Gewaltspirale
08. Oktober 2023
Nun herrscht die Gewalt in diesem Heiligen Land wieder - und das mit einer Brutalität, die einen schockiert und ratlos zurücklässt. Man fragt sich: Wird dieser Konflikt also nie ein Ende nehmen? In diese düstere, leidvolle Atmosphäre wird uns nun am heutigen Sonntag ausgerechnet dieses Evangelium voller Gewalt zugesprochen. Auch hier ist von einer unglaublichen heftigen Gewalt und Brutalität die Rede. Von Mord und Totschlag wird berichtet – zwar in einem Gleichnis. Der Text ist von einer solchen Gewaltspirale geprägt, dass die Frage bleibt: Wer ist am Ende eigentlich noch am Leben?
Zwei Gruppen von Knechten, die der Gutsbesitzer zu seinen Winzern ausgesendet hatte, werden von diesen umgebracht. Schließlich sendet er zu ihnen seinen eigenen Sohn, und auch ihn bringen die Winzer um. Der Mächtige und die Nach-Macht-Strebende stehen gegeneinander. Was kann der Gutbesitzer nun noch tun? Er wird die Winzer mit Gewalt umbringen lassen.
Kurzum, es scheint letztlich nur Verlierer zu geben. Eine düstere Perspektive. Wenn hier aber vom Sohn des Weinbergsbesitzers die Rede ist, dann ist offensichtlich, dass hier Jesus mit diesem Gleichnis auch seine Passion vorwegnimmt. Gott ist der Gutsbesitzer, der immer wieder in seinen Weinberg, also zu seinem Volk die Propheten schickte, die jedoch aufgrund ihrer Botschaft umgebracht wurden. Ihre Botschaft stößt auf taube Ohren. Doch auch der Sohn, Jesus Christus selbst, muss diesen gewaltsamen Tod erleiden… So wie im Gleichnis die Rede davon ist, dass die Winzer den Sohn packen und aus dem Weinberg herausbringen, um ihn dort töten, so ist schließlich auch der Sohn Gottes außerhalb der Stadt Jerusalem umgekommen und ermordet worden.
In dem Gleichnis spricht Jesus die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes an, die hier als Hüter und Beschützer des Weinbergs erwähnt werden. Er macht ihnen damit nicht nur heftige Vorwürfe, sondern kündigt ihnen sogar ungeschminkt an, dass er durch sie getötet wird und, dass sie letztlich selbst von Gott verworfen werden…
Nun, was hat das Ganze mit uns zu tun? Der Konflikt zwischen Jesus und den damaligen Führern des Volkes geht doch erst einmal uns nicht an. Und doch liegt dem Gleichnis eine Erwartungshaltung zugrunde, die an uns herangetragen wird, wenn sich Kirche auch als Weinberg Gottes verstehen will. Was muss ich als Glaubender tun, um Frucht zu bringen? Kann es sein, dass ich das Reich Gottes verlieren kann, wenn ich keine Frucht bringe? Was geschieht dann?
Jesus gibt uns im Gleichnis selbst die Lesebrille mit dem Verweis auf eine Schriftstelle auf den Weg, nämlich Ps 118: Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden. Hier spricht Jesus von sich selbst: Er ist der Stein, der verworfen worden ist, und zum Eckstein wurde. An der Haltung zu ihm, entscheidet sich, ob unser Leben Früchte bringt. Aus der Verbundenheit mit ihm erhält unser Leben seinen Sinn.
Was muss ich also tun, um Frucht zu bringen? Dem entsprechen, was Gott will: Gott, Dein Wille geschehe! Diese Haltung des Dein-Wille-geschehe hebt die Grausamkeit des Gleichnisses, letztlich die Grausamkeit um uns herum, nicht auf. Aber so können wir darauf vertrauen, in Gottes Handeln, in seinen Händen gut aufgehoben zu sein. Amen.
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Pater Simeon und alle Brüder in Jerusalem und Tabgha wünschen allen Menschen im heiligen Land und überall Gottes Frieden!