Dormitio (25. Dezember 2012)
Es ist Weihnachten, liebe Schwestern und Brüder. Es ist Weihnachten, und es ist Zeit zu singen. Zu singen von der Barmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes, auch wenn wir sie wohl nie verstehen und durchdringen werden. Aber singen können wir davon.
In den Kindheitserzählungen des Evangelisten Lukas sind uns einige der schönsten Lieder des neuen Testamentes überliefert. Und die Kirche singt diese Lieder aus dem Umfeld des Weihnachtsfestes bis heute jeden Tag: Das Benedictus des Zacharias – Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels – am frühen Morgen und das Magnificat Mariens – Meine Seele preist die Größe des Herrn – am Abend, und schließlich an der Schwelle zur Nacht den Dank- und Lobgesang des greisen Simeon – Nun entlässt Du, o Herr, Deinen Knecht in Frieden.
Es ist Weihnachten, und wir singen. Wir singen mit den Engeln aus der Nacht über den Feldern Bethlehems Gloria in excelsis Deo – Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.
Diese wunderbaren Lieder aus dem Lukasevangelium haben ihren festen Platz im Gebetsleben und in der Liturgie der Kirche.
Doch der schönste und dichteste Hymnus der ganzen Heiligen Schrift glänzt über dieser Eucharistiefeier am Weihnachtsmorgen. An kaum einer Stelle im Neuen und Alten Testament treffen Poesie und Theologie so wundersam zusammen wie in diesen ersten Versen aus dem Johannesevangelium:
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott…
Alleine dieses „im Anfang“ entzieht sich im letzten völlig unserer Vorstellung. Geht es um den Anfang der Schöpfung nach jüdischer Zählung, 5773 Jahre zurück? Geht es um das Alter der Erde oder des Universums, 4,6 Milliarden oder 13,7 Milliarden Jahre zurück?
Jahreszahlen wirken hier geradezu absurd und nichtssagend. Im Anfang… Aber wir ahnen, wenn wir die Verse aus dem Johannesevangelium hören, dass es da um etwas geht, was uns zwar unvorstellbar übersteigt, was uns aber auch unbedingt und unmittelbar angeht. – Im Anfang war das Wort… Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Deutlicher als „Fleisch“ kann es kaum werden. Das Fleisch gewordene Wort Gottes, der Gottes- und Menschensohn, Er hat in diesem Fleisch in diesem Land ein Leben geteilt, das schon heute mit Klimaanlagen und Wasserspendern, mit Kriegen und Bunkern nicht immer einfach ist. Wie mühsam und belastend mag es vor zweitausend Jahren gewesen sein. Aber Er hat unter uns gewohnt.
Er hat unter uns gewohnt, um uns zu erlösen, um in unsere Finsternis Licht und Leben zu bringen. Jenes Licht und jenes Leben, die schon in jenem Anfang, jenem nahen und fernen Anfang stecken, den wir in unserer Begrenztheit für so weit entfernt und so unerreichbar halten, den wir durch unser Denken, Sagen und Handeln so weit von uns entfernen und unerreichbar machen.
Und dann ist Weihnachten, und wir, wir sollen singen?
Durch die stille Nacht, parapapapum,
da ging ein kleiner Junge, rapapapum…
Liebes Christuskind, bin nur ein kleiner Junge…
Wo alte Könige mit Gaben steh’n,
lässt man vielleicht mich
gar nicht zu dir geh’n….
Kann nur trommeln für dich,
wenn’s dir gefällt…
Und er trommelt, der kleine Junge, parapapapam.
Der englische Originaltext wird dabei in der dritten Strophe noch persönlicher als die deutsche Übersetzung:
I played my drum for Him
parapapapum
I played my best for Him
parapapapum.
Then He smiled at me
parapapapum
Me and my drum.
Ja, es ist Weihnachten. Und auch wenn wir uns so manches Mal wie ein kleiner Junge vorkommen, der durch die finsteren Straßen des Lebens zieht, ohne Schutz und Sicherheit, nur mit einer kleinen Trommel, einem Spielzeug: Wir dürfen singen und spielen.
Wie der kleine Junge, wie die Hirten, wie die drei Sternendeuter aus dem Osten dürfen wir dem Licht des unsagbaren Gottes folgen, das uns in der Feier vergangenen Nacht wieder neu aufgestrahlt ist. Und wir kommen an an der Krippe. Stehen vor einem Menschenkind, stehen vor dem Menschsein selbst.
Wenn Gott selbst Mensch wird, gibt Er uns damit ein ungeheures Versprechen. Wenn Er unser Fleisch annimmt, unser Leben und unser Sterben teilt, dann sind wir nicht verloren und alleine auf den Straßen durch unser Leben.
Du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer hergestellt..
So betet die Kirche im Tagesgebet dieser Eucharistiefeier am Weihnachtstag.
Wunderbar erschaffen und noch wunderbarer hergestellt. Weihnachten ist eine wunderbare Zusage auch an uns als Menschen.
Weihnachten bedeutet auch, dass wir unser Menschsein ernst nehmen sollen. Wenn Gott sich ganz gibt, wenn Er in die Welt kommt, uns Sein Licht bringt, uns Seine Herrlichkeit spüren lässt, uns Gnade und Wahrheit schenkt, dann sollten auch wir zumindest singen.
Es ist Weihnachten. Und wir dürfen singen. Wir dürfen ganz Mensch sein, ganz Mensch werden. Menschen, die fröhlich und traurig sind,
die lachen und weinen,
die suchen und fragen,
die straucheln und wieder aufstehen,
die sich um andere sorgen und sich von anderen helfen lassen,
die zusammen leben, arbeiten und beten,
die forschen und studieren,
die bauen und konstruieren,
die malen und schreiben und singen. – Menschen.