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Alle Blogbeiträge von P. Basilius OSB

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Die Antwort ist: Gotteskinder

„Wer bin ich? – Eine Frage, die so alt sein dürfte wie menschliches Denken und Empfinden. Eine Frage für die großen Philosophen und für jeden einzelnen Menschen. Wer bin ich? – Nicht: Wer möchte ich sein? Wer sollte ich sein? Wer bin ich für dich, die anderen? Wer soll ich für die anderen sein? Klar und deutlich stellt sich die Frage: Wer bin ich?

Der Anfang einer Antwort liegt im ‚Ich denke‘, ‚ich glaube‘. Es ist eigentlich eine der wichtigsten und natürlichsten Aufgabe von Religion und Glaubensgemeinschaft, besonders der christlichen Kirche und Gemeinde: Dem und der Einzelnen bei der Beantwortung genau dieser Frage zu helfen. Wenn die Kirche mit all ihrem geistlichen und geistigen Reichtum und besonders mit menschlicher und seelsorgerlicher Reife dem Menschen hilft, die Spuren Gottes im eigenen Leben zu erkennen, dann wird dieser Mensch weiter gehen können auf dem Weg, um die Frage zu beantworten: Wer bin ich? – Vor allem die Erfahrungen und Bilder der Bibel können helfen, Finsternis und Dürre, Krankheit und Leiden, Sünde und Tod zu erkennen und anzunehmen - und auch Heil und Fruchtbarkeit, Liebe und Segen. Der und die Einzelne kann im Licht der Geschichten der vielen anderen Gotteskinder auch die eigene Gotteskindschaft besser und tiefer verstehen lernen. Er oder sie wird erkennen, wer er oder sie ist; wird mehr und mehr er oder sie selbst.

Es gibt viele gelungene Geschichten von Gotteskindern, von spannenden Wegen des Heils in befreiten Landschaften im Glauben. – Aber wir wissen auch, dass Kirche immer noch und zu oft Mauern errichtet und Gräben aufreißt, und so eine echte Begegnung des Menschen mit Gott und mit sich selbst verhindert. Wo Menschen an Leib und Geist und Seele missbraucht und entwürdigt werden, wo sie instrumentalisiert, verobjektet und kategorisiert werden, wird ihrer Gotteskindschaft Schaden zugefügt. Und der berechtigten, offenen und lebenswichtigen Frage „Wer bin ich?“ wird die Luft zum Atmen geraubt.

Und, vielleicht gar nicht trivial gerade in diesen Zeiten: Das betrifft jeden von uns! – Gewissermaßen aktiv und passiv. In womöglich verschiedener Weise stehen wir mal an den Mauern und Gräben der anderen, mal sie vor unseren. Das Ergebnis aber ist ähnlich: Gott wird vernebelt, blockiert, geradezu verleugnet. Dies ist die Keimzelle von Sünde und Tod.

Die drei Schrifttexte dieses Sonntags sprechen eine andere Sprache. Alle drei helfen uns, etwas von unsrer Frage „Wer bin ich?“ zu verstehen.

Was Jeremia mit Blick auf seine Berufung zum Prophetenamt zugesagt wird, das dürfen wir sicher auch uns immer wieder durch den Kopf und das Herz gehen lassen: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, […] noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst…“ (Jer 1,5). – In Gottes Gedanken und in Seiner Liebe hast Du schon immer einen Platz. Was auch immer noch kommt in Deinem Leben, wo Du selbst fehlst und fällst, und wo andere an Dir schuldig werden, in all Deinen Grenzen und Schwächen, aber auch in all Deinen Gaben und Segnungen, Du bist mein geliebtes Kind. „Ich bin mit dir, um dich zu retten“ (Jer 1,19).

Wer bin ich? – Ein angenommenes, ein geliebtes Kind Gottes, seit jeher. Vorbehaltlos. – Das dürfen wir einander immer wieder sagen, das dürfen wir uns immer wieder sagen lassen.

Auch Jesus kennt die Frage „Wer bin ich?“. ER ringt damit nicht nur in der Synagoge in Nazareth, sondern bis nach Getsemani und bis ans Kreuz. Aber ER kennt auch die Antwort. Deswegen kann ER sich frei machen von den Außenerwartungen und Projektionen, auch von Vorurteilen und gezieltem Foulspiel. ER kann mit den Sündern und Zöllnern essen. ER kann die Aussätzigen berühren und sich von ihnen berühren lassen. ER liefert sich nicht dem Schubladendenken Seiner Nachbarn und Verwandten in Nazareth aus, kann durch ihre Plattitüden und Gemeinheiten hindurchgehen. Denn ER weiß, wer ER ist. – Genau deshalb liefert ER sich schließlich der schreienden Antwortlosigkeit auf die Frage „Wer bin ich?“ aus: Der Gottes- und Menschensohn folgt den Sündern und Verlorenen bis in die tiefste Sprachunfähigkeit der Sünde und die alles verneinende Anonymität des Todes. Und ER geht durch sie hindurch, lässt sie hinter sich, fasst uns aber an der Hand und zieht uns mit hinaus in das Leben und in die Freiheit der Kinder Gottes.

Wer bin ich? – Wer das eigene Gotteskind in sich entdeckt hat, wird freier von Außenerwartungen. Und er wird gleichzeitig frei vom egozentrischen Eigenwillen. Denn es geht nicht um selbstherrliche Eigenverwirklichung, sondern um Wachsen im Vertrauen auf das Ich, wie Gott es in uns hineingelegt hat: angenommen und frei, geliebt und befähigt zur Liebe.

Und damit geht der Blick auf die Worte des Paulus im Korintherbrief. Viel zitierte Worte, und doch nicht entleert. – All das Große und Bombastische, das Paulus aufzählt, das kennen wir aus Kirche und Politik und womöglich auch aus unserem eigenen Leben und direktem Umfeld. Paulus verwirft es nicht, setzt ihm aber Anderes entgegen: Liebe. Der Blick auf Gott und der Blick auf das verwundete Gotteskind ist ohne Liebe verstellt; das Hinhören auf Gottes Wort und auf den Ruf des leidenden Gotteskindes ist ohne Liebe blockiert.

Wer bin ich? – Mit Paulus dürfen wir an diesem Morgen auch antworten: Nicht einfach das Laute und Publikumswirksame, nicht das äußerlich Schöne und Kraftvolle. – Die ‚rätselhaften Umrisse‘ und das ‚Stückwerk‘, von dem Paulus beim Blick in den Spiegel spricht, die kennen viele Menschen, die an und mit und in ihrer Kirche leiden. Und die Frage ‚Wer bin ich?‘ wird für manchen auf schmerzhafte Weise der erste Baustein einer Selbstrechtfertigung. Aber womit? Und wofür? Was bleibt?
Paulus‘ vielzitierte Antwort ist ebenso demütig und nüchtern, wie sie wahr und stark ist: ‚Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe‘ (1 Korinther 13,13). – Eine ganze Reihe verschiedener Menschen haben uns in diesen Tagen gezeigt, was das für sie konkret im Rahmen der Kirche bedeutet. Sie vertrauen uns allen ihre Lebensgeschichten an. Das sind kostbare und wertvolle Zeugnisse von Gotteskindern. Sie erzählen von Glaube, Hoffnung und Liebe. Mag kommen, was wolle – no matter what.

Wer bin ich? Wer bist Du? – Gotteskinder, die wachsen wollen in Glauben und in Hoffnung und vor allem in Liebe. – Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Pater Basilius und alle Mönche auf dem Berg Zion und in Tabgha wünschen Euch einen gesegneten Sonntag!

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Da war es (nur noch) eines.

Für einen kurzen Moment bin ich dann doch erschrocken: Von meinem Sitz bei der Messe heute früh sah es auf einmal so aus, als sei nur noch ein Brot in unserem Mosaik-Korb vor dem Altar!

Sicherheitshalber habe ich einmal kurz um die Altarecke geschaut. Es waren natürlich noch alle vier Brote im Korb. Keiner hatte eins, geschweige denn drei über Nacht herausgenommen. – Was bei den Pilger- und Besucheranstürmen dieser Tage andererseits so abwegig auch nicht wäre.

Jedenfalls sah ich nur das äußerste Brot ganz rechts (ich habe den Blick mit dem Foto noch mal nachgestellt). Das untere, mittlere Brot war theoretisch auch in meinem Blickfeld. Aber die einzelnen Mosaik-Steine, die ich wirklich sah, wurden von meinem Gehirn im ersten Moment noch nicht zum ganzen Brot ergänzt. – Die erste Lehre dieses Tages: Das ganze Bild besteht aus mehreren kleinen Teilen. Von einzelnen Steinchen auf ein Ganzes zu schließen ist schwierig, führt mitunter zu falschen Rückschlüssen. Warten, nochmal hinschauen, etwas größer hinschauen. Dann kann ein Ganzes daraus werden.

Zweite Lehre, besser: zweiter Gedankenanstoß: Und was, wenn es wirklich nur noch ein Brot wäre? – Pater Zacharias hat in den einleitenden Worten zur Messe auf den heiligen Ignatius von Antiochien hingewiesen, dem es ein wesentliches theologisches und vor allem geistliches Anliegen war, auf die Einheit der Kirche hinzuweisen. Da braucht man kaum auf den aktuellen, großen Bruch zwischen den Patriarchen von Konstantinopel und Moskau zu schauen. Das fängt ja alles schon viel früher und kleiner an. Aber viele kleine Steinchen geben auch ein, naja, ganzes Bild ab...

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Wo man singt,...

Chor-Festival in der Brotvermehrungskirche in Tabgha. Chor-Festival in der Brotvermehrungskirche in Tabgha.

Es gibt diese Momente im Leben, in denen man wie durch ein Kaleidoskop auf das eigene Leben schaut. Suchen und machen kann man diese Erfahrungen eher nicht. Sie werden einem geschenkt. Oder aufgezwängt. Je nach dem.

Am Freitagabend hatte ich so etwas. Eher geschenkt. – Wir hatten ein Konzert in der Brotvermehrungskirche. Ein besonderes Konzert. Eher ein Zusammentreffen von Chören, zwölf aus der Region um den See, ein Gastchor aus Polen. Die haben sich quasi gegenseitig etwas vorgesungen. Kinneret-Chorfestival, nannten sie das. – Erinnert hat mich an das an meine Zeit bei den „Hunsrücklerchen“, einem Kinder- und Jugendchor bei uns zuhause. Auch da waren Konzerte ja meistens so, dass man irgendwohin fuhr, wo vor allem dann auch andere Chöre hinkamen. Konzertpublikum und Darbietende waren auch da quasi identisch. Auch Anspruch und, naja, Qualität waren damals wie am Freitag sehr verschieden. Wichtig war aber seinerzeit wie heute, dass da Menschen zusammenkamen, die Freude an der Musik und am Singen hatten.

Wie wünschte man manchen spaßbefreiten Zeitgenossen solche zweckfreie Unterhaltung und Freude! – Und wie erst all denen, die von den tatsächlichen Sorgen und existentiellen Nöten des Lebens so niedergedrückt sind, dass ihnen solche Freude und Spaß längst vergangen sind! Flüchtlinge, Todkranke, Alte, Einsame… Wäre unsere Welt doch etwas, nur etwas glücklicher!

Aber mein Kaleidoskop dreht sich noch weiter… Da war unsere Kirche wieder einmal übervoll, mehr als 300 Leute. Automatisch denke ich dann an unser Evangelium: „…und Jesus sah die vielen Menschen…“ Sie kommen zusammen, auch heute. Mit unterschiedlichen Interessen und Geschichten. Aber immer wieder an diesem Ort. Geschenk!

Und dann standen diese Menschen aus unserer näheren und weiteren Nachbarschaft zwischen der Marien- und der Christus-Ikone, unter dem goldenen Mosaik-Kreuz in der Apsis. Israelis, jüdischen Glaubens die allermeisten. Und sie sangen. Halleluja. Hebräische Lieder, auch Schlager. Ein Ave Maria war dabei. – Was machen diese Leute wohl beruflich? Krankenschwestern und Gabelstapelfahrer, Ärzte und Hausfrauen? Keine Ahnung. Israel war zu Gast bei uns. Geschenk!

Und einmal mehr eine Antwort auf die Feuernacht vom Juni 2015: Man wünschte uns, den „Götzendienern“ den Tod, brachte uns tödliche Flammen an die Haustür. – Aber wer sind „Götzendiener“? Die, die ihren Gott in feste Formen gießen, die ihnen den Umgang mit anderen unmöglich machen, die ihre Hand zur Faust werden lassen? Oder die, die im Namen ihres Gottes die Hand offenhalten? Türen öffnen? Ohren? Herzen?

Der Gastchor aus Polen sang als letztes. Weihnachtslieder. Geschenk. – Und dann als Zugabe im Kanon, mit allen in der Kirche: Shalom, Chaverim! Lehitraot! – Friede mit Dir, Bruder! Wir sehen uns! Und unsere Welt wird vielleicht etwas glücklicher...

Wir sehen uns! Hoffentlich in Frieden! – Kaleidoskope unseres Lebens mitten in unsrem Leben, um darüber hinaus schauen zu können.

Geschenk.

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Ein kleiner grüner Käfer

Schon früh heute morgen sind wir aus Tabgha aufgebrochen, um nach Jerusalem in die Abtei zu fahren. Wir kamen dann zunächst nur bis Tiberias. Wegen einer Sportveranstaltung war da alles gesperrt, und wir konnten nicht wie geplant durchs Jordantal fahren, sondern mussten die Strecke entlang der Küste nehmen. Da aber sonst alles frei war, waren wir gegen sieben Uhr kurz vor Jerusalem.

Noch vor dem eigentlichen Ortseingang fiel uns ein richtig schöner alter VW-Käfer auf. Grün. Sehr gepflegt. Wir haben uns sehr über das Auto und seinen so typischen rrrrrrrrrrrrollenden Sound gefreut. Und auch über den sportlichen Fahrstil seines Piloten, der anscheinend in unsere Richtung fuhr.

Und er fuhr immer sportlicher, überholte immer seltsamer, sprang über die Spuren. Als wir - noch kurz hinter ihm – auf Höhe des Jaffa-Tores Richtung Altstadt abbiegen wollten, sahen wir die erste Straßensperre der Polizei. Undurchdringlich für uns. Warum, wussten wir da noch nicht.

Der kleine grüne Käfer durfte vorbei. Flog mit seinem Fahrer geradezu zum Jaffa-Tor und in die Altstadt. Warum, auch das haben wir erst nach und nach verstanden, nachdem ich die blaue Polizeiuniform des Fahrers dann sah…

Am Abend dieses Tages sehe ich nun immer wieder das Foto eines der getöteten Polizisten, mit seinem kleinen Sohn auf dem Arm. Und ich sehe den grünen Käfer. – Der eine hat heute zwei Kollegen verloren, der andere, kaum drei Wochen alt, seinen Vater!

Ich wünsche allen kleinen Jungs in diesem Land, gleich welcher Religion und Sprache, kleine grüne Käfer zum spielen. Meinetwegen auch blaue und rote und gelbe und weiße. Spielt mit Käfern, baut sie auseinander und wieder zusammen! Aber lasst endlich alle miteinander diese Scheiß-Waffen weg…

Ein kleiner grüner Käfer

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Dazwischen

„Twilight” – Landschaft um den See Genezareth an einem späten Dezembernachmittag. „Twilight” – Landschaft um den See Genezareth an einem späten Dezembernachmittag.

Für einen Moment bin ich wieder zwischen den Zeiten und Erfahrungen: Als mich am frühen Montagnachmittag die Nachricht vom (vorläufigen) Urteil im Gerichtsprozess gegen zwei der mutmaßlichen Brandstifter erreicht, bin ich in Köln, im Generalsekretariat des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande. Eine Bausitzung steht an, um die nächsten Projekte vor und neben der Kirche in Tabgha zu besprechen.

Das Atrium ist nach dem Brandanschlag ja wiederhergestellt und in Funktion. Der Kirchenvorplatz und das Gelände des früheren Klostergebäudes sollen eine positive Antwort auf die Feuernacht sein: Keine Mauern und Zäune, sondern Begegnung und Offenheit, Kennenlernen und Vorurteile überwinden, Ruhe und Erholung finden, Schatten, Sitzmöglichkeiten. „Denn es gab dort viel Gras…“ (vgl. Joh 6,15).

Wie die dunklen Aschespuren im ganzen Haus jener Tage im Sommer 2015 kommt dann die Nachricht aus Nazareth – eine Verurteilung, ein Freispruch. Dazwischen. Zwischen der Brandnacht und den geborstenen Mauern und Dächern einerseits und der Perspektive auf ein neues, Hoffnung stiftendes Bauprojekt andererseits. Zwischen der Beruhigung, dass jemand Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss, und der Irritation, dass das für andere vielleicht nicht gilt.

Aus der Zeit nach dem Brandanschlag und verschiedenen Begegnungen mit israelischen Sicherheitskräften kenne ich eine ganze Reihe ihrer Ermittlungsergebnisse. Für mich als Laien sehr beeindruckend. Was das Gericht daraus macht, ist Angelegenheit des Gerichtes. Dazu habe ich als Mönch nichts zu sagen. Das immer wieder in israelischen und deutschen Meldungen zitierte Statement des Staatsanwaltes aber ist eindeutig: Es geht auch um eine Positionierung des Staates gegenüber „jüdischem Terrorismus“. – Und ich höre die vielen Fragen von Menschen um uns herum, in denen sich angesichts des Urteiles Enttäuschung und Ratlosigkeit und auch Wurt und Ärger mischen.

Dazwischen…

Am Ende der Woche sehe ich in diesem Urteil vor allem einen Appell. Eine Gesellschaft, in diesem Falle die israelische, erkennt an, dass es in ihren Reihen Extremismus und Terrorismus gibt. – Damit steht Israel wirklich nicht alleine auf der Welt. – Gerade in dem Zwiespältigen des Urteils vom Montag klingt für mich daher auch die Anfrage an unsere Gesellschaften mit: Was können Eltern, Erzieher, Lehrer, Religionsvertreter, was kann jeder Einzelne von uns künftig tun, damit es solche Gerichtsprozesse erst gar nicht mehr braucht? Warum kommt es im Zusammenleben von Menschen immer wieder zu Hass, der in Gewalt umschlägt?

Die Antworten sind vielfach bekannt. Alleine, es fehlt uns so oft der Mut und die Phantasie, das Vertrauen und die Hoffnung. – Vielleicht ist auch das ein Teil unseres Ortsevangeliums: In Ruhe hinsetzen, das vermeintlich Unmögliche geschehen lassen, auch dem Nächsten seinen Platz und sein Stück Brot und Fisch lassen… denn es gab dort viel Gras.

Es muss niemand dazwischen bleiben.

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Was man nicht sieht

Nach mehr als eineinhalb Jahren fließt wieder Wasser durch unseren Fische-Brunnen. Nach mehr als eineinhalb Jahren fließt wieder Wasser durch unseren Fische-Brunnen. Es ist kaum zu glauben. Und trotzdem, wann immer ich in den letzten Tagen und Wochen durch unser Atrium ging, wurde es immer mehr wahr und immer mehr mit Händen zu greifen: Nach 20 Monaten ist unser Atrium – man verzeihe den heir nicht passenden Ausdruck – wieder erstanden. Naja, ganz so unpassend ist der Begriff vielleicht doch nicht. Schließlich ist das Gebäude zumindest zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes wie Phoenix aus der Asche undsoweiter undsofort...

Die Beton-Stahl-Konstruktionen im Sommer haben mich ja schon sehr beeindruckt. Die ganzen Leerrohre und Kabel für Strom und Licht und Alarmsysteme und Kommunikation könnten einen verwirren. Das Holz der flachen Decken und die Ziegel beruhigen in ihrer Natürlichkeit und mit der archaischen Geborgenheit, die sie ausstrahlen. Die neuen Möbel machen Lust zum Arbeiten und zum benutzt werden.

Die neue Tür zur Klosterpforte. Die neue Tür zur Klosterpforte. Was mich aber mit am meisten derzeit beeindruckt und beschäftigt, ist das, was man nicht sieht: Gestern wurden die kleinen Glasscheiben in die neue Pfortentür eingesetzt. Heute hat Pater Matthias den Fischpool wieder mit Wasser befüllt. Man kann durchsehen. Noch. Natürlich wird das Wasser mit den Fischen und Pflanzen auch wieder trübe. Und die Scheiben der Pfortentür werden nicht immer so glänzen und spiegeln. Heute aber kann man auf sie sehen, sich sehen, nichts sehen, hindurch sehen.

Es gab einige große und wichtige Schritte auf diesem Weg seit dem 18. Juni 2015. Glas und Wasser sind unscheinbar. Für mich sind sie heute, drei Tage vor der feierlichen Segnung am Sonntag ein Hinweis auf das Viele und die Vielen, die auf diesem Weg wichtig waren und sind. Ihnen seien diese Zeilen in den ruhigen Stunden vor dem Fest-Sturm gewidmet. Glas und Wasser, die man nicht oder kaum sieht, mögen mich auch weiterhin an sie erinnern. In Dankbarkeit.

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Von der Perspektive der Spatzen

Tabgha: Kirche, Kloster und Begegnungsstätte. Tabgha: Kirche, Kloster und Begegnungsstätte.

Dieweil es in Deutschland eher kalt und weiß ist, ist es in Tabgha grün – aber auch immer wieder kalt. Mit dem Regen wird alles wunderbar grün. Wenn man sich einem der zahlreichen Spatzen auf den Rücken setzt, die es in Tabgha auch gibt, dann sieht man das sehr schön...

Zwei Wochen ist das Jahr alt. In der Kirche steht der Weihnachtsbaum noch ein paar Tage, bis auch die armenischen Christen ihr Weihnachtsfest gefeiert haben. Im Haus ist der Weihnachtsschmuch schon weitgehend verschwunden. Und auch die meisten Plätzchen haben wir erfolgreich verwertet. – Das Jahr nimmt seinen Lauf und ist in seinem Alltag angekommen.

Vom Spatzenrücken aus sieht man, dass das Atrium äußerlich schon so ziemlich wieder komplett ist. Derzeit stehen noch einige Innenarbeiten an, v.a. Möbel und letzte elektrische Installationen. Und dann freuen wir uns auf Sonntag, 12. Februar. Denn an diesem Tag dürfen wir Kardinal Woelki und viele andere Menschen hier begrüßen, um mit ihnen die Wiedereinweihung und Segnung des Atriums zu feiern!

Wer dann glaubt, dass wir damit das Bauen einstellen, der irrt. Denn der Platz vor der Kirche braucht dringend eine Renovierung. Und auch sonst haben wir in diesem Bereich einige Ideen, damit Tabgha auch weiterhin – und im Grunde noch mal stärker – ein Ort der Begegnung und der Sammlung für die Vielen sein kann, wie wir es im Evangelium lesen können.

Insofern wird sich für unseren Spatz die Perspektive im Laufe dieses Jahres womöglich noch einmal ändern und er kann Neues entdecken...

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Und wieder mal ein neues Jahr....

See Genezareth bei Tabgha am 2. Januar 2017. See Genezareth bei Tabgha am 2. Januar 2017.

Das Foto zu diesem Blog habe ich heute am späten Nachmittag aufgenommen. Da war das neue Jahr in etwa soviele Stunden alt wie ich Jahre... Dass sich Mondsichel und Venus, untergehende Sonne und erste Laternenlichter ein Stelldichein über dem See und in seinem Spiegel gaben, ist dann schon keine Parallele mehr zu meinem Leben. Denke ich.

Aber als ich so an Dalmanutha stand, und die Szenerie überblickte, kamen mir diese ersten Stunden des neuen Jahres in den Sinn. Angefangen hat es nämlich ähnlich beschaulich: Lobe den Herren.... waren die ersten Worte, die in dem Jahr aus meinem Mund kamen. — Mit meinen Mitbrüdern Zacharias, Josef und Matthias stand ich in unserer Kirche. Nur vom Weihnachtsbaum und ein paar Kerzen an den Ikonen erleuchtet. Als die Uhren umschlugen, haben wir den Klassiker gesungen. Vielleicht nicht die hohe Kunst und Theologie eines Te Deums. Aber es passte einfach, wie so viele Pilger in der Brotvermehrungskirche zu singen Lobe den Herren. Ich habe den Segen gegeben, und wir haben uns gegenseitig ein gutes und gesegnetes neues Jahr gewünscht.

Danach ging es eher profan weiter: Wir haben unsere Sektgläser und entsprechende Flaschen gepackt und sind zu unseren Volontären gegangen. Und das Jahr war kaum zwanzig Minuten alt, als ich auch schon eine Faust im Gesicht hatte. Gottseidank nur die unseres kleinen Katers Laundry. (Er heißt wirklich so, weil er in der Laundry, also in unserer Wäscherei geboren wurde.) Ich wollte auch ihm ein gutes Jahr wünschen, und er revanchierte sich mit einem Faustschlag. Peng!

Es war trotzdem ein guter Start in das neue Jahr. — Was vom Abend davor übrig war, vom Raclette der Volos und von unserem Fondue gab es heute Abend dann in Form einer gehaltvollen und leckeren Reste-Gulasch-Suppe. Und ungefähr so bin ich mit der Neujahrsnacht auch in 2017 eingestiegen: Sich von einem Faustschlag nicht aus der Bahn werfen lassen, das Beste vom Vergangenen mitnehmen und weiterverwenden!

Und eines der besten Dinge im Leben eines Mönches ist eben auch der Kern unserer Berufung: Lobe den Herren!

In diesem Sinne Euch und Ihnen ein frohes und gesegnetes neues Jahr, in dem ich versuchen will, an dieser Stelle mal wieder öfter etwas aus dem Klosteralltag (v.a. in Tabgha) zu teilen!

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Ein Haus des Gebetes für alle Völker

Brotvermehrungsfest 2016: Bischof Marcuzzo bei der Predigt Brotvermehrungsfest 2016: Bischof Marcuzzo bei der Predigt

Freitagabend, vor einer Woche. Die Brotvermehrungskirche ist voll! – Samstagvormittag, heute. Und unsere Kirche ist wieder voll!

Das eine Mal ein Benefizkonzert des Gary Bertini Israeli Choir. Wunderbare Chor-Musik. Vieles aus der geistlichen Tradition des Christentums, einige israelische oder jüdische Stücke. Manches aus der gemeinsamen Gebetstradition. Gekommen waren vor allem Israelis, zum Teil aus dem Umfeld von Tel Aviv. Die Kirche war voll. Und Tabgha konnte teilen und geteilt werden. Die Welt wurde ein Stückchen bunter und weiter in der kleinen Kirche auf dem galiläischen Land.

Benefizkonzert des Gary Bertini Israeli Choir in Tabgha. Benefizkonzert des Gary Bertini Israeli Choir in Tabgha. Bunt und weit war es auch heute Morgen: Wieder war die Kirche voll. Dieses Mal waren es einheimische Christen aus Galiläa, viele Kinder darunter. Eine ganze Reihe Ordensleute. Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo aus Nazareth, Nuntius Erzbischof Giuseppe Lazzarotto und der melkitische Erzbischof Georges Bacouni. Unsere Studenten aus der Dormitio. Und eine ganze Busladung von Borromäerinnen, Volontären, Mitarbeitern usw. vom Zionsberg. Liturgiesprache war Arabisch. Das Evangelium das unseres Ortes. Wieder: Das Wenige teilen, und es reicht für Viele. – Die Kirche des Heiligen Landes, sagte Bischof Marcuzzo in der Predigt, ist eine einzigartige: Einheimische Christen und so viele Ordensleute und Volontäre aus aller Welt. Das macht die Kirche von Jerusalem aus. Weit und bunt.

Zwischen dem Konzert und dem Gottesdienst zum Brotvermehrungsfest liegt eine Woche mit vielen, vielen Bussen, die viele, viele Pilger und Besucher aus aller Welt gebracht haben. Es ist eine gute Reisezeit für das Heilige Land. Und die kleine Kirche auf dem galiläischen Land war immer und immer wieder gefüllt mit Gebeten und Liedern, mit Worten – laut gesprochen oder auch nur still gedacht – aus aller Herren Länder.

Benefizkonzert des Gary Bertini Israeli Choir in Tabgha. Benefizkonzert des Gary Bertini Israeli Choir in Tabgha. Aller Herren? – Nein... Als ich heute morgen aus der Apsis in die Kirche schaute, sah ich einen kleinen Jungen, der sich intensiv mit den Opfer-Kerzen an der Christus-Ikone beschäftigte: Kerzen aus dem Körbchen heraus und auf die Abstellfläche vor die Ikone und umgekehrt. Anzünden und ausblasen und wieder anzünden... Ich glaube, der Kleine hat etwas über das Leben und über Tabgha gelernt: Es geht immer weiter. Ein Neuanfang vor dem Antlitz Christi (hier konkret unserer Ikone) ist möglich.

Es mag sein, dass es den allermeisten Besuchern unserer Kirche nicht bewusst ist: Aber wer etwas von Tabgha mitnimmt, von dem, was hier geteilt wird, der nimmt immer auch etwas von Christus mit. Die Botschaft der Brotvermehrung hat eine sehr universale, ja, globale oder globalisierte Bedeutung. Da gibt es dann nicht mehr die Herren aller Länder, seien es Präsidenten oder Kanzler oder Diktatoren... Da gibt es im letzten vor allem DEN Herrn. Den Herrn des Lebens. Mithin das Leben selbst. Der Mensch in seiner Bedürftigkeit und in seinen wunderbaren Chancen.

Brovermehrung geschieht deshalb auch heute. Wenn wir es wollen und zulassen. Und unsere Kirche in Tabgha wird dann wahrlich zu einem Haus des Gebets aller Völker...

Ich bin immer wieder froh und besonders heute auch sehr dankbar, dass ich als Prior hier mit meinen Mitbrüdern, Mitarbeitern und Volontären und den philippinischen Schwestern sein darf. Da fallen schon mal Kerzen ins Körbchen zurück. Manche Kerze wird ausgeblasen. Oft genug aus Unachtsamkeit. Aber man kann sie wieder anzünden. Neue Kerzen dazu stellen und anzünden. – Danke Euch allen!

Samstagabend. Wir beten gleich mit den „Jerusalemern” noch die Vesper. Die Kirche füllt sich wieder. Wir teilen Psalmen und Weihrauch. Und die Welt wird wieder ein bisschen größer...

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Fast ein Jahr danach

Manchmal mag es ja ganz gut im Leben sein, wenn Gras über Dinge wächst. Aber ich gestehe offen, dass ich auf das Gras, sprich Unkraut, das inzwischen aus den Fugen des abgebrannten Atriums wächst, gerne verzichtet hätte! – Wir nähern uns schon dem ersten „Jahrestag“ des Brandanschlages, und doch leben wir weiterhin mit der Feuerruine. Dabei bin ich auch kein Fan eines solchen „Jahrestages“. Natürlich wird keiner von uns Brüdern hier in Tabgha ohne Zwischen-Zeilen-Text in die Nacht vom 17. Juni auf den 18. Juni gehen. Aber daraus ein Gedenken zu machen, würde den Gewalttätern und ihren Hintermännern viel zu viel Gewicht geben.

Wichtiger ist für uns, dass es in diesem Jahr auch ungeheuer viele Menschen im Land und darüber hinaus gibt, die uns zur Seite stehen, und, dass es eben doch auch vorangeht. Langsam, ermüdend und frustrierend langsam über weite Strecken dieses Jahres. Ein solches Feuer dauert nur wenige Stunden. Das, was danach an Gesprächen und Verhandlungen, an Streit und Lösungen kommt, braucht viel mehr Zeit und Energie. Ob das wirklich sein muss? – Aber letztlich geht es doch weiter.

Und – noch so ein Sprichwort, das Wahres sagt – gut Ding will Weile haben… – Mitte Mai haben wir, denke ich, berechtigten Grund zur Hoffnung, dass es bald wieder los geht mit dem Baulärm in Tabgha. Und wir ertragen ihn gerne!

Euch und Ihnen allen, die Ihr uns zur Seite steht, sei an dieser Stelle ganz, ganz herzlich gedankt! Wir bleiben weiterhin verbunden!

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