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Realistischer leben

21. März 2013

Predigt von Abt Gregory zum Hochfest des Heiligen Benedikt (21. März 2013)

Benedikt von Nursia. Mönchsvater und Patron Europas.

Transitus

In der monastischen Tradition gilt das heutige Fest im Allgemeinen als das größte unserer Feste des heiligen Benedikt. Es ist seine Geburt in das ewige Leben, sein Transitus, sein Hinübergang vom Tod ins Leben, seine Reise mit Christus aus den Schatten dieser vergänglichen Welt in die leuchten-de Gegenwart Gottes. Die Darstellung seines Todes, wie sie uns sein Biograph, der heilige Papst Gregor der Große, über-liefert, ist für uns ein hervorragendes Beispiel dafür, was die Menschen im Mittelalter Ars Moriendi – die „Kunst zu sterben“ – genannt haben.

Gestärkt durch die Heilige Kommunion und gestützt durch die Hände seiner Brüder, gibt Benedikt im Oratorium seines Klosters seinen Geist zurück an Gott. Alle wichtigen Elemente eines guten Sterbens sind hier gegeben: die Unterstützung durch die Kirche und die Gemeinschaft sowie die Liturgie, in der Christus selbst kommt, um uns Speise zu geben, verhüllt in den sakramentalen Zeichen.


Den Tod täglich vor Augen…

In seinem Kommentar zu Benedikts Mönchsregel bezeichnet Papst Gregor sie als einen Einblick in das Leben dieses großen Heiligen, denn er konnte sie nicht anders schreiben als er lebte. Aber es scheint mir, dass Benedikt auch nur so sterben konnte wie er es tat, wenn er nicht so gelebt hätte, wie er es tat! Daher kann er auch für uns heute ein Vorbild sein in der Ars Moriendi, der Kunst, so zu sterben, wie es Gott gefällt.

In seiner Regel weist uns Benedikt an, dass wir uns „den Tod täglich vor Augen halten“ (RB 4,47) sollen. Ich denke, er hat damit nicht gemeint, dass wir uns ständig morbiden Gedanken hingeben sollten, oder dass wir die guten Dinge dieser Erde hassen sollten, weil wir uns ja immer nach den besseren Dingen des Himmels sehnen sollten! Das war genau die Anklage des weltverleugnenden Nihilismus, wie sie der radikal-atheistische Philosoph Nietzsche gegen die finsteren Christen seiner Zeit vorbringt – und das nicht zu Unrecht.

Tatsächlich aber hätten wohl die antiken Philosophen, so-wohl lateinischer wie griechischer Herkunft, dem heiligen Benedikt zugestimmt. Für sie bedeutet die Philosophie in ihrer aufrichtigsten Form, dass man sich täglich auf den Tod vorbereitet – ein Ziel, das das monastische Leben in der Welt der Spätantike erreichte. Ich glaube, was die alten Philosophen und die frühen Mönche dabei im Sinn hatten, ist etwas sehr einfaches:


Gelassenheit

Wach dafür zu werden, dass es ein Ende gibt, nicht nur ein Ende des Lebens als solchem, sondern ein Ende meines Lebens, und zu erkennen, dass ich nicht ewig bin, dass ich nicht für immer existiere, was bedeutet, anfangen realistisch und aufrichtig zu leben. Indem ich meinen Fokus auf das wahre Ziel meines Lebens ausrichte – auf die Einheit mit Gott, auch schon in dieser vergänglichen Welt, kann ich da-mit beginnen, eine neue Haltung zu kultivieren: die Haltung, loszulassen. Die deutschen Mystiker nannten das Gelassenheit.

Wenn ich die radikale Relativität aller Dinge anerkenne – das Faktum, dass alle Dinge sich ändern und vergehen, und dass ich mit ihnen vergehe, dann lerne ich, nicht an Menschen, Orten oder Dingen festzuhalten, sie nicht zu Objekten zu machen. Ich lerne, meinen strangulierenden Griff zu lösen und schrittweise loszulassen. Ich lerne, nicht zu klammern, letztlich nicht einmal am Leben selbst.

In der Tat hat uns erst vor kurzem ein anderer Benedikt in einem großartigen Akt von Gelassenheit diese Weisheit des Loslassenkönnens vor Augen geführt. Vielleicht der wichtigste Akt seines Petrusdienstes.


Realistischer leben

In Psalm 90 beten wir: „Unsre Tage lehre uns zählen! / Dann erlangen wir ein weises Herz.“ Weise in diesem Sin-ne werde ich, wenn ich erkenne, dass Gott alleine ewig und unveränderlich ist, und dass es nur in der Einheit mit Ihm wahres und ewiges Glück gibt.
Der heilige Benedikt ist so gestorben, wie er gelebt hat. Der Tod kann uns also nie überraschen, wenn wir lernen, ihn zu erwarten und ihn willkommen zu heißen, wenn er kommt. Ein Christ weiß, dass der Tod nie das Letzte ist, denn Christus ist wahrhaft auferstanden.

Lasst uns gemeinsam mit dem heiligen Benedikt und mit der Gottesmutter, besonders hier in der Dormitio, dem Ort ihres Übergangs, aber vor allem zusammen mit unserem Herrn Jesus Christus, der sterbend am Kreuz gebetet hat: ?? „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“?? (Lk 23,46), lasst uns mit ihnen unsere Anhänglichkeit an dieses Leben etwas lockern, lasst uns realistischer leben, wachsamer für unsere Sterblichkeit.

Und wenn dann der Tod schließlich kommt, sollten wir ihm wie unser heiliger Vater Benedikt keinen Widerstand leisten wie einem Feind, sondern ihn empfangen wie einen Freund – wie einen, der uns aus den Schatten führen wird in Gottes ewiges Licht.

Amen.