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Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten

12. November 2013

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

In dieser Zeit um Allerheiligen und Allerseelen denken wir öfter als zu den übrigen Zeiten des Kirchenjahres an unsere Verstorbenen. Wir gedenken nicht nur allgemein „aller Heiligen“ und „aller Seelen“, sondern besonders der Verstorbenen, die uns nahe standen und stehen. Fragen wir uns noch: Was ist das Geschick der Verstorbenen? Leben sie weiter in einer anderen, neuen Welt? Wissen sie um uns? Werden wir sie wieder sehen? Manche haben Angst vor den Verstorbenen. Nicht wenige verdrängen all diese Fragen und denken einfach nicht mehr an sie. Reinhold Schneider bedauert diesen Abbruch der Beziehungen: „Es gehört zum großen Unglück der Welt, dass sie verlernt hat, mit den Toten zu leben und zu hören auf die stillen Einflüsterungen aus dem anderen Reich“.
Solche und ähnliche Gedanken sind der Hintergrund des heutigen Evangeliums. Einige Sadduzäer, die die Auferstehung leugnen, die glauben Bescheid zu wissen, wollen Jesus mit einer Frage in Verlegenheit bringen. Sie bringen das Beispiel von einer Frau, der nacheinander sieben Männer sterben. Wenn nun alle von den Toten auferstehen, wessen Frau wird sie nun sein? Die Frage ist nicht so weit her geholt. Sie stellt sich manchen, die zwei- oder dreimal glücklich verheiratet waren. Jesus geht souverän mit ihrer plump konstruierten Frage um. Statt den Fall aufzugreifen, zeigt er, dass dieser ganze Ansatz falsch ist. Jesus hebt bei seiner Antwort die ganze Frage auf eine andere Ebene. Man darf sich das Leben nach dem Tod nicht als eine lineare Fortsetzung des bisherigen, diesseitigen Lebens, vorstellen, wir wären arm dran! Er sagt: „Nur in dieser Welt heiraten die Menschen. Die aber, die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teil zu haben, werden dann nicht mehr heiraten.“ Die kommende Welt ist anders. In dieser neuen Welt „können die Menschen auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung zu Söhnen und Töchtern Gottes geworden sind“. In der kommenden Welt wird sich die Persönlichkeit der Verstorbenen nicht in Wohlgefallen auflösen, Gott sei Dank. Im Gegenteil: Sie werden zu „Söhnen und Töchtern Gottes“. Denn Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten. Für den christlichen Glauben ist der Tod nicht einfach ein Mir-genommen-Werden und damit letzte Grenze, sondern ein Aufgenommen-Werden, man könnte auch sagen Aufgehoben Sein. Das meinen wir Christen, wenn wir sagen: Der Mensch, ja die ganze Schöpfung ist im Himmel gut aufgehoben. Wer sich aufgehoben fühlt, liebe Schwestern und Brüder, kann sich hingeben, deshalb ist der Tod nicht mehr Vernichtung, sondern Ort der Hingabe, der letzten Hingabe an Gott, aber auch der ganz neuen Hingabe Gottes an den Menschen.

In der kommenden Welt werden auch die Beziehungen unter den Verstorbenen nicht verloren gehen; sie werden geläutert und gewandelt. Da gibt es keine Eifersucht, keinen Neid, nichts, was die Beziehung zerstören kann. Wenn dies so ist, dürfen wir hoffen, dass es in dieser kommenden Welt auch ein glückliches Wiedersehen gibt, das durch geschehenes Unrecht und anderes nicht mehr belastet ist.

Unsere katholische Kirche glaubt aber auch daran, dass es nicht nur unter den Verstorbenen eine lebendige Beziehung gibt sondern auch zwischen den Lebenden und Verstorbenen. Dies bekennen wir jedes Mal, wenn wir im Glaubensbekenntnis sprechen: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen“. Ich glaube an die Gemeinschaft unter den Heiligen im Himmel, den Verstorbenen und den lebenden Christen auf Erden. Das Gebet zu den Heiligen, das Gebet für die Verstorbenen hat nur einen Sinn, wenn es diese solidarische Gemeinschaft gibt. Am Ende des heutigen Evangeliums fällt auf, dass die Sadduzäer etwas scheinheilig sagen: “Meister, du hast gut geantwortet.” War das ehrlich gemeint? Nun erstaunt, dass Jesus mit keiner Bemerkung oder Geste auf die Aggression in diesem Auftreten der Gelehrten eingeht. Auch belehrt er sie während der ganzen Szene nicht direkt oder weist sie gar zurück. Die Botschaft von der Gegenwart Gottes in Jesus Christus kann eben nicht auf dem Weg der Härte und Disziplinierung vermittelt werden. Dass sie verstanden, erkannt und erfahren wird, dafür braucht es den liebevollen Zeugen, der aus seiner eigenen Glaubensüberzeugung heraus lebt. Das galt zurzeit Jesu, zur Zeit der Apostel - und das gilt auch für unsere Zeit.

So erhoffe ich für all meine Lieben nach der Spanne dieses Lebens neues Leben in der Gemeinschaft mit Gott und mit dem auferstandenen Christus. Aber auch mit all denen, die uns vorausgegangen sind, bezeichnet mit dem Siegel des Glaubens. Ich bin davon überzeugt, dass alles durch Gottes Liebe bewahrt wird, was der Mensch aus vertrauendem Glauben, in Hoffnung und Liebe in seiner Lebensgeschichte getan und erlitten hat.

Amen.