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Paradiesstaub

26. Februar 2023

„Diesen Menschen kennen wir alle! Man findet ihn unter anderem auf vielen Krankenkassenkarten und auf der Rückseite der italienischen 1-Euro-Münze; er ist populär, faszinierend und vielfach kopiert – der Vitruvianische Mensch, Leonardo da Vincis berühmteste Zeichnung. In idealisierten Proportionen ist ein Mann in zwei sich überlagerten Positionen dargestellt. Die Zeichnung zeigt ein und denselben Mann mit ausgestreckten Armen und Beinen, wie er mit den Fingerspitzen und den Fußsohlen ein ihn umgebendes Quadrat und zugleich einen Kreis berührt. Der römische Architekt Vitruv hatte in der Antike die Theorie des wohlgeformten Menschen mit einem idealen Verhältnis der Körperteile zueinander erstmals beschrieben.

Auch in der alttestamentlichen Lesung des Ersten Fastensonntags, im zweiten Kapitel der Genesis, ist von einem wohlgeformten Menschen die Rede. Adam, der erste Mensch: Bild Gottes, unsterblich, ohne Sünde und in ungebrochener Gemeinschaft – der Mensch im paradiesischen Zustand. Doch durch den Ungehorsam gegenüber Gott wird dieser ‚ideale‘ Mensch aus dem Paradies verstoßen. Der erste Mensch wird zu einem Sünder. Er wird in dem Moment, in dem glaubt, dass er ohne Gott leben kann, zu einem in-sich-gekrümmten Menschen. Gebrechlichkeit und Sterblichkeit werden fortan das menschliche Aussehen prägen. Der Mensch erkennt seine bösen Taten und seine Sünde steht ihm immer vor Augen.

‚Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod‘, schreibt Paulus und beschreibt damit die menschliche Existenz außerhalb des Paradieses. Und er zeigt die große heilsgeschichtliche Linie auf, ja das Drama von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen: ‚Sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht durch die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden.‘ Führte der Ungehorsam Adams zum Tod, so hat der Gehorsam des zweiten Adams für alle den Weg zur Gemeinschaft mit Gott wiedereröffnet. Der Weg des Lebens, der ins Paradis führt, ist sozusagen wieder freigeräumt.

Der ideale, maßgebliche Mensch ist für Paulus nicht Adam, sondern Jesus Christus. Und tatsächlich hält der Gottessohn den Versuchungen des Teufels stand. Zweimal sagt dieser Widersacher in den drei Versuchungen, denen er Jesus Christus aussetzt: ‚Wenn Du Gottes Sohn bist, dann…‘ Es sind die gleichen Worte, die der Spötter Jesus am Kreuz zuruft: ‚Wenn du der Sohn Gottes bist, dann steig doch herab vom Kreuz.‘ Doch der zweite Adam lebt nicht, um seine Macht zu demonstrieren, sondern um Gott zu dienen. Jesus Christus sündigt nicht.

Wir wissen nur allzu gut selbst, dass wir nicht gerade wohlgeformte Menschen sind, dass wir mit unseren Ecken und Kanten überall anstoßen. Wir passen nicht wie der Vitruvianische Mensch in idealer Weise in vorgefertigte Muster. Für uns ist Jesus der maßgebliche Mensch, an ihm nehmen wir immer wieder Maß und zusammen mit ihm beten wir zu unserem Vater im Himmel: ‚…führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.‘

Als Menschen sind wir Staub und zu Staub kehren wir wieder zurück. Wir sind nicht perfekt, sondern schwach und vergänglich! Adam wurde aus dem Staub des Erdbodens geformt – doch der Mensch ist trotz aller Hinfälligkeit aus dem Staub des Paradieses geformt. Wir sind aus Paradiesesstaub – und als Getaufte wurde in uns der maßgebliche, ideale Mensch und Gottessohn Jesus Christus eingeprägt. Er, der ideale Mensch ist unser Wegbegleiter. Möge er uns durch die Fastenzeit führen und uns den Weg in paradiesische Zustände weisen!“

Pater Simeon und alle Brüder auf dem Zion und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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