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Und die Sterne fallen vom Himmel

30. November 2014

Erster Advent Erster Advent

Predigt von Pater Basilius am Ersten Advent in Tabgha (30. Oktober 2014)

Wenn Sterne vom Himmel fallen...

Und die Sterne werden vom Himmel fallen. – Keine schöne Perspektive an diesem Ersten Advent, wo wir es uns doch eigentlich nett und gemütlich machen wollten. Mit Kerzen und Gebäck und vielleicht auch Glühwein.

Aber: Die Sterne werden vom Himmel fallen. – Liebe Schwestern und Brüder, gegen Ende des alten Kalenderjahres fallen uns sicher einige Menschen ein, für die in diesem Jahr Sterne vom Himmel gefallen sind, für die die Sonne sich verfinstert hat und der Mond nicht mehr schien, für die die Kräfte des Himmels, die Kräfte ihres Lebens erschüttert wurden. – Menschen aus unserem privaten Umfeld, denen Krankheiten oder Krisen oder schwierige Entscheidungen das Leben erschüttert haben. Die Opfer der Ebola-Epidemie. Und nicht zuletzt die vielen Frauen und Männer und Kinder, die in diesem Jahr Gewalt und Terror, Vertreibung und Tod erfahren mussten: in Syrien, in so vielen afrikanischen Ländern, in Israel und Palästina, besonders in Gaza. – Und die Sterne fallen vom Himmel.

Meint Jesus das wirklich ernst? – Wenn die Sterne wirklich vom Himmel fallen, und wenn Sonne und Mond nicht mehr scheinen, wenn die Kräfte des Himmels dermaßen erschüttert werden, dann kollabiert schlicht und ergreifend alles. Alles. Nach allem, was wir wissen, würde zu einem solchen Zeitpunkt die Erde vermutlich schon gar nicht mehr existieren, geschweige denn die Menschen, die einst auf ihr lebten.

Und das alles sollte noch innerhalb der Generation geschehen, zu der Jesus diese Worte sprach? – Das war offensichtlich nicht der Fall. – Und auch wenn wir uns die berechtigte Frage, ja, den moralisch notwendigen Appell stellen, dass Jesus vielleicht zu unserer, heutigen Generation spricht, hilft uns das zunächst nicht viel weiter.

Vom Beginn und vom Ende der Welt

Wir wissen, dass die Bibel in anderer Weise von der Erschaffung der Welt erzählt, als es die Naturwissenschaftler tun. Das gilt sicherlich in ähnlicher Weise auch für das Ende der Welt: Auch hier gehen die Bilder der Bibel und die Modelle der Wissenschaft auseinander. – Eine Predigt am Ersten Advent ist – Gott sei Dank! – nicht der Ort, um diese Spannungen erklären zu wollen, oder gar sie zu überbrücken.

Für uns bleibt im Moment das Schreckensbild der Sterne, die vom Himmel fallen: in meinem eigenen Leben, für die Menschen in meinem Umfeld, womöglich gar im umfassenden, kosmologischen Sinn. – Sollen wir deshalb gebannt und erstarrt hocken bleiben, wie ein Kaninchen, wenn es blitzt und donnert. Nicht mehr bewegen, um nichts falsch zu machen? Nichts mehr tun, weil eh alles umsonst ist und vergehen wird? Bestenfalls noch Schutz suchen, sich abkapseln, damit es nicht allzu weh tut, wenn sie vom Himmel fallen, die Sterne?

Sicher nicht!

Die Zukunft voll Hoffnung ergreifen

Jesus selbst gibt uns eine erste Richtungsanzeige, wenn Er sagt, dass niemand den Tag und die Stunde kennt, dass niemand weiß um die Zeit, zu der das alles geschehen wird. – Es spielt für den Augenblick auch keine große Rolle! Denn die Blickrichtung geht dann weiter, nach vorne, ins Leben: „Seht Euch vor! Bleibt wach! Seid wachsam!“ mahnt uns Jesus.

Auch ohne dem Bild von den vom Himmel fallenden Sternen seine Kraft und seinen Schrecken zu nehmen, dürfen wir es etwas runterbrechen: Das Unerwartbare, das scheinbar Unmögliche kann geschehen. Im Schlechten wie im Guten: Es muss nicht alles beim Alten bleiben. Es kann nicht alles beim Alten bleiben! Da, wo wir im Angesicht Gottes leben, da geschieht Leben, Wachstum und Ernte, wie beim Feigenbaum. Da, wo wir uns von Gottes Wort in Anspruch nehmen lassen, da will auch Verantwortung gelebt werden, wie beim Wächter aus den Worten Jesu: Wachsamkeit, kein Schlaf der falschen Sicherheit, kein Ausruhen im Jetzt.
Es gilt, wie Papst Franziskus es in seinem aktuellen Schreiben an uns Ordensleute formuliert, „die Gegenwart mit Leidenschaft zu leben“ und gerade darin „die Zukunft voll Hoffnung [zu] ergreifen“.

Was der Papst da von uns Ordensleuten fordert, gilt natürlich letztlich für alle getauften Christen: Wir müssen um unsere Vergangenheit und Geschichte und Tradition wissen, sollten im Blick auf unseren Glauben, so der Papst, aber keine „Archäologie […] betreiben oder nutzlose Nostalgien […] pflegen“.

Denn Die Welt vergeht

Denn die Welt vergeht. Es gibt viele Formen von „Ende“. Im Kleinen wie im Großen. Jeden Tag. Vielleicht brauchen wir einfach auch ab und zu solche drastischen Bilder wie die Sterne, die vom Himmel fallen? Und wie oft sind uns schon die Sterne auf den Kopf gefallen? Und sie können uns jederzeit wieder und vielleicht noch schlimmer auf den Kopf fallen!

Es ist die alte und bleibend aktuelle Botschaft von Advent: Wach werden! Wach bleiben! Augen auf und nach vorne! Immer zum Handeln und zum Reagieren bereit! – Keine Schwarzseherei, keine entmutigte Resignation, aber auch kein Aktionismus! Wachsam bleiben und sich vorsehen! – Denn Gott selbst will kommen. Er tritt in unser Leben ein, ist schon so oft in unser Leben eingetreten. Und Er wird es auch sein, der am Ende kommt.

Vielleicht brauchen wir einfach ab und zu solche drastischen Bilder wie die Sterne, die vom Himmel fallen, um uns daran zu erinnern und uns zum Handeln anzuregen!?

Aber wie sieht solches Handeln aus?

Nachtwächter und Prophet sein

Auch hier darf man bestimmt das, was Papst Franziskus uns Ordensleuten schreibt, auf das Leben aller Christen übertragen: Nicht nur selbst wach werden, sondern auch die Welt aufwecken! Der Papst träg uns damit den Dienst der Propheten auf, den Dienst des Nachtwächters, der wacht und weiß, wann der Morgen anbricht:

„Er kennt Gott, und er kennt die Menschen, seine Brüder und Schwestern. Er ist fähig, zu unterscheiden und das Übel der Sünde und die Ungerechtigkeiten öffentlich anzuklagen, weil er frei ist, weil er sich keinem anderen Herrn verantworten muss außer Gott, keine anderen Interessen hat als die Gottes. Der Prophet steht gewöhnlich auf der Seite der Armen und Wehrlosen, weil er weiß, dass Gott selbst auf ihrer Seite steht.“

Wer in diesem Wissen und Vertrauen seinen Blick auf die Welt und die Menschen und den Himmel richtet, der weiß, dass die Sterne immer wieder vom Himmel fallen können, der weiß, dass letztlich nichts für die Ewigkeit besteht – außer Gott selbst.

Und deshalb warnt uns Papst Franziskus auch davor, dass wir keine Utopien am Leben erhalten sollen, sondern dass wir vielmehr uns bemühen, „‘andere Orte‘ zu schaffen […], wo die Logik des Evangeliums gelebt wird, die Logik der Hingabe, der Brüderlichkeit, der Annahme der Verschiedenheit, der gegenseitigen Liebe“.

Andere Orte schaffen

Andere Orte schaffen. In der Kraft „charismatischer Kreativität“ und jener „Fantasie der Liebe“, die keine Grenzen kennt und Wege öffnet. Andere Orte.

Ein solch „anderer Ort“ ist die Grotte von Bethlehem, zu der wir uns mit dem heutigen Sonntag wieder auf den Weg machen.

Nutzen wir diesen Weg, unsere Horizonte und Perspektiven zu hinterfragen und zu weiten, damit auch unsere Gemeinschaften und Familien solche „anderen Orte“ werden können.

Und gehen wir diesen Weg in dem Vertrauen, dass die Sterne der Heiligen Nacht, die denen scheinen, die sich am Mensch gewordenen Gottessohn orientieren, bestimmt nicht vom Himmel fallen.