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Unrentable Landwirtschaft

16. Juli 2023

Das heutige Evangelium ist mir von Kindesbeinen an vertraut. Aber schon damals habe ich mich gewundert: Hat Jesus denn keine Ahnung von Ackerbau?

In dem Gleichnis steht, dass ein Teil der Körner auf den Weg fällt und von den Vögeln gefressen wird. Ein zweiter Teil fällt auf den felsigen Grund, kann nicht wurzeln und verdorrt, sobald es heiß wird. Ein dritter Teil fällt unter die Disteln und erstickt. Nur der vierte Teil fällt auf guten Boden und bringt gute Frucht. Nur ein Viertel gelingt! – Das ist doch unrentabel! So zu wirtschaften ist doch verrückt!

Bei uns im Dorf gab es mehrere Bauern und auch unsere Familie bewirtschaftete als Nebenerwerb einige Felder. Obwohl ich noch ein Kind war, wusste ich damals schon, dass man vor dem Säen den Acker zuerst bereiten muss. Man muss ihn von Steinen und Disteln reinigen, ihn pflügen und dann Furchen ziehen. Erst danach kam die Aussaat. Zuerst streut man vorsichtig am Rand, der an die ausgetretenen Pfade angrenzt, einige Körner aus – ganz vorsichtig, damit nichts verlorengeht. Danach erst wirft man die restliche Saat großzügig in der Mitte aus.

Ich kann mich noch gut an die Plastikschale zum Umhängen erinnern, mit der meine Eltern sowohl die Körner als auch den Dünger auswarfen. Danach wurde der Acker nochmals gepflügt, damit die Körner wirklich in den Ackerboden kamen; sonst hätten die Vögel sie ja direkt weggepickt. Nur so konnten die Weizenkörner wachsen und nur so konnte man später ernten. So arbeiteten wir damals auf dem Feld – und nicht so unvernünftig wie im heutigen Evangelium, im Gleichnis Jesu.
In meinem Theologie-Studium lernte ich dann später, in einer Vorlesung, dass jedes Gleichnis eine Bildseite und eine Auslegungsseite hat. Das Bild stamme meistens von Jesus und die Auslegung im Evangelium sei eine spätere Hinzufügung der frühen Christengemeinden – und die Auslegung sei: Dem Bild vom Säen und den verschiedenen Böden entspricht das Wort Gottes und die verschiedene Aufnahmebereitschaft der Zuhörer und Menschen. Und ich lernte auch, dass man diese Auslegung „objektiv“ nennt, da die verschiedenen Böden verschiedenen Menschen entsprechen. Mir fiel dann damals im Studium zu jedem Boden einige Personen aus meinem Bekanntenkreis und der Pfarrgemeinde ein: manche bei denen das Wort Gottes wie an einer Wand abprallte; manche bei denen es ankam, aber nur oberflächlich und dann bei Gegenwind verschwand; bei manchen fasste das Wort schon etwas Fuß und Festigkeit, dann aber kamen die Sorgen des Alltags und auch die kleinen Lüftchen des Tages und der Nacht und der gute Beginn wurde abgewürgt. Und ich rechnete mich natürlich zu den Menschen, die wie ein fruchtbarer Boden sind. Doch ich lernte auch, dass es noch eine zweite, eine sogenannte „subjektive“ Auslegung gibt. Alle diese unterschiedlichen Böden, bzw. Aufnahmeweisen gibt es auch in mir, in mir als Subjekt! Manchmal geht das Wort Jesu in ein Ohr hinein und aus dem anderen hinaus, manchmal ist man gerührt und betroffen, aber bald darauf ist alles vergessen, manchmal kann das Wort keine Wurzeln schlagen, weil ich mit anderem beschäftigt bin und nur manchmal bin ich aufmerksam und höre und es fruchtet…. Ja diese verschiedenen Haltungen sind auch meine Reaktionen auf die Worte Jesu und oft schäme ich mich deswegen, weil ich doch nur der gute Boden mit viel Frucht sein will.

Diese Unterscheidungen zwischen Bild und Auslegung, zwischen objektiver und subjektiver Auslegung lösten aber nicht mein Problem des scheinbar unrentablen und unvernünftigen Säens: Einfach so das Saatgut durch die Gegend zu werfen, ohne den Boden bereitet zu haben, ohne den Acker gereinigt zu haben, ohne zu achten, wohin die Körner fallen – das blieb doch unvernünftig und unrentabel. Und dann hat mir vor ein paar Jahren die Auslegung des Gleichnisses durch den Karmeliten Reinhard Körner die Augen und Ohren geöffnet. – „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“

In diesem Gleichnis des Matthäusevangeliums – dem ersten nach der gewaltigen Bergpredigt, der Jüngerunterweisung und -aussendung und nach den vielen unglaublichen Heilungen – erzählt Jesus von sich selbst! All seine Worte und Taten sind nicht nur auf offene Ohren gestoßen, sondern auch auf heftige Ablehnung. Jesus befindet sich einer brenzligen Lage. Wie wird es weitergehen für ihn? Der Bauer, dieser Sämann ist Jesus selbst. In den Augen der vielen sind er und sein Tun verrückt, unvernünftig und lachhaft. Was er zu sagen hat, sät er aus, gelegen oder ungelegen, so schwungvoll wie er nur kann und er wendet sich jedem zu. Er kümmert sich nicht ängstlich darum, ob und wie die Saat aufgehen wird. Er pflügt nicht zuerst die Herzen seiner Zuhörer und reißt auch nicht die Disteln und Dornen aus deren Köpfen aus. Er schaut nicht, wo die Grenze des Ackers ist und wo der festgetretene Trampelpfad beginnt. Er prüft nicht, ob die Hörer genug Tiefe haben. Er spricht und sät – die Zeit, zu sagen was er zu sagen hat, ist da. Und er weiß: Was er aussät, wird reiche Frucht bringen, denn das, was er aussät, ist die Wahrheit.

Diese Auslegung hat mich nachdenklich gemacht und berührt! Und ich habe sie wieder gespürt: den Acker in meinem Herzen, die Disteln und Dornen in meinem Kopf, die eingefahrenen und ausgetretenen Trampelpfade in meinem Tun. Gottes Barmherzigkeit ist überreich. Gottes Güte ist unvernünftig. Gott bedenkt nicht, ob etwas rentabel oder vernünftig ist. Er handelt voll Erbarmen – an all seinen Geschöpfen. Ich bewundere diese Hoffnung, diese Zuversicht im Säen Gottes! Und ich bin mir sicher: Was Gott aussät, wird Frucht bringen – reiche Frucht, überreich, auch wenn es auf den ersten Blick unglaublich und unvernünftig erscheint!

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Pater Elias und alle Brüder in Jerusalem und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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